Kindheitslexikon: Landwirtschaft/Kleintierhaltung/Kleingärten

Eine handgezeichnete Karte über das Verbreitungsgebiet der Genossenschaft.
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1. Historische kleinbäuerliche Landwirtschaft in Kölleda

Nicht nur die Dörfer, sondern auch die Kleinstädte in meiner Gegend waren sehr stark geprägt von privaten landwirtschaftlichen Aktivitäten. Sprich das Betreiben von Schrebergärten, in seltenen Fällen auch das Bebauen eines kleinen Stück Ackerlandes, oder die Kleintierzucht. Auch Kölleda konnte man durchaus als eine Ackerbürgerstadt bezeichnen.
So lautete im ganzen Landstrich eine sehr verbreitete Frage, wenn man jemanden neu kennen lernte: "Habt ihr Viehzeug?"

Ein in unserer Gegend sehr verbreitetes Sprichwort aus dem Bereich Gartenbau/Landwirtschaft: "Der Weinberg will seinen Herrn einmal am Tag sehen." Was eben zum Ausdruck bringen sollte, dass es zuerst intensiver Mühen und Pflege bedarf, wenn man etwas ernten möchte. Eine Einstellung, die mir heute manchmal etwas in Vergessenheit geraten zu sein scheint.

Es gab unter den Bauern der Gegend schon lange vor Einführung der heutigen Tierschutzgesetzgebung ein diesbezüglich stark ausgeprägtes Bewusstsein. Wie mir Zeitzeugen berichteten, wurde es sehr schnell zum Stadtgespräch, wenn ein Bauer seine Pferde zu sehr hetzte; dies wirkte sich sehr auf dessen soziales Ansehen aus.

Einige Bräuche ums Schlachten.

Schlenkerwürstchen: Kleine, höchstens bockwurstgroße Blutwürstchen, die nur bei Hausschlachtungen für Freunde und gute Bekannte hergestellt wurden.
Sie waren in dem kleinen, schmalen Darm etwas krumm – eben "verschlenkert". Besonders dünne Würstchen wurden manchmal sogar zu einem "Ring" gebunden.
Man schenkte den Freunden, die beim "Schlachtefest" halfen, oder guten Bekannten dann stets einen Topf oder eine Haushaltsmilchkanne voll kräftiger "Wurstsuppe" aus dem Kessel, in dem alle sogenannten "Kochwürste" gekocht wurden, auch die kleinen "Schlenkerwürstchen". In diesen Topf/diese Kanne bekam dann jeder Beschenkte eine kleine "Schlenkerwurst" als "Gag".
Dazu schenkte der Hausherr noch einen Teller oder eine Porzellanschüssel voll Kostproben von allen hergestellten Wurstsorten sowie vom frischen "Gehackten" (Hackfleisch, Mett, Faschiertes.). Dies alles zusammen hieß "Schlachteschüssel" und war bei allen SEHR beliebt!!!
Auch unsere Nachbarn südlich von uns, die Familie Walter, schlachtete jedes Jahr im Spätherbst. Sie waren beide in der Landwirtschaft beschäftigt und hielten sich auch zuhause ein paar Schweine, die dann im Herbst "dran glauben" mussten.
Wir erhielten jedes Mal eine "Schlachteschüssel" rübergebracht. Mit verschiedensten Wursterzeugnissen von den Schweinen, die am Morgen desselben Tages noch gequiekt hatten. Es war dies eine Gegenleistung dafür, dass wir das ganze Jahr über Essenreste für die Tiere hinübergegeben hatten. Der Inhalt dieser Schüssel lässt sich eigentlich nur mit einem einzigen Wort umschreiben: legendär!

Etwas, das ebenfalls zum Thema Schlachten passt, das ich jedoch nur aus Erzählungen meiner Familie kenne, da es vor meiner Zeit geschah: Und zwar gab es den Brauch des Wurstsingens. Wurde in der Schlachtezeit gemacht, wenn jemand im Bekanntenkreis oder in der Verwandtschaft schlachtete. Dann stellte sich nach Absprache eine kleine Gruppe von Verwandten oder Freunden zusammen. Und die ging dann, wenn der Schlachtprozess fast vollendet war, mit reichlich Bier, eventuell auch Brot, hin. Dann stand sie vor der Tür und sang irgendein Ständchen. Dafür wurde sie von der schlachtenden Familie zum Essen eingeladen, die natürlich vorher schon ganz genau wusste, wer da kam. Später, als der Brauch schon nachgelassen hatte, hielt sich trotzdem noch die Floskel "Da gehen wir hin zum Wurstsingen" im Alltagssprachgebrauch.

Während des Schlachtens war unter den ausführenden Fleischern folgender Jux-Spruch üblich:
"Kümmel an die Wurscht,
saure Gurken für'n Durscht."

Noch ein Vers zu diesem Thema:
"Wenn das Schwein an der Leiter hängt,
wird erst einmal eingeschenkt."

Eine überlieferte Anekdote aus unserer Gegend: Ein Bauer hatte Schlachtfest.
Am Abend genossen alle Beteiligten und Helfer gemeinsam die frischen Wurstsorten und lobten sie. Dazu kräftige Schnäpse!
Nur über die etwas sparsam zusammengesetzte Blutwurst (Rotwurst) ohne Fleischstückchen, stattdessen mit Brot, rissen sie Witze.
Der Bauer postierte sich auf und verkündete lachend selbstironisch:
"Meine Wurscht is gut!! Wo keene Spicken sinn, is Blut!!"
(Spicken: Kleine weiße Speckwürfel, das Billigste! Und Schweineblut, mit Brot vermengt, ist das Allerbilligste!)

