Wo sind sie geblieben?

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Das Tal der Eismänner
Meine Leidenschaft ist italienisches Eis. In diesem Jahr war es 1 Bällchen Joghurteis mit Sahne in einer kleinen Waffel. Ein Traum!

Aber was ist geschehen? Keine Tische stehen mehr vor dem Eiscafe, stattdessen schauen mich Rauscheengel an, die im Schaufenster ausgestellt sind. Wo sind sie jetzt meine italienischen Freunde?

Ich bin auf die Suche gegangen. Zuerst mit der Eisenbahn von Linz am Rhein über Koblenz nach München. Dort ist alles gerannt zum Zug nach Bozen. Kaum waren wir drin, fuhr er auch schon los. In Franzensveste musste ich dann umsteigen nach Tobblach.

Dort holte mich meine Freundin Domitilla ab und es ging über verschneite Pässe und durch Cortina d Ampezzo hinab bis Longarone.

Jetzt wurde es abenteuerlich. Auf einer schmalen Straße, links die tiefe Schlucht des Maé, fuhren wir hinauf ins Val di Zoldo, einem Hochtal (1000 – 1400 m) in den venezianischen Dolomiten.

Fast alle Besitzer italienischer Eisdielen stammen von dort. Sie überwintern im Val di Zoldo.

Wir fahren die Straße hinauf , bis uns der schlanke und hohe Kirchturm von S. Floriano in Pieve schon von weitem grüßt. »Forno di Zoldo« steht auf dem Ortsschild.

Es ist schon Nachmittag und es fängt an zu dunkeln. Die Sonne berührt nur noch die Zacken der Berge, die dunkelrot aufglühen. Wie bei Heidi auf der Alm denke ich verzückt. Ein Kindertraum wird war. So etwas habe ich noch nie gesehen.

Weit und breit ist kein Mensch zu sehen. Jedoch ist das Dorf inmitten gigantischer Gipfelzacken zugeparkt. Fast alle Autos haben deutsche Kennzeichen. Köln, Freiburg, Bonn usw. Nur ganz selten sieht man eine italienische Nummer.

Von den 4000 Eisdielen in Deutschland sind etwa 3000 in italienischer Hand.

Außer dem Val di Zoldo mit dem Hauptort Forno di Zoldo, woher ursprünglich fast alle italienischen Eismacher kamen, gehört auch das Nachbartal Val di Cadore zu der Herkunftsregion der Eismänner. Beide Täler liegen in der Provinz Belluno, aus der noch heute 75 Prozent der Eismacher in Deutschland stammen.

Im November kommen sie aus allen Ecken von Europa in ihr Tal. Bis Anfang Februar wird dann geheiratet, die Kommunion der Kinder findet auch im Winter statt. Die Kinderplanung geht so weit, dass fast alle Eiskinder im Winter in Italien geboren werden und natürlich auch getauft.

Ab Februar dann, wenn alle aufbrechen und nur noch die Alten und die Kinder im Dorf zurückbleiben wird es sehr einsam. Die meisten Kinder der Eisleute gehen in Italien in die Schule. Dort gibt es ein kleines Kloster das von Nonnen geführt wird, und das eine Schule mit Internat ist. In den Ferien, die mind. 2 Monate dauern, kommen die Kinder in die Eisdielen zu den Eltern. Die größeren helfen fleißig.

Die erste Auswanderungswelle war gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als ein Hungerjahr auf das andere folgte. Es gab kaum noch was zu essen. In tausend Meter Höhe und für lange Zeit im Schatten gelegen, gaben die wenigen Äcker nichts mehr her. Die Ersten die gingen, verkauften noch in den Straßen des Veneto gedünstete Birnen am Spieß. Die zweite Welle schwappte schon bis Südamerika und Kanada.

Als aber dann Paolo Ciprian 1906 in Wien erstmals eine elektrisch funktionierende Eismaschine in Betrieb nahm – und fast zeitgleich 1904 auf der Weltausstellung in St. Louis die ersten essbaren Eistüten vorgestellt wurden kam die Wende.

In Wien und in deutschen Städten machten die ersten Eisdielen auf. Ihre Besitzer kamen aus dem Zoldotal. Viele schoben erst einmal einen zweirädrigen Karren durch die Straßen mit einem buntem Sonnenschirm über den Eiskübeln, die wie silberne Sahnehäubchen aussahen.

Der Eismann war da!

Bürgerreporter:in:

Gisela Görgens aus Quedlinburg

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