Wasser aus Groß Lafferde und das Steinbrücker Bier

Burg Steinbrück
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In der Ortschronik von Groß Lafferde ist auf Seite 108 folgendes zu lesen:

"Aus dem Schornstein des Pallas steigt Rauch auf - es wird Bier gebraut. Das dafür benötigte Wasser fließt durch Holzröhren, die unter der Heer- und Handelsstraße verlegt sind, von Lafferde bis nach Steinbrück".

Auf Seite 109 folgt eine schematische Darstellung, die aus beigefügtem Bild ersichtlich ist. Dort steht geschrieben:

"Der Röhrengang von Gr- Lafferde nach Steinbrück lag mittig unter der Straßendecke in ca. 0,75 Meter Tiefe. Die Kernbohrung ist versandet - der eigentliche Holzstamm verfault und nur noch schemenhaft erkennbar. Vom Bäckerteich des oberen Backhauses bis zur Burg in Steinbrück, liegt daher eine ca. 9 cm starke `Sandwurst´ in der Erde."

Leider hat der Autor die Fundstelle des Röhrenfragments nicht angegeben. Zum Alter gibt er keine Hinweise.
Der Artikel enthält keine Aussage darüber, ob der Strangverlauf untersucht wurde. Zur glaubhaften Stützung der Brauwasserleitungsthese hätte man zumindest gesicherte Angaben über Beginn und Ende des Stranges erwarten dürfen.
Sollte man bei künftigen Grabungen im Quellbereich auf Röhren stoßen, dann gilt es zu bedenken, dass laut Baurat a.D. Adolf Nülle von dort die (in unmittelbarar Nähe liegenden) Höfe Nr. 21, 23, 17 und 157 über Röhrenleitungen mit Wasser versorgt wurden.

Eine  Anzahl von Gründen gibt Anlass zu bezweifeln, dass der Autor der Chronik die richtigen Schlüsse gezogen hat:

1.
Es wäre viel einfacher gewesen, die Röhren in freiem Acker zu verlegen, statt sie
mitten unter einer vielbefahrenen, möglicherweise (teil)geschotterten Heer- und Handelsstraße zu verbuddeln. Schwere Fuhrwerke hätten den Strang bei tiefgründig aufgeweichter Fahrbahn beschädigen können. Deshalb ist anzunehmen, dass die Röhren einem ganz anderen Zweck dienten, nämlich der Straßenentwässerung oder der Felddrainage. Der angegebene Bohrlochdurchmesser von 9 cm legt das nahe.

2.
Die Luftlinie zwischen Quellbrunnen und Burg beträgt nur 1,7 km.
Wäre man beim Leitungsbau der Luftlinie gefolgt, dann hätte man das natürliche Gefälle nutzen können. Die Höhenlinien fallen von 83 m über NN auf 74 m über NN ab. Wasser fließt bekanntlich nicht bergauf.

3.
Es wäre ein großer Kosten- und Arbeitsaufwand gewesen, für den mindestens 1,7 km  langen Strang geeignete Baumstämme zu beschaffen, Kernbohrungen durchzuführen, frostsichere Gräben auszuheben, die Röhren zu verlegen und gegen Wasserverluste abzudichten.

4.
Bei dem genannten Röhrendurchmesser von 9 cm wären über 24 Stunden pro Tag riesige Wassermengen ungenutzt abgeflossen, denn der Bedarf an Brauwasser war sehr begrenzt. Die Alternative wäre gewesen, den Wasserabfluss zu regulieren.

5.
Groß Lafferde, seinerzeit eines der größten Dörfer dieser Gegend, musste zur Versorgung von Mensch und Vieh sorgsam mit Trinkwasser umgehen. Es galt, erst die Eigenversorgung zu sichern, bevor man an größere Wasserexporte denken konnte.

6.
Die Brauerei in der Burg war kein großes Unternehmen. Schließlich musste auch das notwendige Braumalz erzeugt und herangeschafft werden.
Unterstellt man, daß pro Woche 10 hl (1000 l) Bier gebraut wurden, dann wäre dafür in etwa die gleiche Menge reines Brauwasser erforderlich gewesen.
Wollte man unbedingt Wasser aus Groß Lafferde verwenden, dann hätte man das bei verhältnismäßig geringem Aufwand mit Fässern und Fuhrwerken zur Burg transportieren können.

7.
Groß Lafferde hatte weder eine rechtliche Verpflichtung noch Interesse daran, Wasser aus dem hildesheimischen Amt Peine in das (rund 120 Jahre lang) braunschweigische Amt Steinbrück zu liefern.

8.
Die nachbarschaftlichen Verhältnisse zwischen Groß Lafferde und Steinbrück waren nicht sehr gut. Seit Bestehen der Burg (Ende des 14. Jahrhunderts) gab es immer wieder erbitterte Auseinandersetzungen, die manchmal zu Gerichtsprozessen führten. Es gab sogar gewaltsame körperliche Übergriffe, die gelegentlich zu Blutvergießen führten.
Unter diesen Gegebenheiten erscheinen Wasserlieferungen an die Burg unwahrscheinlich.

9.
Steinbrücker Bier war in Groß Lafferde nicht gefragt. Reisende, Fuhrleute und Einheimische tranken lieber  Braunschweiger Bier. Konkurrenzneid führte zu jahrelangen Gerichtsprozessen zwischen bischöflich-hildesheimischen und herzoglich-braunschweigischen Interessenvertretern (Bierkrieg).

10.
Die Burg Steinbrück liegt in der Fuhseniederung. An Wasser herrscht kein Mangel. Sie ist eine Wasserburg.

Fuhsewasser besaß von der Quelle in Flöthe bis zur Burg Steinbrück durchaus  Brauqualität. Josef Anton Cramer, Professor am fürstlichen Gymnasium zu Hildesheim, schrieb im Jahre 1793, dass in der Fuhse Karpfen, Aale, Schleien, Hechte, Schmerlen, Bitterlinge, Weißfische, Gründlinge, Neunaugen und Krebse vorhanden seien. Besser gings nicht.
Die verhältnismäßig wenigen Anlieger konnten keinen großen Schaden anrichten, und Zuckerfabriken oder Stahlwerke (Salzgitter) gab es noch nicht.
Anders war das in der Stadt Goslar. Dort hatte der Nachtwächter vor Brautagen zu verkünden: "Heute wird bekannt gemacht, dass keiner in die Gose kackt, denn morgen wird gebraut".

11.
Es sind keine historischen Quellen bekannt, in denen die Brauwasserlieferung erwähnt wird.

12.
Anzumerken bleibt noch, dass die Groß Lafferder Einwohner das Recht hatten "nicht nur ihre Getränke  beziehen zu können woher sie wollen, sondern auch zur häuslichen Nothdurft selbst brauen zu  können" (aus dem Schreiben des Schatzkollegiums Hildesheim vom 9. Januar 1793 wegen Accisefreiheit).
Es gibt allerdings keinen Nachweis darüber, dass in Groß Lafferde Bier gebraut wurde.
(Quelle: Baurat a.D. Adolf Nülle †).


Fazit:

Die These von der von der Brauwasserlieferung nach Steinbrück widerspricht  jeglicher Logik und ist deshalb nicht glaubhaft.

Bürgerreporter:in:

Wilhelm Heise aus Ilsede

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