Eine historische landwirtschaftliche Tradition, die auch in Kölleda einstmals eine bedeutende Rolle spielte, war das Federnschleißen.
Alljährlich Ende Oktober/Anfang November wurden Gänse geschlachtet. Und gerupft.
Die Federn wurden sortiert, die Flügel nahm man als so genannten Flederwisch. Auf Wunsch bekam man ihn vom Bauern geschenkt. Er wurde getrocknet, man benutzte ihn zum Teil als Handfeger; aber meistens um am Morgen im Küchenherd in der Feuerluke die Asche durch das Gitter zu kehren. Wurde daher zumeist im Kohlenkasten unter dem Herd deponiert.
Alle anderen Federn wurden in große Säcke gestopft. Von dieser Art Feder mussten vom Federkiel (der "Stiel") beidseitig die feinen Federchen, die an einem dünnen Faden wuchsen, abgezogen werden; vom dicken Ende bis zur feinen Spitze hin. Dieser Vorgang nannte sich Federschließen/Federschleißen. Da bei einem Bauern nach dem Gänseschlachten etliche Säcke Federn anfielen, half die ganze Bauernfamilie an einem großen Tisch bei der Arbeit mit und bat auch Verwandte und Freunde um Unterstützung. Nichts für Allergiker, da die feinen Federn die Luft des Raumes ausfüllten. Andererseits wurde eine solche Arbeit stets als geselliges Beisammensein, als traditioneller Fixpunkt im Jahreskreis genutzt. Es wurde viel erzählt und gesungen, hinterher gab es traditionelles bäuerliches Essen. Bei Interesse bekamen die Bekannten oder Verwandten einen Teil der feinen Federn für Kissen geschenkt.

2. Mit dem Bereich Landwirtschaft befasste Unternehmen, die vor meiner Zeit in der Stadt existierten

Geschäft: Carl Axthelm.
Gegründet 1873.
Führte laut historischer Eigenwerbung:

  • Holz, Kohlen, Koks.
  • Futter- und Düngemittel.
  • Landesprodukte.
  • Bahnamtliche Spedition.
  • Möbeltransport.

Zweiggeschäft in Weißensee.
Spätere Nutzung/Nachbesitzer: Unbekannt.
Lage: Johannistor 2/Bahnhofstraße 16.

Geschäft: Drogenhandlung Freytag.
Verarbeitete vor allem Tabak. Auch Kleinstlieferanten konnten ihren im Garten angebauten und zu Hause auf dem Dachboden selbst getrockneten Tabak zum Fermentieren und Schneiden gegen geringe Bezahlung bringen – so wie wir auch. Wir hatten im Garten der Familie Lehmann ein großes Beet mit Tabak bepflanzt und ernteten die Blätter nacheinander. Sie wurden der Größe nach von unten nach oben von den starken Stielen der Tabakpflanzen abgeerntet und zuhause sofort auf einen stabilen, langen Draht aufgefädelt und dann auf dem Dachboden zum langsamen Trocknen aufgehängt. Die frischen Blätter klebten fürchterlich!
Spätere Nutzung/Nachbesitzer: Unbekannt.
Lage: Roßplatz/Ecke Prof.-Hofmann-Straße.

Geschäft: Drogenhandlung Henseler.
Heilkräuter aller Art, vermutlich ungefähr bis Kriegsmitte, nach dem Krieg Verarbeitung und Handel nur noch in Kleinstausführung.
Spätere Nutzung/Nachbesitzer: Hinter dem Wohnhaus war gleich ein großer Trakt für diesen Bereich angebaut. Nach dem Krieg baute man die obere Etage der großen Trockenböden zu einer geräumigen Mehrzimmer-Wohnung aus zum Vermieten. Dort wohnte einige Jahre meine Tante Hildegard, Tochter meiner Großtante Lisa, mit ihrem Mann Artur Schneider und ihren Kindern Axel und Monika.
Später unterhielt der Tischlermeister Dittmar, auch wir haben bei ihm unter anderem Regale und größere Bilderrahmen für Ölgemälde anfertigen lassen, die untere Kräuterhalle als Werkstatt. Er hatte das ganze Haus gekauft.
Lage: Roßplatz 14.

Geschäft: Fr. Ziska.
Inhaber zu Beginn der 1930-er Jahre: Carl Hartung & Alfred Ziska.
Gegründet 1876.
Führte laut historischer Eigenwerbung:

  • Getreide, Dünge- und Futtermittel aller Art.
  • Heu und Stroh.
  • Holz und Kohlen.
  • Med. Vegetabilien.
  • Wildhandlung.
  • Häckselwerk.

Spätere Nutzung/Nachbesitzer: Unbekannt.
Lage: Unbekannt.

3. Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) zu DDR-Zeiten

In den Fünfziger Jahre wurde durch die staatliche Propaganda in der ganzen DDR die Behauptung verbreitet, amerikanische Flieger würden über den Feldern der DDR massenhaft Kartoffelkäfer abwerfen, um so massive Ernteschäden zu verursachen. Allerspätestens nach der Wiedervereinigung 1990 wurde die Geschichte als Mythos enttarnt.

Auf dem XI. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) definierte Aufgabe der Landwirtschaft: "(…) stetige Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigen Nahrungsmitteln und der Industrie mit Agrarrohstoffen (…)".

Täglicher Nahrungsmittelbedarf der DDR-Bevölkerung (Angaben in Stück):
- 4.100 Kühe.
- 30.000 Schweine.
- 260.000 Geflügel.
- 12.000.000 Eier.

