Rente – Grundlagen einer allgemeinen Altersversorgung; Teil 3

4. Alterssicherung ohne Kinder?

Brauchen wir eine Versicherung? Menschen gibt es einige Hunderttausend bis zu über einer Million Jahre - je nach Forscheransicht. Und diese Menschen haben sich, wie wir leicht aus den heutigen Bevölkerungsproblemen ableiten können, in dieser Zeit, wenn auch mit Schwankungen recht gut vermehrt. In der längsten Zeit ihrer Existenz lebten die Menschen ohne eine Versicherung, ja sie kannten nicht einmal diesen Begriff. Der Mensch ist ein sozial lebendes Tier. Die Menschen lebten in kleinen Gemeinschaften, die Sicherheit des einzelnen Individuums ergab sich aus der Zugehörigkeit zu der Familie, der Sippe, der Gruppe, wie immer man diese Überfamilie nennen will. Und in dieser Gemeinschaft lebten Menschen mehrerer Generationen zusammen. Im heutigen Sprachgebrauch also Kinder, Erwerbstätige und Rentner. Nein Rentner gab es ganz sicher nicht, aber sehr wohl alte Menschen - und wieder in unserem Sprachgebrauch - mit verminderter Erwerbsfähigkeit. Das, was wir heute so modern den „Generationenvertrag“ nennen, war auch ohne dieses Schlagwort selbstverständlich: Jeder unterstützte den Verband nach seinen Kräften und wurde im Gegenzug von der Gemeinschaft unterstützt. Wir dürfen wohl annehmen, dass die Menschen auch vor Jahrtausenden, ja vor Jahrzehntausenden, sehr wohl wussten, dass sie älter werden und dass sie dann auf die Hilfe und Unterstützung der jüngeren, der Nachfolgegeneration angewiesen sein werden. Es ist aber wohl zweifelhaft, dass sie aus dieser Überlegung wissentlich für Nachwuchs gesorgt haben, unzweifelhaft aber ist, dass sie Nachwuchs hatten.
Erst wenn diese Klein-Gemeinschaft - egal aus welchem Grund - sich auflöst, entstehen Versicherungsgründe: Die Sicherheit, die der Einzelne bisher in der Klein-Gemeinschaft gefunden hatte, sucht er nun über die Versicherung in der Versichertengemeinschaft, vertreten durch den Versicherer bzw. den Träger der Versicherung.
Da wir nun einmal nicht zurück zur Überfamilie der Vorzeit gehen wollen, den Weg sogar umgekehrt immer weiter in Richtung auf den Einzelgänger, Single genannt, gehen, brauchen wir die Sicherheit der neuen Überfamilie, der Versichertengemeinschaft, des Staates. Wer allerdings glaubt, nun der Notwendigkeit für Nachwuchs zu sorgen entronnen zu sein, der irrt, wie das folgende kleine Gedankenmodell zeigt.
In diesem Modell teilen wir die Bevölkerung unseres Landes in 5 Altersgruppen auf:
Gruppe A: die 0 - 19-Jährigen
Gruppe B: die 20 - 39-Jährigen
Gruppe C: die 40 - 59-Jährigen
Gruppe D: die 60 - 79-Jährigen
Gruppe E: die 80 Jahre alten und älteren.
Wir stellen uns dann vor, dass genau die von Ihnen, geehrter Leser, bevorzugte und für richtig gehaltene Finanzierungsart der Altersversorgung eingeführt sei und auch von der ganzen Bevölkerung als die einzig richtige begeistert begrüßt wird.
Für unser Modell wollen wir dann weiter annehmen, dass das Parlament einstimmig und unter nicht endendem Beifall der Bevölkerung beschließt:
Die Grenzen werden ab sofort für jeden Ein- und Ausreiseverkehr geschlossen (im Modell heißt das ein geschlossenes System),
Es werden keine Kinder mehr geboren.
Betrachten wir jetzt die Entwicklung unseres Modells:
Am Tage dieses trefflichen Beschlusses (Modelljahr: 0): Es gibt keine erkennbaren Änderungen gegenüber den Zuständen tags zuvor. Alles funktioniert wie bisher.
20 Jahre später (Modelljahr: 20). Die Bevölkerungsgruppe E (die ehedem 80 Jahre alten und älteren) sind alle, die Angehörigen der Bevölkerungsgruppe D (der ehedem 60 bis 79-Jährigen) zum größten Teil gestorben. Die anderen Bevölkerungsgruppen sind entsprechend alle um 20 Jahre gealtert. Kindergärten, und Schulen sind abgeschafft, da es keine Kinder mehr gibt. Produzenten von Kinderkleidung und Babynahrung haben sich auf andere Produktionen umgestellt. Da für die Folgegeneration keine Kosten entstehen, lebt die Modellbevölkerung recht gut.
