ein Weihnachtsmarkt in Hannover, fast alle Jahre wieder

und von Weihnachten, von Wünschen und einem Wunschring

seit 1813, als er zum ersten Mal erwähnt wurde, gab es mit zwei Ausnahmen einen Weihnachtsmarkt in Hannover,

denn in den Jahren 1943 und 1944 fand er kriegsbedingt, nicht statt

man plante zwar in beiden Jahren am Klagesmarkt jeweils eine Art Weihnachtsausstellung, die aber beide de fakto nicht stattfanden,

1943, als nach dem schwersten Bombenangriff auf Hannover, nachts am 9. Oktober 1943 die Stadt in Trümmern fiel, war das nicht mehr durchzuführen, 
und 1944, fünf Monate vor Kriegsende war nichts mehr zu organisieren

den ersten bescheidenen Weihnachtsmarkt nach dem Krieg gab es 1945 am Klagesmarkt, und in einem Bunker am Listholze,
wo man eine Weihnachtsfeier für Kinder organisiert hatte,
es gab ein Kasperletheater, auf mehreren Tischen waren Puppen, Teddybären und Spielzeugautos zu sehen,
und als Hauptatraktion sogar eine funktionierende elektrische Eisenbahn,

mitnehmen durfte man allerdings nichts davon, all die feinen Sachen waren unverkäuflich,

aber am Klagesmarkt und am Listholze brannten Kerzen am Tannenbaum,

am Listholze im Bunker, und am Klagesmarkt im freien,

die letzteren wohl nicht allzu lange, denn an Weihnachten 1945 gab es zwar keinen Schnee, doch es war windig, nasskalt und diesig,

doch in Herrenhausen wurde mit "Hänsel und Gretel" sogar ein Weihnachtsmärchen aufgeführt

1946 und 1947 gab es wieder eine Weihnachtsfeier im Bunker am Listholze, und jetzt konnte man all das kaufen, was angeboten wurde,

erst 1948 kehrte der Weihnachtsmarkt in die Altstadt zurück, und feiert dieses Jahr ein Jubiläum,

wenn Oberbürgermeister Stefan Schostok am Mittwoch den 29.November 2017 um 16:00 Uhr den diesjährigen Weihnachtsmarkt eröffnet, wird es der 200ste Weihnachtsmarkt in der Altstadt sein,

denn im Jahr 1813 wird er zum ersten Mal als Weihnachtsmarkt in der Altstadt erwähnt,

darüber besteht kein Zweifel, denn in den Jahren 1943 und 1944 gab es kriegsbedingt keinen Weihnachtsmarkt, und 1945, 1946 und 1947 fand er auf dem Klagesmarkt statt,

ergo 2017, also in diesem Jahr zum 200sten mal in der Altstadt 

und bis Freitag 22. Dezember 2017 können sich die Besucher von 11 bis 21 Uhr inmitten von nun doch, wie zu hören war über 200 Ständen und Buden in einem schönen Ambiente mit festlich angestrahlten historischen Gebäuden weihnachtlich einstimmen,

auch das Leibnizhaus, wohl das schönste von allen, aus dem Jahr 1499, das beim schlimmsten Bombenangriff 1943 auch vollständig zerstört wurde, erstrahlt seit 1983 direkt neben dem historischen Museum wieder in altem Glanz,

genau wie das Schloss Herrenhausen, das ebenfalls bei diesem Angriff in Schutt und Asche fiel, und in den Jahren 2010 bis 2012 mit Originalfassade wieder aufgebaut wurde

für viele ältere Hannoveraner ist es immer noch der Weihnachtsmarkt "rund um die Marktkirche",

doch das ist Weihnachtsschnee von gestern, inzwischen zieht er sich bis zur Weihnachtspyramide am Kröpcke hin,

es gibt noch andere Weihnachtsmärkte in Hannover, so am Hauptbahnhof und auf der Lister Meile, aber die gehören rein gefühlsmäßig nicht dazu,

sie werden deshalb keineswegs abgewertet, aber sie haben ihre eigene Geschichte

eine Pyramide gibt es am Kröpcke seit 1994, sie wurde allerdings zweimal durch eine jeweils größere ersetzt,

inzwischen ist sie 18 Meter hoch und galt 2014 als die größte begehbare Weihnachtspyramide der Welt,

