„LA SERENISSIMA“ – VENEDIG, DIE ALTE DAME (KREUZFAHRT, TEIL 2)

Mit Eros durch die Kanäle
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Teneriffa. Gegen Mittag schweben wir auf dem Airport „Marco Polo“ ein. Taxi in die Stadt? Nein danke. „La Serenissima“ kann man innerlich nur mittels einer Fahrt quer über die Lagune erreichen. Unsere Sinne wollen langsam aktiviert werden für das kolossale Erlebnis, das vor unseren Augen langsam aus den Fluten der Lagune empor steigt: die ungewöhnlichste Stadt Europas „La Bella Venezia“. Dafür nehmen wir gerne einen siebenminütigen Fußmarsch zum Wassertaxi mit viel Gepäck in Kauf.

Der einzigartige Odem des Lagunenwassers stößt mich abrupt zurück ins Jahr 1972, als ich schon einmal diese morbide Schönheit besuchte. Die nun folgende halbstündige Wasserpartie im strahlenden Sonnenschein lässt alte Ansichtskarten und Schnappschüsse hinter meinen Augen aufblitzen, die sich jetzt mit den neuen optischen Eindrücken vermischen. Geräusche, Stimmen und Gesichter steigen herauf aus dem Vorgestern. Ein harter Stoß sagt mir, dass wir am heutigen Ziele angekommen sind. Koffer raus auf die „Fondamenta“ (gepflasterter Fußweg zwischen den Häusern und dem Wasser des jeweiligen Kanals). Ein Gewirr von Gässchen verschluckt uns, macht uns orientierungslos, bis wir an einer Kirche ankommen, die uns den Weg weist. Nur noch wenige Schritte durch eine verträumte Gasse bis zum „Hotel Ai Mori D’Oriente“ (4 Sterne). Hinter einer wunderschönen alten Fassade verbirgt sich ein recht weitläufiges Hotel mit liebevoll gestaltetem Ambiente. Obwohl die Zimmer recht duster sind, fühlen wir uns zwischen den schweren Brokatvorhängen und der Wandbespannung aus Seidenstoffen sofort wohl.

Doch draußen vor der Tür wartet Venedig und sie verlangt nach einer neuen Umarmung. Wir machen uns auf, um uns zunächst in leeren Gassen treiben zu lassen, bis uns schließlich der Menschenstrom erfasst und über die Rialto-Brücke bis zur Piazza San Marco spült. Obwohl November – das kosmopolitische Gewimmel bei San Marco ist bedrückend, beängstigend. Wir flüchten auf eine „Gondola“ und sehen in schmalen abseitigen Kanälen die Vergänglichkeit der Welt.

An dieser Stelle verzichte ich auf die 101-millionste Beschreibung der morbiden Schönheit dieser Stadt, wo der Tod so nahe, so fühlbar ist. Stattdessen lasse ich meine Fotos sprechen, die allerdings auch nichts Neues bieten können, denn Legionen von Fotografen haben diese Schönheit bereits ausgezogen und ihre intimsten Falten gezeigt.

Ob die Dunkelheit in Venedig schneller herab fällt als irgendwo anders auf dieser Kugel? Wir könnten es beschwören. Doch ein wahrer Gaumenschmaus in der „Ostaria Da Rioba“, wo wir uns mit großen Glück und langem Warten vor der Tür den einzigen nicht reservierten Tisch erobern, vertreibt schnell unsere nachdenkliche Stimmung und der gute „Rosso“ aus der Toskana tut das Seinige, um unsere Herzen mit neuem Jubel einzustimmen. In den Kneipen des Studentenviertels beenden wir ziemlich spät (oder früh?) unsere „Nocturne da Venezia“.

Am nächsten Morgen – es nieselt leicht melancholisch – rollen wir nach dem Frühstück unsere Koffer gemächlich durch die Gassen und über die Brücken der Stadt bis zur Piazza Roma. Noch einmal saugen wir das Ambiente dieser untergehenden Welt in uns auf, bevor uns der Shuttle-Bus der Costa-Reederei zurück in die nüchterne Gegenwart eines hässlichen Warteraumes mit dem Charme eines Herren-WC befördert. Schließlich an Bord ein letzter liebevoller Blick von der Reling zurück auf die alte Dame Venedig, die langsam in der Lagune versinkt: „Ciao Serenissima!“

Und mehr über unsere Kreuzfahrt, Teil 1 hier:

Bürgerreporter:in:

Hans-Rudolf König aus Marburg

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