Weitere 20 Jahre später (Modelljahr: 40). Inzwischen sind auch die letzten der Bevölkerungsgruppe D und die Mehrzahl der Bevölkerungsgruppe C gestorben. Die jüngsten Bürger der Modellgesellschaft sind 40 Jahre alt. Die Universitäten haben mangels Studenten ihren Lehrbetrieb eingestellt, die verbleibenden Professoren klammern sich an ihre Stellen. Die Wirtschaft hat sich auf die neuen Verhältnisse eingestellt. Umlagefinanzierte Altersversorgungssysteme kranken am Mangel an Beitragszahlern. Systeme nach dem Kapitaldeckungsverfahren scheinen sich zu bewähren. Bevölkerungsprognostiker stellen fest, dass die Modellbevölkerung unrettbar dem Untergang geweiht ist, da sie nicht mehr reproduktionsfähig ist.
Abermals 20 Jahre weiter (Modelljahr: 60). Die letzten der Bevölkerungsgruppe C und die meisten der Bevölkerungsgruppe B sind gestorben, die Jüngsten Bürger der Modellgesellschaft sind 60 Jahre alt. Die Wirtschaft ist leicht dahingestorben, die Versorgung beginnt zusammenzubrechen. Umlagefinanzierte Altersversorgungssysteme sind bereits zusammengebrochen, die Systeme nach dem Kapitaldeckungsverfahren feiern ihren Sieg. Allerdings können die Bezieher von Renten immer seltener noch jemand finden, der ihnen für ihre monetären Rentenbezüge auch reale Dinge verkauft: Es gibt einfach kaum noch Menschen, die arbeiten und Güter erzeugen und verteilen können.
20 Jahre später (Modelljahr: 80). Da die letzten bisher Überlebenden nicht mehr in der Lage sind, sich zu versorgen, sterben sie schnell dahin.
Oh, werden Sie sagen, es wäre alles gut gegangen, wenn wir nur die Einwanderung zugelassen hätten. Bitte sehr, wir starten unser Modell noch einmal mit der einzigen Änderung, dass wir die Grenzen für Einwanderungen offen halten, selbstverständlich lassen wir nur junge und arbeitsfähige Menschen herein, die Einwanderer kommen also stets im Alter zwischen 20 und 39 Jahren.
Wir starten unser Modell neu:
Modelljahr 0. Keine Änderung gegenüber unserer ersten Variante.
Modelljahr 20. Keine Änderung gegenüber unserer ersten Variante.
Modelljahr 40. Die Universitäten haben wieder Studenten, die umlagefinanzierten Altersversorgungssysteme haben keinen Mangel an Beitragszahlern. Die Eingewanderten protestieren allerdings gegen das Kinderverbot, es entspricht schließlich nicht ihren überkommenen Sitten und Gebräuchen. Die ersten Einwanderer erkennen, dass sie als Beitragszahler ausgenutzt werden sollen, es beginnt ein leichtes Murren.
Modelljahr 60. Die Einwanderer haben die gesamte Wirtschaft und Verwaltung übernommen. Sie schaffen das Kinderverbotsgesetz ab, und sperren der alten Ursprungsbevölkerung jede weitere Unterstützung, die daraufhin laut klagend und bei den UN die Menschenrechte einfordernd glücklicherweise an ihrer eigenen Dummheit und Unfähigkeit schnell ausstirbt.
Und die Moral: Selbst wenn die Einwanderer den Zusammenbruch der umlagefinanzierten Altersversorgungssysteme und der Wirtschaft verhindern, so denken sie doch gar nicht daran, sich als Arbeitsknechte und Beitragszahler ausbeuten zu lassen.
Das einfache Modell zeigt deutlich:
Ohne die Reproduktion, ohne eigene Kinder, funktioniert keine Altersversorgung, gleichgültig, nach welchem System sie auch finanziert werden soll.
Einwanderung kann eigene Kinder nicht ersetzen.
Der Einwand, dass eine derartige sterbende Gesellschaft ja unrealistisch sei, steht aber nicht. Denn das, was hier für die Bedingung „keine Kinder“, vorgeführt wurde, gilt natürlich auch, wenn auch etwas abgeschwächt, für die Bedingung „zu wenig Kinder“, und diese Bedingung ist, wie sich langsam herumgesprochen hat, seit mehr als einem viertel Jahrhundert Realität.
Aus diesem Modell lernen wir, wie auch immer wir unsere Versicherung konstruieren, sie darf auf keinen Fall den (Neben-)Effekt haben, dass es Vorteile bietet, keine oder zu wenig Kinder zu haben, denn dann wird das System sich selbst auslöschen.
Zusammenfassung:
Es gibt keine Altersversorgung ohne eine hinreichende Zahl eigener Kinder. Bei der für uns geltenden Sterbetafel sind dies rund 2,1 Kinder je Frau. Liegt die Kinderzahl darunter, so haben wir eine schrumpfende Bevölkerung mit den sich daraus ergebenden langfristig wirkenden Problemen für die Altersversorgung.

01.10.2012
Hermann Müller
Bentieröder Bruch 8
OT Bentierode
D-37547 Kreiensen

Hinweis: Tabellen sowie Hoch- und Tiefstellungen sind in dieser Seite nicht (korrekt) darstellbar.
Unter Verwendung des Buches von Hermann Müller: „Rente – Grundlagen einer allgemeinen Altersversorgung“. Das Manuskript ist bei www.querkopp-mue.de abrufbar.

Bürgerreporter:in:

Hermann Müller aus Einbeck

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