und vielleicht ist sie das immer noch

die dicht beieinander stehenden Stände in der Altstadt, an denen Christbaumschmuck, Holzspielzeug, schneebedeckte kleine Häuser aus Porzellan oder Keramik, mit Kerzenbeleuchtung, angeboten werden,
und der Duft von Puffer, Crêpes, schmalzgebackenem, zusammen mit Bratwürsten, Glühwein und Bratäpfeln schaffen zusammen mit der Marktkirche die gewünschte vorweihnachtliche Atmosphäre,

ein Muss ist der Besuch des finnischen Dorfes, das es in Hannover seit dem Jahr 2000 gibt,
man schaut zu, wie aus Lachs Flammlachs entsteht, bleibt bei der Dorfschmiede stehen, und trinkt vielleicht einen Glögi, einen finnischen Glühwein, der durch einen Mix von Beeren, und verschiedenen Gewürzen seinen typischen Geschmack erhält, und sehr beliebt ist,

den man allerdings wegen seiner 7,5 % Alkohol, besser nicht unterschätzen sollte,

völlig unterschätzt hatten die Finnen allerdings bei einem ihrer ersten Auftritte die hannoversche Trinkfestigkeit,

als ihnen nämlich mitten in der weihnachtlichen Vorfreude der Schnaps ausging,

dieser Fehler wurde schnell behoben,
worüber die „Hannoversche Allgemeine“ ausführlich berichtete,
und er passierte ihnen nie wieder

doch es gibt noch etwas Schönes auf dem Weihnachtsmarkt,

den Wunschbrunnenwald

mit etwa 50 Tannen auf 400 Quadratmetern ist er die Seele des Weihnachtsmarktes, und er bleibt 4 Wochen lang stehen

in seiner Mitte das Herz des Waldes, der Wunschbrunnen,
ein Platz wie aus dem Märchenbuch

1895 erbaut von Oskar Winter, ganz bewusst genau vor seinem Geschäftsladen, und nicht ganz uneigennützig,

denn er sollte Besucher vor sein Schaufenster locken, was er auch tat, worauf er ihn großzügig wie er war, der Stadt Hannover schenkte,

was die Stadt sehr freute, Oskar Winter auch, weil ihm nun die Unterhaltungskosten erspart blieben,

wie auch immer, er ist bis heute ein Anziehungspunkt geblieben,

denn seit 1914, mit Beginn des 1.Weltkrieges, gilt er auch in Hannover als Wunschbrunnen,
denn in diesem Jahr wurde ein eisernes Gitter um den Brunnen angebracht,
und mit ihm ein "goldener Ring",

und der Überlieferung nach geht ein Wunsch in Erfüllung wenn man ihn ausspricht und den Ring dabei dreimal ein bisschen nach links dreht,

und die Menschen machten damals wie heute, auch und insbesondere in zwei Weltkriegen, voller Hoffnung Gebrauch davon,
und während Hannover im zweiten Weltkrieg fast vollständig vernichtet wurde,
überstand der Brunnen den Bombenhagel ohne größere Schäden,

der Ring, erheblich älter als der Brunnen, stammt aus England, und entdeckt wurde seine Fähigkeit, Wünsche zu erfüllen, im 17. Jahrhundert als er Teil eines Londoner Vergnügungsparks war,
und möglicherweise als Gag eines Zauberers kleine Wünsche wahr werden ließ,

Einzelheiten darüber sind nicht überliefert,

der Kapellmeister des Kurfürsten in Hannover bekam jedenfalls Kenntnis von dem Zauberring, und holte ihn nach Hannover,

in den Herrenhäuser Gärten soll er ihn dann dem amtierenden Kurfürsten übergeben haben,

und der hatte auch prompt einen Wunsch parat, nämlich König von England und Hannover zu werden, wenn schon, denn schon

diesen Wunsch sprach er aus, und er ging nachprüfbar in Erfüllung,

das sprach sich herum, es kam, wie es kommen musste, der Ring wurde geklaut, und blieb eine lange Zeit spurlos verschwunden,

ob der Dieb sich nun selbst einige Wünsche erfüllt hat, ist nicht bekannt, jedenfalls tauchte er völlig überraschend 1914 wieder auf,

die Tochter eines Böttchers fand ihn der Legende nach auf einem Dachboden wieder, erkannte sofort sein Geheimnis, und probierte ihn auch gleich aus,

sie wünschte sich, der Ring möge so nett sein, und ihren Verlobten oder einen lästigen Liebhaber, so genau ist das nicht überliefert,

