Windräder im Wald - Naturzerstörung statt Naturerhalt

Fotomontage der geplanten 236 m hohen Windräder bei Marburg-Görzhausen vom Hansenhaus links aus gesehen. | Foto: Dr. H.-Jürgen Friesen, BI Windkraft Görzhausen e. V.
  • Fotomontage der geplanten 236 m hohen Windräder bei Marburg-Görzhausen vom Hansenhaus links aus gesehen.
  • Foto: Dr. H.-Jürgen Friesen, BI Windkraft Görzhausen e. V.
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Marburg-Biedenkopf. Die Tageszeitung des Landkreises, die Oberhessische Presse berichtet regelmässig über die Sinnhaftigkeit von Windrädern, aktuell über den Zusammenschluss von 5 Ortsbeiräten gegen Windkraft im Wald:
http://www.op-marburg.de/Lokales/Nordkreis/Muenchh...

Vglsw. wenig kommen die Forstleute zu Wort, die seit Jahrhunderten unsere Wälder nachhaltig erhalten und pflegen.
In der Fachzeitschrift "Pro Wald" des Deutschen Forstvereins erschien im Juli 2017 ein Beitrag des von 1989 bis 2002 verantwortlichen Leiters der Hessischen Landesforstverwaltung, Ministerialdirigent a. D. Dr. Wolfgang Dertz. Ich durfte ihn in meiner Forst-Referendarzeit als fachkompetenten leitenden Forstbeamten kennenlernen, dem sowohl Naturschutz, die nachhaltige Nutzung des Waldes mit dem natürlichen Rohstoff Holz als auch die vielfältigen Funktionen des Waldes u. a. für die Erholung der Menschen sehr am Herzen lagen.

Sein Beitrag enthält soviel in Jahrzehnten erworbenes Wissen, daß er m. E. eine große Bereicherung für die Meinungsbildung ist und hier mit freundlicher Genehmigung wieder gegeben wird.

Die beigefügte Fotomontage zeigt die optischen Auswirkungen der 236 m hohen Beton-Kunststoff-Stahl-Windradmonster auf das historische Stadtbild Marburgs, falls diese ab dem kommenden Jahr so gebaut werden würden (Höhen-Vergleich: der Kölner Dom ist 157 m hoch). Auf der Homepage der BI Windkraft Görzhausen e. V. kann man weitere Informationen abrufen:
http://www.BI-Windkraft-Goerzhausen.de

Es folgt der Beitrag von Min.Dir. Dr. Dertz.

Windräder im Wald, unsinnig und widersprüchlich

"Nach der Lektüre der Mai-Ausgabe „Pro Wald“ ist mir nicht recht klar, wo eigentlich die Hüter des Waldes, die Forstleute, stehen. Ich lese daraus, dass die Meinungen zwischen „Ist sowieso nicht zu ändern“, „Ist vielleicht ganz gut“ , „Wir müssen Opfer bringen“ und „Das saniert unsere Betriebe“ schwanken. Nur der unvergleichliche Enoch Frhr. zu Guttenberg spricht mit offenem Visier, wie auch ich nach einem langen Leben für den Wald es sehe. Danke!

Liest man die Hochglanz-Broschüren der Forstverwaltungen, so wird zu recht herausgestellt:

---Der Wald ist das naturnächste Ökosystem ohne Störungen durch Außeneinflüsse
---Der Wald schützt den Boden als langlebiges Wirkungsgefüge
---Der Waldschützt die Entstehung unbelasteten Trinkwassers für die Bevölkerung
---Der Wald ist bevorzugter Erholungsraum für gestresste Mitmenschen, bietet Entspannung, Ruhe und Besinnlichkeit, frei von Störungen der modernen Welt
---Der Wald ist die Heimstatt und Zufluchtsort für Flora und Fauna, Heimat seltener, streng geschützter Arten wie Schwarzstorch, Rotmilan, Falken, Eulen und Fledermäuse
---Wald prägt unsere einmalige spezifische Kulturlandschaft, gibt den Rahmen für Schlösser, Klöster, Burgen und andere Zeugen der Geschichte
---Wald ist mystischer Raum der deutschen Märchen, Waldästhetik und Waldweben hat Generationen von Forstleuten beschäftigt.

Dies Alles stimmt. Aber wie ist die Wirklichkeit? Eine Fahrt durch den Hunsrück z.B. zeigt, dass all dies mit Füßen getreten wird, eine Landschaft wird vernichtet, die nun für Mensch und Tier nur mit Widerwillen noch genießbar ist. Schöne Wälder werden durchlöchert, rabiater Straßenbau zu den WKAs durchgepeitscht, die Ortschaften von Rudeln von blinkenden Windrädern im Wald umzingelt.