Nun zur damaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) in Kölleda:
- Seinerzeitiger Firmenname: "LPG 'Neuer Weg' Kölleda".
- Letzter Vorsitzender der LPG Kölleda zu DDR-Zeiten: Herr Deutscher.
- Tierbestand (Angaben in Stück):
+ 4.410 Rinder.
+ Davon 1.500 Kühe.
+ 2.280 Schweine.
+ 2.450 Schafe.
- Maschinen- und Gerätebestand (Angaben in Stück):
+ 100 Traktoren (ZT 300, K 700, MTS 50).
+ 15 Mähdrescher.
+ 7 Häcksler.
+ 7 KC 6.
- Letzter Vorsitzender der LPG Pflanzenproduktion zu DDR-Zeiten: Herr Köhler aus Kleinneuhausen.
- Etwa 5.000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche.
- Anbauprodukte (Angaben in Hektar):
+ 2.500 ha Getreide.
+ 400 ha Kartoffeln.
+ 500 ha Zuckerrüben.
+ 100 ha Mais.
+ 400 ha Luzerne.
+ 250 ha Heil- und Gewürzpflanzen.
+ 100 ha Rotklee.
- "Sponsorbetrieb" (Nannte man damals noch anders.) der Friedrich-Ludwig-Jahn-Schule Kölleda.
- Mit Jahresbeginn 1991 mussten alle LPG's auf dem Gebiet der ehemaligen DDR in eine andere Rechtsform umgewandelt sein.

Sämtliche Angaben bis dahin entsprechen dem Stand des Jahres 1988 und stammen aus Unterrichtsmitschriften aus dem Fach "Einführung in die Sozialistische Produktion (ESP) – eine Art Industriekundeunterricht.

Über Entwicklungen in der LPG Kölleda während der Zeit des "Neuen Ökonomischen System der Planung und Leitung" (NÖSPL), einer kurzen wirtschaftspolitischen Tauwetterperiode gegen Ende der Amtszeit von Staats- und Parteiführer Walter Ulbricht, fand ich in einem britischen Geschichtsbuch folgende Passage:

"The wishes of the members of LPGs rather than the directives of the district state authorities were seen now in some quarters as the central consideration in a LPG chairman's decisions. In Kreis Sömmerda, it was reported that in a number of LPGs, the attitude of the members was that the cooperation in crop production should be broken up an LPGs should be allowed to be independent again. In a letter sent by the chairman and party secretary of the LPG 'Neuer Weg' Kölleda to the chairman of their cooperative community, they explained the decision of the LPG's board to withdraw from cooperative crop production. The letter concluded with the chairman and party secretary expressing their regret at this decision having been reached. They pointed out however that even they could not get around the words: 'the farmers decide'."

Original-Quellenangabe in der Buch-Fußnote:
65. ThHStAW Bezirksparteiarchiv der SED Erfurt, Kreisparteileitung der SED Sömmerda IV/B/4.10/200 SED Kreisleitung Sömmerda, Abt. Landwirtschaft, Probleme der Kooperation-Politbüro Beschluss vom 25.7.1969, pp. 150-59; Informationen über Beratung der Produktionsleitung am 14.8.1969, pp. 160-62; LPG 'Neuer Weg' Kölleda an den Vorsitzenden der KOG Kölleda, 28.8.1969, p. 163.

Quelle gesamtes Zitat: Mary Fulbrook: "Power and Society in the GDR 1961-1979. The 'Normalisation of Rule'?" Berghahn Books, Oxford, New York, April 2009.

Zitiert nach: http://books.google.at/books?id=_Wl7AZ9oCuwC&pg=PA98&lpg=PA98&dq=%22landwirtschaftliche+produktionsgenossenschaft+Neuer+Weg+K%C3%B6lleda%22&source=bl&ots=l6oZpdO4MV&sig=O3p65G31OTtPOHo0El84QofgsZc&hl=en&sa=X&ei=JeRuUfmxOKOL7Aa39oCQCQ&ved=0CDMQ6AEwAA#v=onepage&q=%22landwirtschaftliche%20produktionsgenossenschaft%20Neuer%20Weg%20K%C3%B6lleda%22&f=false. Abruf vom 17. April 2013.)

Ich versuche mal, es zu übersetzen:

"Die Wünsche der Mitglieder der LPG anstatt der Richtlinien der staatlichen Bezirksbehörden wurden nun in einigen Kreisen als zentrale Betrachtungen in den Entscheidungen der LPG-Vorsitzenden gesehen. Aus dem Kreis Sömmerda wurde berichtet, dass in einer Reihe von LPG die Haltung der Mitglieder die war, dass die Zusammenarbeit in der Pflanzenproduktion bis auf Weiteres aufgehoben werden sollte, bis es den LPG erlaubt sei, wieder unabhängig zu werden. In einem Brief vom Vorsitzenden und Parteisekretär der LPG 'Neuer Weg' Kölleda an den Vorsitzenden ihrer cooperative community (Anm. Christoph Altrogge: Hier könnte vom Autor eventuell die Kooperationsgemeinschaft {KOG} gemeint sein, eine horizontal organisierte Zusammenarbeit von Betrieben in der Landwirtschaft.) gerichtet, wird die Entscheidung des LPG-Vorstandes erklärt, aus der cooperative crop production (Anm. Christoph Altrogge: Hier wiederum könnte die Kooperative Abteilung Pflanzenproduktion {KAP} gemeint sein.) auszutreten. Der Brief schloss damit, dass Vorsitzender und Parteisekretär ihr Bedauern über diese Entscheidung ausdrücken, die sie erreicht hat. Sie wiesen jedoch darauf hin, dass auch sie nicht darum herumkommen könnten, zu sagen: 'die Bauern entscheiden'."

Nach der Wende wurde auf dem Gelände der ehemaligen KAP auf der Ostseite der Weimarischen Straße ein kleines Einkaufszentrum eröffnet.

LPG-Bauern besaßen in vielen Fällen privat noch ein kleines Stück Acker, welches sie nach Feierabend und am Wochenende bewirtschafteten. Dieses war per Gesetz auf maximal einen halben Hektar beschränkt.