jedenfalls einen, der ihr schon lange auf den "Leibniz-Keks" ginge, in die Wüste zu schicken, und zwar dort, wo sie am tiefsten ist,

ganz schön heftig,

aber auch das klappte, also der Sage nach,

voller Dankbarkeit wollte sie dann den Zauberring in einem Anflug eher seltener weiblicher Solidarität auch anderen Frauen zur Verfügung stellen,
und schaffte es irgendwie, dass er am neu gebauten Gitter des Brunnens, und leicht zugänglich,
auch für andere, und deren fromme Wünsch zur Verfügung stand

dazu eine Anmerkung
man muss ja nun wirklich nicht jeden Wunsch nachplappern,
von wegen Wüste mit Treibsand und so weiter,

doch es gibt noch andere Legenden, den Ring betreffend, so soll einem für die hannoversche Stadtplanung verantwortlicher Mensch eines Tages ein Einfall eingefallen sein

und er schlug als PR-Idee vor, den Ring der Allgemeinheit gegenüber offiziell zum Zauberring zu erklären, ebenfalls, um Besucher anzulocken,

ob das nun ein plötzlicher Geistesblitz, oder eine göttliche Eingebung war, ist nicht überliefert,

mit den göttlichen Eingebungen ist das allerdings so eine Sache, schon beim "Münchener im Himmel" hat das nicht funktioniert,

deshalb möchte ich hier nicht weiter darauf eingehen,

doch, zugegeben, so ganz auszuschließen ist es auch nicht,

und sollte der Ring durch Image-Pfleger Mike Gehrke seinen Zauber erhalten haben,

so will ich ihm das auf keinen Fall absprechen, und für skurrile Wünsche kann man ihn auch nicht verantwortlich machen,

wenn man in Sachen Weihnachten und Weihnachtsmarkt zurückblickt, war Weihnachten 1945 sicher etwas ganz besonderes,
denn es war wieder Weihnacht im Frieden, ohne Bomben, ohne Verdunkelung, und wenn eine Sirene heulte, war es eine Fabriksirene

am Hauptbahnhof trafen auch Heiligabend Züge mit Flüchtlingen ein, die oft mehrere Tage unterwegs waren, und Hannover war Zwischenstation oder Endpunkt nach einer langen Reise ohne die Hoffnung auf Rückkehr,

nicht immer waren sie willkommen, 

doch auch Soldaten der Wehrmacht aus französischer oder englischer Gefangenschaft waren dabei

es war noch nicht die große Heimkehr, denn viele Soldaten waren noch in den USA und Kanada in den Lagern,

erst 1947/48 kehrten die letzten aus englischer, französischer oder amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurück

1955/1956 hieß es auch endgültig für die letzten Gefangenen in der Sowjetunion

"ihr dürft nach Hause"

und Weihnachten 1945 gingen die Gedanken zu denjenigen, die auch diesmal wieder nicht dabei waren,

an den Mann, Verlobten, Sohn oder Bruder, oder einfach nur, den Menschen, den man so vermisste, von dem man nichts wusste, und endlos lange nicht gesehen hatte,

die Freude der einen, und die Ungewissheit der anderen beherrschte das Weihnachtsfest 1945, in einer Stadt, die wie viele andere ums überleben kämpfte,

und nicht alle Soldaten, die im Krieg auf beiden Seiten kämpften, kamen zurück, nicht alle Zivilisten auf beiden Seiten überlebten den Krieg,

nicht alle Kinder auf beiden Seiten

und nicht jede Liebe

und eine Frau, bei Kriegsende 27 Jahr alt, sagte in Erinnerung an damals,

"uns hat man alles genommen, den Mann, den Verlobten, und unsere Jugend"

nicht alle, die nach Hannover kamen, hatten hier Verwandtschaft oder Freunde,
doch sie hofften, zunächst eine Bleibe auf Zeit zu finden,
in einer Stadt, in der es inzwischen 200.000 Obdachlose gab, war das ein großes Problem,

denn die meisten Wohnungen und Häuser waren zerstört,

Mitarbeiter vom Wohnungsamt gingen durch mehr oder weniger intakte Wohnungen, und beschlagnahmten Zimmer für Flüchtlinge,

versehen mit einer Mahnung der Engländer,
"Bringen Sie Ergebnisse, sonst gehen wir durch Häuser"

