Hektik trifft auf Ruhe, Kerzenlicht und einen warmen Tee

Es ist Samstag. Samstag, 7. Dezember, ein Tag vor dem zweiten Advent. Mein Blick wandert von meinen schwarzen Handschuhen hoch zu den Menschenmassen, die mir entgegen kommen. Die meisten drängen sich in kleineren Gruppen den Steinweg hinunter Richtung Elisabethkirche. Ich gehöre zu einer der wenigen, die ihn hinauf laufen. Richtig, ich laufe. Die schwarzen Handschuhe sein Teil meiner Joggingausstattung, zusätzlich bestehend aus Thermo-Oberteil, Thermo-Hose und Laufschuhen. „Guck ma, die macht datt rischtisch!“, ruft eine etwas rundliche Frau und zeigt mit ihrem Finger auf mich. Ich muss lachen. Je höher ich komme, desto dichter gedrängt sind die Menschen. Viele der mir entgegen Kommenden wirken gestresst, ihr Blick geht stur geradeaus. Womöglich sind sie im Geiste schon am Auto oder bei ihrer abendlichen Verabredung, für die sie noch das Dessert vorbereiten müssen. Und oh, dann ja auch die Weihnachtsfeier nächste Woche, da muss unbedingt…
Auf der Höhe des Schoko-Ladens gebe ich auf. Nicht weil ich außer Atem bin, nein, hier tummeln sich die Menschen dermaßen, dass ich Slalom laufen muss. Der Schoko-Laden bietet die Adventskalender zum halben Preis an, es gibt Schoko-Weihnachtsmänner, -Schneemänner, -Engel und wem das nicht schmeckt, der bekommt fast alles auch nochmal als Weingummi-Ausgabe. Die Parfümerie hat x Sonderangebote, was dazu führt, dass sich vermutlich mehr Menschen als Parfüm-Flacons im Geschäft befinden. Hinter dem Schoko-Laden führt eine Treppe weiter nach oben. Ich nutze die Gelegenheit, dem Trubel zu entkommen.

Als ich schließlich wieder zu Hause bin, gönne ich mir eine heiße Dusche. Danach setze ich mich in die Küche, zünde eine Kerze des Adventskranzes und einige Teelichter an, schalte das Licht aus und genieße meinen Tee. Es ist still. Und mit der Stille beginnt mich auch innere Ruhe zu erfüllen. Plötzlich muss ich an die Weihnachtsgeschichte denken. Nicht, weil ich gläubig bin, sondern einfach, weil mir bewusst wird, dass das der Ursprung dieses Festes ist, auf das wir uns gerade vorbereiten. Ich denke daran, wie Josef und Maria durch die Straßen Bethlehems irrten, auf der verzweifelten Suche nach einem Obdach. Marie in den Wehen. Die bevorstehende Geburt trieb sie an, immer weiter zu gehen, weiter zu suchen. Die werdenden Eltern müssen gehetzt gewesen sein, verzweifelt vielleicht. Es muss sie unglaubliche Anstrengungen gekostet haben. Vermutlich froren sie und hatten Hunger. Die Stadt war wegen der Volkszählung völlig überfüllt, vielleicht tummelten sich in den Straßen die Menschen, alle gehetzt, um noch eine der letzten Bleiben für die Nacht zu ergattern.

Und dann bin ich gedanklich wieder im Steinweg. Bei den Menschen, die sich auf der Suche nach dem passenden Geschenk in überfüllten Läden drängen. Nichts scheint wichtiger als bloß DAS gewünschte Parfüm, DAS herbeigesehnte Buch, DIE Ohrringe zu ergattern. Die weihnachtliche Existenz scheint davon abzuhängen. Bestimmt sind die Menschen gehetzt, verzweifelt vielleicht. Es muss sie unglaubliche Anstrengungen kosten. An einem Lebkuchen knabbernd denke ich, dass sich die aktuelle Stimmung nicht wesentlich von der vor fast 2014 Jahren unterscheidet. Ich persönlich bevorzuge es heute aber, weiter im stillen Kerzenlicht zu sitzen und voller Dankbarkeit zu fühlen, wie gut es mit geht. Eine heiße Dusche, mein Tee, die gemütliche, warme Küche und selbstgebackene Kekse. Weihnachten kann kommen.

Bürgerreporter:in:

Melanie Weiershäuser Belichtbar Fotografie aus Marburg

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