Wenn man heute irgendwo im Freien auf ein Schild mit der Abkürzung LPG stößt, so heißt das in der Regel "Liquified Petroleum Gas", zu deutsch "Flüssiggas" und weißt auf eine Tankstelle in der Nähe hin, an der dieser Kraftstoff verfügbar ist. Es handelt sich dabei um eine Mixtur aus Propan und Butan im Verhältnis ungefähr 50:50.

4. Der Landwirtschaft nahestehende Betriebe zu DDR-Zeiten

ACZ: Kurzform für "Agro-Chemisches Zentrum". Bis zur Wende 1989 existierende staatliche Großhandelskette mit Filialen im ganzen Land, deren Aufgabe darin bestand, die landwirtschaftlichen Kollektivbetriebe mit chemischen Produkten aller Art zu versorgen. Der äußerst sorglose Großeinsatz der DDR-Landwirtschaft mit chemischem Dünger und Spritzmitteln hatte verheerende Folgen für die Umwelt und die Gesundheit der Bevölkerung.

Agrarflug: Betrieb der staatlichen DDR-Fluglinie INTERFLUG. War auf zehn Bezirksstaffeln aufgeteilt. Im Einsatz waren unter anderen Maschinen der Typen Z 37 (ČSSR), PZL M 18 A und PZL 106 A (Polen – ab 1979 schrittweise als Nachfolgemodell der tschechoslowakischen Z-37 Čmelák, zu Deutsch: Hummel, eingeführt.) sowie der Hubschrauber Ka 26 (UdSSR). Zu den Aufgaben gehörten vor allem
Stickstoffdüngung;
Krautfäulebekämpfung bei Kartoffeln;
Schädlingsbekämpfung bei Raps, Kartoffeln und im Obstanbau;
Waldbrandbekämpfung und Waldbrandüberwachung.
Als ich Kind war, so um 1981/82 wird es wohl gewesen sein, verlor ein Flieger der Linie beim Anflug über unserem Garten einen Teil seiner Fracht, irgendwelchen Dünger. Ich bekam leichten Ausschlag davon.
1989 setzte das Fernsehen der DDR mit der siebenteiligen Fernsehserie "Flugstaffel Meinecke" dem Unternehmen ein filmisches Denkmal. Zahlreiche Prominente des DDR-Fernsehens waren daran beteiligt, wie etwa Jürgen Zartmann, Günter Schubert, Gert-Hartmut Schreier, Jens-Uwe Bogadtke, Madeleine Lierck, Jürgen Mai, Joachim Zschocke, Klaus Hecke (Der lange Blonde von den drei "Obskuranern" aus "Spuk von draußen".), Anne Kasprik, Jörg Panknin, Christel Peters, Edgar Külow, Andreas Schmidt-Schaller, Heinz Behrens, Bruno Carstens, Angelika Perdelwitz, Marijam Agischewa, Dietmar Huhn (Horst "Hotte" Herzberger von "Alarm für Cobra 11".), Solveig Müller, Jörg Pose, Jörg Kleinau, Karl Kranzkowski, Peter Prager, Ernst-Georg Schwill, Karin Ugowski.
Teile dieses Betriebes wurden im wiedervereinigten Deutschland als private Luftservice-Unternehmen tätig.

BHG: Kurzform für "Bäuerliche Handelsgenossenschaft". Landwirtschaftliche Universalgenossenschaft in der DDR und zugleich Kredit- und Warengenossenschaft. Ganz primitiv und vereinfacht ausgedrückt das Raiffeisen-Center der DDR.
Die Kölledaer Filiale war in der Adresse Am Brückentor 11 untergebracht. Das Geschäft führte ein umfangreiches Sortiment an Baumarktwaren. Wir entdeckten dort oft praktische Dinge für Haushalt und Garten.
Im Hof hinter dem Laden wurden "die größeren Sachen" verkauft.

Drogenaufkaufsstelle: So nannten sich die staatlichen Heilkräuteraufkaufsstellen in der DDR, die es in jeder Stadt ab einer gewissen Größe gab. Die in unserer Stadt befand sich in der Erfurter Straße, Südseite, Höhe Entenplan.
Entgegengenommen wurde praktisch alles, was je nach Saison in der freien Natur vor den Toren der Stadt wuchs. Sie zahlten dafür sehr gut.
Ich erntete vor allem im Herbst reife Hagebutten von den Sträuchern an den Feldrändern – so wie zahlreiche andere Jugendliche auch. Vom Pflücktechnischen und vom Gewicht her war das natürlich "easy money", wie man es auf Neudeutsch formulieren würde. Ein Mitschüler von mir hatte mal ein Wochenende über seine ganze Familie zum Mitpflücken "verdonnert" und dafür den Erlös von 600 DDR-Mark eingestrichen. Zum Vergleich: Das war das Einstiegsgehalt eines Junglehrers.