aber Wohnraum konnte man nicht herzaubern,

und so fanden viele in Notunterkünften in halbwegs intakten Kellern, Gartenlauben oder Baracken eine bescheidene kalte Bleibe

die britische Armee überlies im Stirlinghouse, ihrem Hauptquartier, den Deutschen einen Saal,
indem zumindest einige zusammen Weihnachten in geheizten Räumen "feiern" konnten,

der Befehl, mit Deutschen nicht zu fraternisieren, da Deutschland kein befreites Land sei, sondern ein besiegter Feind, wurde spätestens jetzt nicht mehr befolgt,

und der englische Oberbefehlshaber wünschte gegenüber dem hannoverschen Bürgermeister den Deutschen eine frohe Weihnacht, und eine Zukunft voller Hoffnung

Sprengel produzierte wieder Schokolade,
im Hauptbahnhof und in den Flüchtlingslagern verteilten Helfer an Kinder „Sprengelhappen“ die eigentlich für die Wehrmacht bestimmt waren,

auch erste Carepakete aus den USA trafen ein,
und wurden zunächst zögerlich aber dann ziemlich schnell ohne Probleme durch das Postamt "auf dem Dorn" an die Menschen in der Region Hannover weiter geleitet,

und wurde so zum wichtigsten Postamt in der Region

wer einen Weihnachtsbaum hatte, konnte ihn zumindest mit Lametta schmücken,

es bestand aus Silberfolie, die von amerikanischen Flugzeugen vor den Bombenangriffen in Massen abgeworfen wurden um die Navigation der deutschen Abwehrjäger zu irritieren, und überall herumlagen

wenn es ging, goss man Kerzen aus Stearinkerzenstummeln, und die Lebensmittel waren rationiert

wer konnte, unternahm Hamsterfahrten, und fuhr mit dem Fahrrad aufs Land,
um Lebensmittel wie Wurst, Fleisch, Kartoffeln, Eier und Speck gegen Schmuck, Porzellan,

aber auch Trauringe bei den Bauern einzutauschen,

Hunger schafft eigene Prioritäten

wer kein Fahrrad hatte konnte inzwischen wieder mit der Eisenbahn fahren, nahm dann allerdings einen mehreren kilometerlangen Fußmarsch hin und zurück in Kauf,

und nicht jeder Bauer freute sich über den Besuch

trotz allem, Weinachten 1945 war geprägt von ein bisschen Weihnachten wie früher, und vom Willen, wieder weiter zu machen,

der Befehl "Nero", nämlich die totale Zerstörung aller Militär-, Verkehrs- Nachrichten-, Industrie- und Versorgungsanlagen unverzüglich durchzuführen, wurde in Hannover genau wie in anderen Städten nicht befolgt,

und obwohl die Stadt in Trümmern lag, Blindgänger herumlagen, kann man zu Weihnachten bereits wieder von einer gewissen Infrastruktur sprechen,

Fabriken wie Sprengel und Bahlsen konnten in bescheidenem Umfang wieder produzieren, wobei Bahlsen, wie schon im Krieg, auch Brot backte

Weihnachten 1945 war die Zeit der Wünsche, der Tränen, den Freudentränen und den anderen, und dem leisen Satz,

"wir haben überlebt, wie auch immer, bitte du auch, und komm wieder", und jeder hoffte, still für sich, das es derjenige hörte, der gemeint war,

es war auch die Zeit eines bescheidenen aber trotzigen Aufbruchs,

und der Hoffnung,

nicht für alle erfüllte sie sich

manchmal sind eben auch Wunschringe überfordert

Gerd Szallies

ich bedanke mich für die freundliche Unterstützung

bei der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung

sowie dem Stadtarchiv Hannover

und

Herrn Simon Benne, Redakteur der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung,

der mir freundlicherweise gestattet hat, ein Satz von ihm zu zitieren,

2015 schrieb Simon Benne in der HAZ-Serie,

"Aufbruch 1945: Als der Frieden nach Hannover kam"

Worte, die ich erst mal verarbeiten musste

und es sollen die Schlussworte sein

"Herbergssuche, das war Weihnachten 1945 für viele Menschen im zerstörten Hannover kein pittoreskes Versatzstück aus dem Lukas-Evangelium,

sondern bittere Realität"

https://www.youtube.com/watch?v=OCtU1TucKDo

Bürgerreporter:in:

Gerd Szallies aus Laatzen

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