Mit Gisela zur GORGES DU VERDON

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Morgens vor dem Besteigen des Busses geht es schon los. Alle mit Höhenangst oder sonst welcher Angst auf die Seite hinter den Busfahrer – alle Anderen hinter mich. Das heißt nicht, dass ich keine Angst hätte. Aber das darf ja keiner wissen. Wir fahren auf der Autobahn von Nizza bis Mougins. Ab dort fahren wir Landstrassen. In Grasse werden wir die erste Rast einlegen.

Grasse ist die Welthauptstadt erlesener Düfte. Die Stadt kam durch Zufall zu dieser Stellung. Im Mittelalter wurde Grasse eine Stadtrepublik. Die Gerber stellten feine Lederhandschuhe her. Als gegen 1600 die Mode aufkam, die Handschuhe zu parfümieren, begann auch in Grasse die Destillation der Duftstoffe. Aus dem Nebenerwerbszweig wurde das Hauptgeschäft – bis jetzt. Grasse ist auch als Luftkurort bekannt. Prominente Besucher waren Pauline, die Schwester Napoleons und Mitte des 19. Jahrhunderts Königin Viktoria von England. Die Altstadt von Grasse hat sich seit dem 18. Jahrhundert kaum verändert.

Nach dem Aufenthalt fahren wir auf der Route Napoleon weiter. Diese Straße ist 325 km lang und führt von Cannes über Grasse und Digne nach Grenoble. Die Route Napoleon wurde 1932 eröffnet. Die Streckenführung folgt dem Weg den Napoleon, als er am 01. März 1815 auf der Rückkehr von Elba in Golfe Juan landete, von dort nach Grenoble genommen hat. Er hat die Strecke durch kleine Adler markiert. Damals gab es hier nur schmale Saumpfade und es waren Gewaltmärsche bis zu 45 km am Tag durch unwegsames Gelände. Der Col de Val Ferriere ist mit 1169 m Höhe der Scheitelpunkt der Route Napoleon.

Wir kommen nach La Garde, was ein alter Schlupfwinkel der Sarazenen war.

In Castellane biegen wir links ab. Kurz vor dem Ort sehen wir noch eine Kalkklippe mit einer Brücke aus den 17. Jahrhundert.

Wir halten uns immer links bis Comps-sur-Artuby um dort dann rechts einzubiegen. Noch fahren wir gemütlich dahin, bis wir plötzlich ganz unvermittelt über einen bis 700 m tiefen Abgrund dahinschweben. Jedes Mal aufs neue stoße ich einen kleinen Schrei aus, der sich aber wie ein Freudenschrei anhört (ist er aber nicht). Man muss sich vorstellen: Im Bus sitzt man höher, sieht also die kleine Schutzmauer nicht und schwebt in jeder Kurve frei über den Abgrund, der sich auf meiner rechten Seite, wo ich ja sitze, befindet. Da ich ganz vorn sitze geht es immer geradeaus über den Abgrund und erst dort schwebe ich wieder zurück auf die Straße. Man kann es nicht erklären, man muss es erlebt haben. Ich finde es einfach Horror. Das dürfen natürlich meine Leute nicht merken. Also erzähle ich. Alles was ich sehe erkläre ich, als wenn ich einem Blinden die Landschaft erkläre. Ich rede, rede, rede, rede und meine Leute sind von meinen Ausführungen begeistert. Längst sitzt kaum einer mehr. Auch die Mutigen liegen auf den Sitzen. Das Ganze dauert sehr langsam gefahrene 14 km direkt am Abgrund entlang.

Ihr wollt jetzt bestimmt wissen, was das für ein Abgrund ist? Wir fahren auf der Corniche Sublime, am Südrand einer gewaltigen Schlucht dahin. Von Castellane kommend, sind wir nach zwölf Kilometern bei Pont-de-Soleils links abgebogen, um nach einer kleinen Schleife über Trigance beim Aussichtspunkt Balcons de la Mescala den Lauf des Verdon zu sehen. Von diesem Aussichtspunkt fällt der Blick aus Schwindel erregender Höhe auf die 250 m tiefer gelegene Mescla, dem Zusammenfluss von Verdon und Artuby. Der Verdon windet sich hier um einen schmalen Felsvorsprung. Wenig später führt die Straße über den Pont de l’Artuby. Die Brücke überspannt den Fluss in 200 Meter Höhe! Manche Zeitgenossen suchen hier den richtigen Kick beim Bungee-Jumping von der Brücke.

Wir befinden uns jetzt oberhalb der Gorges du Verdon – dem Grand Canyon du Verdon. Der kleine Fluss entspringt in einer Höhe von 2.150 m und ist Frankreichs Colorado. Den Grand Canyon hat er selbst geschliffen. Die jadegrüne Farbe kommt durch die Algen. Vor Millionen Jahren, als der Canyon entstand, war die Wasserkraft hundertmal so groß wie heute bei extremem Wasserstand. Der Verdon wurde durch zahlreiche Stauseen gebändigt.

Durch den 1947 vollendeten Bau der Corniche Sublime wurde der Südrand des Grand Canyons erst zugänglich. 1973 wurde die Kammstraße, die Routes des Crêtes, eröffnet, um dem Touristenansturm Rechnung tragen zu können. Sie ist im Winter geschlossen. Die Nordroute führt weiter entfernt vom Abgrundrand im Norden der Schlucht. Wir fahren auf der Südroute, der Corniche Sublime. Allein das Hinunterschauen kann eine leichte Übelkeit verursachen. Der Canyon ist bis zu 700 m tief und 21 km lang. Die Felswände auf beiden Seiten fallen fast senkrecht ab. Das Gefälle des Flusses in diesem Abschnitt beträgt 153 m.

Endlich sehen wir in der Ferne den Lac de l´Croix. Dort ist die Schlucht zu Ende. Am westlichen Ausgang des Canyons wurde der Verdon gestaut und es entstand einer der schönsten Seen Südfrankreichs. Der See fällt vor allen Dingen durch seine türkisblaue Farbe auf.

Bevor wir den See erreichen kommt auf der rechten Seite der Straße ein kleines Restaurant. Dort legen wir zuerst mal eine Pause ein um uns von dem, was hinter uns liegt zu erholen.

Anschließend treten wir über Draguignan den Rückweg nach Nizza an. Draguignan hat sich aus einer römischen Befestigung entwickelt. Der Name der Stadt bedeutet: Der Ort der Drachenkämpfe. Es gibt eine sehr schöne Altstadt, die sich um den Uhrturm aus dem 17. Jahrhundert gruppiert.

Bürgerreporter:in:

Gisela Görgens aus Quedlinburg

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