Und das ist erst der Anfang des Irrsinns!
Wir haben z.Zt. in Deutschland rd. 28.000 Windräder, das Mehrfache ist geplant. Geben wir erst Ruhe, wenn alle bewaldeten Höhenzüge, die das Landschaftsbild formen, mit Rotoren vollgestellt sind?
Die meisten Länder geben den Wald für die Windenergie frei, z.B. Hessen. Niedersachsen dagegen hat einen Landtagsbeschluß, der den Wald ausdrücklich schont, solange im Offenland Platz ist.

Diese Opfer machten vielleicht noch Sinn, wenn für den Klimaschutz Entscheidendes erreicht würde. Jedoch haben diese Tausende von Industrie-Monstern im Wald nicht 1 Gramm CO2 beseitigt. Der CO2-Ausstoß in Deutschland steigt!!! Wie sollte er auch sinken, wenn zur Abmilderung des Flatterstroms die Kohle-Kraftwerke weiterlaufen müssen?

Ich halte es da mit Siegmar Gabriel, der gesagt hat: “…..und das Ausland hält uns deshalb für bekloppt!“

Und wo steht denn der deutsche Förster, der mit Großanzeige von EnBW in proWALD verlockt werden soll, seinen Wald ans Messer oder an den Rotor zu liefern?
Die meisten sind still und leiden, wenn Flächen, die sie gepflanzt, geläutert, durchforstet und im Endbestand in Verjüngung gebracht haben, unter Beton, Stahl, Carbon und Öl-absondernden Gondeln verschwinden. Staatsförster sind zur Loyalität zu einer umstrittenen Politik verpflichtet, Privatwald-Besitzer und Gemeinden halten tw. aus Not Ihr Portemonnaie offen, akzeptieren die Fruchtfolge „Naturwald zu Industrie-Gelände“.
Früher hörte man von den Grünen: Geld kann man nicht essen!
Und der Strom-Verbraucher zahlt die Zeche, z.Zt. ca. 400 € pro Kopf.

Der Nachwelt werden nach der zweifellos eintretenden technischen Überholung dieser Technik für die Ewigkeit waldfremde Elemente überlassen. Die Sicherheitsleistungen für die Rückbauverpflichtungen reichen nach amtlicher Feststellung nicht annähernd aus, um danach so etwas Ähnliches wie Wald am Ort der Schande entstehen zu lassen.

Eine ganz trübe Rolle spielen in dem Poker einige Naturschutzverbände und die Grünen.
Noch vor Jahren kettete man sich an Bäume, wenn Rodungen drohten, bei der Startbahn West gab es sogar Tote. Überall fordern sie große Nutzungsverzichte und Natur pur allerorten, beschließen aber jetzt Vorranggebiete Windkraft im Wald mit Wollust, auch wo kaum Wind weht und wo geschützte Großvögel unweigerlich geschreddert werden.

Was können Förster und Waldfreunde, z.B. der Deutsche Forstverein, auf dem rauchenden Schlachtfeld tun?

****Die Politik zum Maßhalten auffordern. Mehr Rücksicht auf waldgeprägte Landschaften!
****Nachweis der Windhöffigkeit durch konkrete Messungen, nicht rechnerische
Interpolation
****Erst Schaffung der Strom-Autobahnen von den subventionsfreien Offshore-Windparks in den Süden und Entwicklung wirksamer Stromspeicher, bevor der ganze Deutsche Wald entstellt ist
****Nachdenken, ob nicht das Bundesamt für Naturschutz und das Bundesverwaltungsgericht recht haben, wenn sie sagen, dass geschlossene Wald-Gebiete für die Energiegewinnung nicht in Frage kommen sollten.
****Für jedes Windrad eine Ökobilanz fordern! Konstruktion, Transport und Aufbau der Industriebauten sowie Rodung der Standfläche und der Zuwegung setzt mehr CO2 frei, als sie möglicherweise in Jahren irgendwo vermeiden.
****Mit der Meinung nicht zurückhalten, der Staat gibt vor, auf den Bürger zu hören!

Was sagt Reinhold Messner?
Speziell für den Wald gilt, was Reinhold Messner 2002 im Allgäu gesagt hat:
Alternative Energiegewinnung ist unsinnig, wenn sie genau das zerstört, was man eigentlich durch sie bewahren will: die Natur. Das ist mit der Installation von Windrädern in völlig intakten Landschaften der Fall. Die Landschaft verliert durch diese riesigen Industriebauten ihr typisches geheimnisvolles Gesicht, ihre Weite, ihre Stille, ihre Erhabenheit und ihr Dahinter – das jenseits Göttliche, das es zu erforschen gilt.

Dem ist nichts hinzuzufügen!"

Dr. Wolfgang Dertz, 65343 Eltville

Bürgerreporter:in:

Johannes Linn aus Marburg

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