Alexis Tsipras: Europa am Scheideweg

Quelle: Sozialistische Zeitung (übersetzter Gastbeitrag von Alexis Tsipras aus Le Monde vom 1. Juni)

Alexis Tsipras:
Europa am Scheideweg

Am 25. Januar dieses Jahres hat das griechische Volk, einen mutigen Entschluss gefasst. Es hat den Weg unnachgiebiger Austerität, den das Memorandum ihm gewiesen hatte in Frage zu stellen gewagt und einer neuen Regierung, die frei ist von den Lasten und vetternwirtschaftlichen Verstrickungen der Vergangenheit das Mandat erteilt, mit ihren Partnern zu verhandeln, um zu einem ehrenhaften Kompromiss zu finden; zu einer Übereinkunft, die das Land in der Eurozone hält, mit einem nachhaltigen Wirtschaftsprogramm, frei von der festgefahrenen Hartnäckigkeit und den Fehlern der Vergangenheit.

Denn eben diese Hartnäckigkeit und diese Fehler hat das griechische Volk teuer bezahlen müssen. In nur fünf Jahren ist die Arbeitslosigkeit auf 28 Prozent angestiegen (60 Prozent unter jungen Menschen), das Mittlere Einkommen um 40 Prozent gesunken. In nur fünf Jahren ist Griechenland laut Eurostat zum Land mit dem höchsten Grad sozialer Ungleichheit in der Europäischen Union geworden.

Und das schlimmste ist, dass dieses Programm trotz der tiefen Schläge, die es der Gesellschaftsstruktur zugefügt hat, nicht dazu geführt hat, die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft wiederherzustellen.

Die Staatsverschuldung ist von 124 Prozent des BIP auf 180 Prozent geschossen. Die griechische Wirtschaft ist, trotz der schweren Opfer, die die Bevölkerung erbracht hat, weiterhin in ständiger Unsicherheit gefangen, die das Resultat vollkommen unrealistischer fiskalischer Anpassungsziele sind und sie dazu verdammen, in der Teufelsspirale von Austerität und Rezession zu verharren.

Bedeutendstes Ziel der griechischen Regierung im viermonatige Verhandlungsprozess mit den Institutionen und mit unseren Partnern in der Eurozone war es, diesem Teufelskreis zu entkommen, der Unsicherheit ein Ende zu setzen.

Und zwar mit einer Übereinkunft von beiderseitigem Nutzen, die in Hinblick auf die zu erzielenden Überschüsse, realistische Zielsetzungen formuliert und so Wachstum und Investitionen zurück auf die Tagesordnung bringt. Die endgültige Lösung der griechischen Problematik ist heute drängender und notwendiger denn je. Eine solche Übereinkunft würde auch das Ende der europäischen Wirtschaftskrise, die vor sieben Jahren ausgebrochen ist, einleiten und der Unsicherheit in der Eurozone ein Ende setzen.

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Bürgerreporter:in:

Hajo Zeller aus Marburg

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