Kooperative Abteilungen Pflanzenproduktion (KAP): Fassten die Feldwirtschaft mehrerer Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften (LPG) beziehungsweise Volkseigener Güter (VEG) in der DDR zusammen.
Die Zusammenarbeit in den landwirtschaftlichen Produktionsgemeinschaften der DDR gipfelte schließlich darin, dass die Feldwirtschaftsbereiche aus den Agrarbetrieben herausgelöst wurden und sich Kooperative Abteilungen Pflanzenproduktion bildeten. Dieser Prozess begann Ende der 1960-er Jahre und fand seinen Schlusspunkt Ende der 1970-er Jahre.
Den LPG blieb nur die Tierproduktion und in einigen Fällen auch die Bewirtschaftung des Grünlandes. Die KAP waren fast ausschließlich auf die Pflanzenproduktion spezialisiert, selten betrieben sie auch Schafhaltung.
Unsere KAP lag auf der Ostseite der Weimarischen Straße, ungefähr ein Kilometer vor dem Stadtrand.
Unsere Nachbarn, Walters, arbeiteten beide dort.
Es war, wenn ich mich recht erinnere, Anfang September 1983, als unsere Klasse im Rahmen eines Gruppennachmittages eine Exkursion dorthin unternahm und wir uns den Betrieb ansahen.
Nach der Wiedervereinigung etablierten sich dort auf dem Gelände mehrere Geschäfte im Lebensmittel- und Einzelhandelsbereich.
Einer dieser Nachfolgebetriebe ist die "Thüringer Landfleischerei GmbH Kölleda", über deren Webshop wir uns seit der flächendeckenden Einführung des Internets regionale Spezialitäten nach Wien schicken lassen.

Ein weiteres landesweites landwirtschaftliches Dienstleistungsunternehmen zu DDR-Zeiten war die Melioration. Aufgaben bestanden etwa in der Be- oder Entwässerung, Drainierung, Eindeichung von Überschwemmungsgebieten und der Urbarmachung von Ödland.
Bei Wahlen jeglicher Art war die Verwaltung der Kölledaer Melioration das Wahllokal für unseren Wohnbezirk.
Als ich noch Kind war, bin ich oft am Eingang des Geländes stehengeblieben, da mich die vielfältigen Fahrzeuge und Baumaschinen dahinter faszinierten.
Ebenfalls eine Kindheitserinnerung: Als ich noch ziemlich klein war, sah ich am Eingangstor oft einen auf zwei Krücken gestützten, einbeinigen Mitarbeiter der Firma stehen.
Nach der Wende wurde aus dem Betrieb eine auf dem freien Markt tätige Hoch- und Tiefbau GmbH.
Banalität am Rande: Wenn ich mich richtig erinnere, befanden sich in der langen Betriebsgeländemauer, die sich dem Bahnhofstraßeneingang nördlich Richtung Stadtinneres anschloss, eine ganz einfache Tür und ein Schaukasten. Sei nur der Vollständigkeit halber mit erwähnt.
Lage: Der Haupteingang war, wenn ich mich richtig erinnere, der Eingang in der Bahnhofstraße Westseite, genau auf der Höhe Abzweigung Schillerstraße. Daneben gab es noch einen Eingang in der August-Feine-Straße, direkt neben dem Kindergarten. Zwischen diesen beiden Eingängen jedenfalls erstreckte sich das Betriebsareal.

Nutrias: Ab Mitte der Achtziger Jahre schossen in der ganzen DDR private Nutriafarmen wie Pilze aus dem Boden. Grund war, dass der Staat zu dieser Zeit sehr lukrative Abnehmerpreise zahlte. Begehrt waren das Fleisch und das Fell. Wenn man sich bei der Aufzucht nicht vollkommen ungeschickt anstellte, war das leicht verdientes Geld.

Pilzberatung: Die staatliche Pilzberatung, wo man seine geernteten Pilze auf Ungefährlichkeit begutachten lassen konnte, machte viele Jahre Frau Eichbaum aus der Nummer 18 in unserer Straße. War bekannt für ihr dreirädriges, überdachtes Motorfahrrad, da sie schwer gehbehindert war.
Später dann Herr Rolf Seidel, ehemaliger Mathematiklehrer an der Jahn-Schule und darüber hinaus sozusagen die Graue Eminenz der Philatelisten in der Stadt.
Eine solche Beratung mitzumachen war zwar nicht vorgeschrieben, aber intelligenter war es schon. Und auch versicherungsrechtliche Konsequenzen waren wohl nicht ausgeschlossen, wenn man nicht hinging und dann etwas passierte.

VEAB: Kurzform für "Volkseigener Erfassungs- und Aufkaufsbetrieb". Bis zur Wende 1989 existierende staatliche Großhandelskette mit Filialen im ganzen Land, welche als Zwischenhändler für den Vertrieb der Erzeugnisse aus den landwirtschaftlichen Kollektivbetrieben an den staatlichen Lebensmittelgroßhandel fungierte.

5. Kaninchen

Unter den vielen Schlacht-Kaninchen, die wir in der Nachkriegszeit hielten, gab es auch zwei weiße Angora-Kaninchen mit sehr langem, feinem, dichtem Fell.
Dieses Fell musste zweimal im Jahr geschoren werden, was wir nicht konnten. Dazu kam alljährlich eine Frau aus Beichlingen zu uns und zu allen anderen Angora-Kaninchen-Besitzern. (Fast wie die Schafscherer bei den "Dornenvögeln" auf "Drogheda", nur "Bound For Botany Bay" hat dabei niemand gesungen ...) und scherte fachgerecht. Die Kaninchen sahen hinterher eine ganze Weile aus wie zu groß geratene nackte, weiß-rosa Mäuse!
Diese Wolle wurde gesammelt und gut aufbewahrt.
Im Spätherbst gab es einen Termin im Saal der Kölledaer Gaststätte "Zur guten Quelle" (Roßplatz). Irgendeine Wollefirma kaufte den Leuten die Rohwolle ab und bot gleichzeitig auf anderen Tischen fertig (maschinell) gesponnene Angorawolle in den verschiedensten Farben und in ausgezeichneter Qualität zum Kauf an. Ich kann mich an einen knallroten, kuschel-weichen Pullover erinnern, den meine Großmutter für meine Mutter (natürlich reichlich) gestrickt hatte und den sie später sogar noch im Studium in Leipzig trug – da allerdings schon "ein bisschen" abgewetzt. Großmutter selbst strickte sich unter anderem einen dunkelblauen Pullover, den sie nur sonntags und bis an ihr Lebensende trug.
Das war eben DDR-Qualität!

