Wanderung über den „Marburger Rücken“ - Teil 3: Aufstieg zur Kirchspitze auf 323 Meter Höhe

Der Freitagtempel, gestiftet 1876 von dem in Malrburg in einem Waisenhaus aufgewachsenen Wiesbadener Gastwirt Gustav Freitag
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  • Der Freitagtempel, gestiftet 1876 von dem in Malrburg in einem Waisenhaus aufgewachsenen Wiesbadener Gastwirt Gustav Freitag
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Die Kirchspitze war früher ein gerne besuchter Aussichtsberg von Marburg. Aber auch heute trifft man auf dem Gipfel immer mal wieder andere Besucher und ist dort oben nicht alleine. Kommt der Wanderer vom Weg über den Marburger Rücken von dem ersten besuchten Anhöhe, der Augustenruhe, zurück, liegt die steil aufragende Kirchspitze genau im Blick. Der Berg, der mit seiner sagenumwobenen Geschichte eng mit der Elisabethkirche verbunden ist, verspricht eine gute Aussicht mit seinen 323 Metern über Meeresspiegel. Das Lahntal und auch der Schlossberg werden deutlich überragt.

Den Sattel zwischen den beiden Bergen Augustenruhe und Kirchspitze überquert man auf der Seite, die dem Lahntal zugewandt ist. Zum Aufstieg auf den Gipfel, wozu vom Bergsattel noch einmal achtzig Höhenmeter zu bewältigen sind, bieten sich zwei Varianten an.

Mit dem direkten Aufstieg über einen schmalen, steilen Zickzackweg (gut ausgeschildert) gelangt man in wenigen Minuten auf die Spitze des Berges. Gemächlicher geht es mit Variante zwei erst einmal am Hang des Berges entlang bis an das Ende des Bergrückens. Mit einer Kehrtwende zurück führt ein breiter Weg auf die Höhe. Bis zum Aussichtspunkt mit dem Freitagtempel ist nur ein leichter Anstieg zu bewältigen. Diesen Weg zum Gipfel muss auch der Wanderer nehmen, der vom Brümmelsgraben her kommt - über Wilhelm-Roser-Straße und Wannkopfstraße.

Die erste Erwähnung fand der Berg in einer Urkunde vom 17. September 1492. Hierbei wird ein Grundstück zwischen der Elwinsmühle (Elisabethmühle/Lotze’sche Mühle am Wehrdaer Weg) und der Anhöhe „Kesselburg“ beschrieben. Wie weit dieser angegebene Name einen realen Bezug zu einer ehemaligen Burg dort hat, ist nicht geklärt.

Nennenswerte Ausgrabungen zur Ermittlung der Historie hat es – wie auf der Augustenruhe – auch auf diesem Berg nicht gegeben. Es gibt jedoch auf der Kirchspitze deutliche Anzeichen für ein keltisches Oppidum. Dies war bei den Römern und im Mittelalter ein Begriff für „kleine Stadt“. Die Vermutung geht in die späte Eisenzeit (La-Tene-Zeit, 3. Jahrhundert vor Chr.).

Auf der Ostseite, zum Lahntal hin, findet sich am oberen Bergeshang auf 150 m Länge eine lange Steinmauer in „cyclopischer“ Technik mit 1 qm großen Sandsteinplatten. Die Mauer ist z. T. 1 m hoch erhalten und 2,50 m breit. Die gesamte Anlage erstreckt sich auf 280 m x 100 m. Es gibt Funde von Töpferscherben ohne Töpferscheibenarbeit. Demnach wird eine Besiedelung in der Karolingerzeit, zwischen 800 – 1000 n. Chr. angesetzt. Erste kleine Ausgrabungen dort wurden wieder zugeschüttet.

Auch für das 12. Jahrhundert wird eine Besiedelung angenommen. Siedlungsreste deuten darauf hin, dass nicht auf der Augustenruhe, sondern auf der Kirchspitze die „Casselburg“ (eine Turmburg) gestanden hat. Möglich ist, dass sich in Marburg im Mittelalter über zwei oder drei Jahrhunderte die Erinnerung an eine Burg auf dem hohen Berg erhalten hat und sich in den Namen „Kesselburg“ (wie die Urkunde aus dem Ende des 15. Jahrhunderts besagt) wieder findet. Der heutige Name "Kirchspitze" taucht erstmalig 1619 in einer Urkunde auf.

Bei den mehrfachen Belagerungen der Stadt Marburg und der Beschießung des Schlosses im Siebenjährigen Krieg (1756 – 1763) hat der Berg eine Bedeutung gefunden. In Plänen für die französische Armee sind Batteriestellungen auf der Kirchspitze verzeichnet. Auch die Gegner, ein Verband aus Briten, Hannoveranern und Hessen, nutzten die noch heute unterhalb des Freitagtempels sichtbaren und aus dem Fels heraus gesprengten Standorte der Geschütze.

Heute bietet der Freitagtempel, errichtet am besten Aussichtspunkt, dem Wanderer Schutz. Gestiftet wurde die Schutzhütte 1874 von dem Rentner Gustav Freitag. Dieser war in einem städtischen Waisenhaus aufgewachsen und hatte in Marburg eine Lehre gemacht. Als Gastwirt war er in Wiesbaden zu einem gewissen Reichtum gelangt. Er war aber seiner Geburtsstadt zeitlebens verbunden geblieben und hatte Marburg diese eiserne Schutzhütte gespendet. Nach Zerfall und Zerstörungen wurde sie 1958 vom Marburger Verschönerungsverein wieder hergerichtet und zuletzt 2002 instand gesetzt.

Vom Freitagtempel reicht der Blick in das Lahntal und zum Schloss, zum Kaiser-Wilhelm-Turm und den Frauenberg. In der Ferne werden auch Taunus und Vogelsberg sichtbar. Die Bänke im achteckigen Tempel laden zum Verweilen ein. Sieht man sich in Ruhe die Umgebung an, so gerät sogar die Elisabethkirche mit ihren beiden Turmspitzen im Tal der Lahn in den Blickwinkel.

Ach ja - und dann kommt einem die Sage in den Sinn, woher diese Bergspitze den Namen "Kirchspitze" hat. Unsere Vorfahren hatten die Heilige Elisabeth so verehrt, dass sie ihr eine Kirche bauen wollten, hoch auf einem Berg und weithin sichtbar.

Bei der Frage, an welcher Stelle der Bau errichtet werden sollte, war man auf diesen hochragenden Gipfel gekommen, noch höher als der Schlossberg gelegen. Ganz in der Nähe lagen zudem die Steinbrüche, aus deren Steinquadern man eine große Kirche bauen konnte. Der Weg zur Anlieferung der Steine auf diesen Berg war nicht weit. Der Bau begann.

Aber die Errichtung der Kirche litt darunter, dass das, was des Tages gebaut wurde, des Nachts wieder zusammenfiel. Man erkannte hierin den Willen der Vorsehung: Diese Stelle war zur Errichtung eines Gottestempels als nicht geeignet erblickt worden. Deshalb ermittelte man den besser geeigneten Platz dadurch, dass man von dieser Höhe einen Mühlstein herabrollen ließ. Wo er liegen blieb, steht heute die Elisabethkirche.

Bürgerreporter:in:

Karl-Heinz Gimbel aus Marburg

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