Später zog dann Herr Fritz Schäfer aus unserer Straße für ein geringes Honorar den Kaninchenhaltern in unserer Gegend die Felle ihrer schlachtreifen Tiere ab, da das wirklich Können und Fingerspitzengefühl erforderte. Die Felle wurden nur kurz abgerieben und dann so frisch wie möglich zum Zwischenhändler geschafft.
Die Rohfelle von Kaninchen, daneben auch Ziegenfelle, übernahm der Nachbar von Zahnarzt Bartholomäus in der Straße Weimarisches Tor. Er lieferte sie dann an irgendeine Firma weiter, da Kölleda über keine eigene Gerberei mehr verfügte.

Geschichte des Kaninchenzuchtvereines Kölleda:
Am 5. März 1896 stellte der Lokführer Carl Kühne beim Bürgermeister der Stadt Cölleda, Kreis Eckartsberga, den Antrag betreffs Gründung eines Kaninchenzuchtvereines.
Bereits am 23. August 1896 veranstaltete der Cölledaer Verein seine erste Ausstellung in der "Gaststätte Polke".
Ab 1932 führt der Kölledaer Kaninchenzuchtverein das Vereinskennzeichen G 202 Kölleda.
Ende der 1940-er Jahre hielt der Kölledaer KZV eine führende Stelle in der Angorakaninchenzucht inne, bis zu 350 Stück wurden im Jahr aufgezogen.
Ein Höhepunkt in der Vereinsgeschichte war das 100-jährige Jubiläum im Jahre 1996. Am Gründungstag des Vereines am 29. Mai wurde eine Jahrhundertversammlung im feierlichen Rahmen durchgeführt. Ehrengast war der Bürgermeister der Stadt Kölleda Frank Zweimann.
Weiterhin richtete der Verein die Kreisjungtierschau des KV Sömmerda am 23. Juli 2005 in Battgendorf aus. Der Züchter Günter Kirchner erhielt die große goldene Ehrennadel, und der Vorsitzende Rudolf Viol wurde zum "Altmeister der Thüringer Kaninchenzucht" ernannt.
2007 wurde Zuchtfreund Roland Meiz 1. Vorsitzender, der von 1976 bis 2007 tätige Vorsitzende Rudolf Viol wurde zum Ehrenvorsitzenden ernannt. Viols Herausforderung bestand vor allem darin, den Verein durch die allgemein turbulenten Jahre nach der Wiedervereinigung erfolgreich geführt zu haben.
Gezüchtet werden alle nur denkbaren Rassen und Farbenschläge vom Deutschen Widder bis zum Hermelin. Viele Vereinsmitglieder sind in den Clubs des ZDRK organisiert. Auf regionalen und überregionalen Ausstellungen konnten schon viele Preise errungen werden.
Der Verein zählt zahlreiche Vereinskreismeister, Kreismeister, Landesmeister, Bundesmeister und Europameister.
(Quelle: Kaninchenzuchtverein Kölleda)

6. Hühner

6. 1. Die Tiere unseres Hühnerhofes

Über Jahrzehnte hinweg hielten wir uns Hühner. Wie viele etliche andere Bewohner der Stadt auch.

Bis irgendwann nach dem Krieg hielten wir auch noch alles mögliche andere Kleinvieh im Hühnerhof, um uns weitgehend selbst zu versorgen. Um dieses kümmerte sich vorwiegend mein Urgroßvater Hermann Einecke. Denn Großvater arbeitete bis zum Abend im Funkwerk und bearbeitete anschließend noch das gepachtete Stück Land auf dem ehemaligen Flugplatz und das Gartenstück bei Lehmanns am Weimarischen Tor.

Zu Beginn der Fünfziger Jahre lebte für drei Jahre bei uns im Hühnerhof auch mal ein Rabe namens Mohrle, der uns zugeflogen war. Jeden Freitag bekam er Wurstreste von der Fleischerei Stichling, die er sich sichtlich schmecken ließ.
Eine seiner Marotten war es, das Gegacker der Hühner nach dem Legen eines Eies nachzuahmen. Er bekam das auch ziemlich gut hin. So gut, dass unsere Nachbarin südlich, Frieda Müller, schon neidisch wurde auf die vielen Eier, die unsere Hühner angeblich legten!

Zu meiner Zeit hatten wir nur noch Hühner und unter ihnen fast ausschließlich Weißes Leghorn-Hennen. (Unter Hühnerzüchter-Insidern übrigens berüchtigt für ihren stark ausgeprägten Sexualtrieb! Die Boxenluder unter den Hühnern!!! So etwas müsste mir mal in Menschengestalt und in Form einer Zwillingsschwester von Agnetha Fältskog begegnen!)

Teichmanns Bauernhof: Wenn wir uns Junghennen zulegten, dann kauften wir diese immer vom Bauernhof der Familie Teichmann auf dem Kölledaer Roßplatz, auf der westlichen Seite der Bushaltestelle. Wesentlich öfter waren wir dort, um Mist für unseren Garten zu kaufen.
Ich kann mich noch dunkel erinnern, wie dort alles Mögliche an landwirtschaftlichem Getier herumlief – so wie man sich einen Bauernhof vorstellte. Ich bin dort immer sehr gern gewesen.
Zuletzt müssen wir uns irgendwann Anfang/Mitte der Achtziger dort aufgehalten haben.
Die Familie war übrigens, soviel ich weiß, nicht mit der Familie Teichmann in unserer Straße verwandt. Zumindest nicht eng.

1989 flogen uns zwei Italiener zu. Wir wussten nicht, woher sie kamen, sie standen eines Morgens einfach in unserem Garten.
Irgendwann um diese Zeit herum flog auch ein weißes Leghorn zu, welches wir Doreen nannten. Da in beiden Fällen uns der vorherige Halter weder bekannt war, noch von irgendjemandem Besitzansprüche erhoben wurden, behielten wir sie. Wenn jemand gekommen wäre, hätten wir sie natürlich herausgegeben, aber es meldete sich niemand.

Der Hühnerhof war auch ein Anziehungspunkt für sämtliche Tiere aus der Umgebung: Katzen, Igel, Vögel sowieso. Jeder fand dort irgendetwas.

Nach der Wende übernahmen wir dann noch einen ganzen Schwung Italiener von einer Nachbarin, die sie aus Kostengründen abschaffte.

Dabei war auch ein junger Hahn. Der versuchte eines Tages mal, Eier legen!
Ich dachte, ich sehe nicht richtig, als ich das vom Fenster aus beobachtete. Er scharrte sich ein Loch, wie es die Hennen in der Streu im Hühnerstall taten, wenn sie legten, und setzte sich drauf. Nach einer ganzen Weile stand er auf, starrte in das Loch und konnte es nicht fassen, dass da nichts drin lag!!!
Ich fragte mich: War er feministisch, schwul oder ein Transvestit?

Thema Hahn. In Medienbeiträgen hört man ja oft Formulierungen wie "Der Hahn – der Boss des Hühnerhofes". Ist ein Mythos. Ich bin als Kind auf genügend Hühnerhöfen gewesen, um das beurteilen zu können. Bei praktisch allen Hühnervölkern, die ich beobachtet habe, verhielt es sich so – das ist jetzt wirklich kein Witz – dass der Hahn regelrecht unter dem Pantoffel seiner Hennen stand. (Also wie bei den Menschen auch.) Das merkte man vor allem an der Hackordnung am Futternapf. Wenn es frisches Futter gab, da drängelte sich zunächst der weibliche Teil des Hühnerhofes rund um den Napf. Der währenddessen im Hintergrund laut schimpfend im Kreis herum marschierende Hahn hatte keine Chance, sich irgendwie Respekt zu verschaffen. Erst wenn seine Damen sich gestärkt hatten und weggingen, durfte er dann auch.
Auch, dass sie ihn "drüber ließen" – das war, von den permanent notgeilen Weißen Leghörnern mal abgesehen, eher ein Gnadenakt.

6. 2. Das Hühnerhofgelände

Zunächst zur "Vorgeschichte" des Hühnerhofes. Dort, wo später der quadratische Hühnerhof entstand, befand sich früher eine Wiese. In dessen Zentrum der Boskop stand, der später auch all die Jahrzehnte das Zentrum des Hühnerhofes bildete. Um diesen Baum herum hatte mein Großvater mal zusammen mit dem Tischler Dahmert einen runden Tisch gebaut. Sodass man an warmen Sommertagen draußen sitzen konnte. Zu meiner Zeit war dieser Tisch allerdings längst verschwunden.

Nun zur Hühnerhof-Ära. Aufgehalten hatten sich die Hühner in zwei aneinanderliegenden Hühnerhöfen direkt hinter dem Haus. Einem etwas größeren, quadratischen, und einem etwas kleineren, länglichen.
Übernachtet haben sie im Hühnerstall, der den quadratischen Hühnerhof in nördlicher Richtung begrenzte. Im Februar 1990, kann ich mich erinnern, habe ich mal neue Teerpappe auf dem ziemlich flachen Satteldach vom Stall verlegt.

In unseren letzten zwei Jahren in Deutschland ließen wir sie dann im ganzen Garten herumlaufen. Wo sie sich zusätzlich zu unserer täglichen Fütterung ihren Speiseplan noch artgerecht ergänzen konnten. Und es hatte Auswirkungen auf die Qualität der Eier. Man schmeckte wirklich das Grünzeug heraus, das sie im ganzen Garten pickten! Die Eier hatten mit einem Male eine Geschmacksnote, die ich eigentlich nur mit einem Wort umschreiben kann: krautig. Ich weiß nicht, ob ein solches Wort laut Duden existiert.
Äußerst bemerkenswert war auch deren Größe; richtige Geschosse, wenn ich es vergleiche mit den mickrigen agroindustriell erzeugten Eiern, die man in heutigen Supermärkten kaufen kann.
Die Hühner unternahmen im Garten übrigens keinerlei Anstalten, über die Zäune zu fliehen, obwohl es für sie ein Leichtes gewesen wäre, diese zu überwinden. Jeden Abend, wenn es dämmrig wurde, begaben sie sich wieder in ihren Stall.
Auch irgendwelche Schäden entstanden nicht dadurch. Höchstens, dass sie mal ein bisschen Erde auf den gepflasterten Mittelweg gescharrt hatten, aber, mein Gott, da nahm man den Hofbesen und kehrte es wieder weg.

6. 3. Das Futter

An Futter bekamen sie Weichfutter, Grünzeug aus dem Garten und Körner. Dieser Punkt verdient eine etwas nähere Betrachtung.

Das Weichfutter waren gekochte Kartoffeln mit Schrot, wahlweise auch Reis, den wir gekocht hatten und quellen ließen, sowie regelmäßig die Essensreste.

Grünzeug, das ich ihnen oft vorbeibrachte, war die Vogelmiere aus dem Garten, welche gemeinhin als Unkraut gilt. Ich erntete sie gern, da sie sich aufgrund ihrer flachen, schwachen Wurzel sehr leicht pflücken ließ.
Wenn ich sie ihnen dann in den Hühnerhof warf, das war ein Fest!!! Die Hennen stürzten sich drauf wie die Geier!!! Es war richtig lustig anzusehen, wie sie in ihren Schnäbeln die Büschel durch die Luft schleuderten, sodass sie um ihre kleinen Köpfe flogen. Na ja, so frisch und saftig, wie das Zeug war, glaube ich schon, dass das eine Delikatesse für sie war.
Im Frühjahr bekamen sie oft mit dem Spaten ausgegrabene frische Löwenzähne. Mit ähnlichen Reaktionen.
Zusätzlich befanden sich oft noch winzig kleine Insekten in den Wurzeln.
Ansonsten bekamen sie aus dem Garten Kopfsalat und Schnittsalat (Schnittsalat konnte man den ganzen Sommer ernten, da er immer wieder nachwuchs.). Sowie Mangold, der über die gleichen Nachwuchseigenschaften verfügte. Der Mangold wuchs auf der langen Rabatte entlang von Klatts Zaun im Norden, welche sich ohne Unterbrechung von der Laube bis zum Grundstückende an der Arbeiterwohnheim-Garage erstreckte. Eher weiter hinten Richtung Garage hin. Die Blätter warfen wir ihnen so in den Hühnerhof, wie sie waren. Die Stiele schnitten wir, da sie zu hart waren, als dass sie sie im Originalzustand hätten picken können.

Vor meiner Zeit betrieben wir im Hühnerhof eine zusätzliche Futterstelle in Form eines Riesennagels, der weit unten, "in Schnabelhöhe", aus einem Holzpfosten herausragte. An diesem wurde verschiedenes Grünfutter aufgehängt.
Als mein Großvater noch den Garten bei Familie Lehmann hatte, säte er unter anderem ein langes Beet mit Futterrüben. Als die Rüben schon fast ausgewachsen waren, hat er von außen herum immer mal wieder einzelne Blätter abgeschnitten. Diese hängte er dann als Bündel an besagtem Nagel auf – als "Kaltes Buffet". Da auf diese Weise jedoch immer die Stiele übrig blieben, schnitt er später Blätter und Stiele "schnabelgerecht".
Als die Runkeln dann groß genug waren, hat er jeden Tag zwei mit Blättern und Stielen mitgebracht, Blätter und Stiele klein geschnitten, und die Runkel halbiert und hingehängt.
Manche der Runkeln lagerte er im Keller auch als Vorrat für den Winter ein. Sodass die Hühner jahreszeitenunabhängig jeden zweiten Tag eine Runkel zum Auspicken hatten.
An diese Stelle hängten wir manchmal auch ein Bündel reifer Maiskolben. Wurde auch sehr gut angenommen.

Die Körner waren Weizen. Dafür kauften wir von der örtlichen LPG regelmäßig einen Sack voll, welcher auf dem großen Dachbodenraum lagerte.
Die jeweils zu verbrauchende Menge Körner befand sich in einem ehemaligen Kaninchenstall auf dem Gelände des größeren Hühnerhofes. Er stand dort in der Nordwestecke, mit dem Rücken zum Westen, mit der Stirnseite nach Norden. Nach dem Ende unserer Kaninchenhaltung zum Ablageort umfunktioniert worden. (Ich weiß noch, seine obere Fläche war mit Teerpappe überzogen.) In ihm stand ein sehr großer Emailletopf (Ich glaube, ein blauer.). Aus ihm entnahmen wir beim Füttern dann jeweils ein paar Hände voll. Ich kann mich in dem Zusammenhang an einen länglichen, hölzernen Futtertrog erinnern, der bei der Futterstelle vorn vorm Hühnerstall stand. Irgendwann hatte ich die Hühner mal so weit, dass sie mir aus der Hand pickten, wenn ich ihnen eine Hand voll dieser Körner hinhielt.
Ansonsten bekamen sie zum Picken altes Brot, welches wir in ganz kleine Würfel schnitten.
Später bekam das alte Brot dann unsere Schweine haltende Nachbarfamilie Walter, das wir ihnen immer kommentarlos in einem Eimer an den Zaun hängten. Dafür bekamen wir dann jeden Herbst eine super-super Schlachtschüssel.

Nach dem Krieg und in den Fünfziger Jahren bekamen sie auch Pressrückstände von Mohn und Bucheckern. Das hing eng zusammen mit unseren gartenbaulichen und Küchenaktivitäten.

Als ich Kind war, habe ich oft mit einem Spaten den Boden im Hühnerhof umgegraben, damit die Hühner nach Insekten scharren konnten. Die vorwitzigsten unter den Hennen begannen schon damit, während ich noch grub, und sogar in ziemlicher Nähe meines Spatens.
Aber als ich dann raus war, da flogen die Fetzen!!!

Zu Trinken (Und ich schreibe hier bewusst Trinken und nicht wie bei Tieren üblich Saufen, denn die Eleganz, die diese Vögel beim Aufnehmen des Wassers in ihre Schnäbel an den Tag legten, erinnerte an eine noble Weinverkostung!) bekamen sie aus einem alten, verbeulten, zylindrischen Aluminiumtopf. Früher, vor meiner Zeit, kam da sauer gewordene Milch rein. Das Trinkwasser in ein separates Gefäß. Später dann, als wir Kühlschrank hatten, gab es darin nur noch das Trinkwasser aus der Leitung.

Als mein Großvater in Rente war, lautete sein Wahlspruch immer: "Erst die Tiere!"
Das bedeutete, dass er vor dem Frühstück erst sich um die Hühner kümmerte und dann sich selbst an den Küchentisch setzte. Das war bei ihm ein ehernes Prinzip.

6. 4. Der Hühnerhof als Komposterde-Spender

Der Boden im Hühnerhof war übrigens ein hervorragender Humusspender für unseren Garten. Denn unzählige Komponenten hatten sich auf ihm angesammelt und waren im Laufe von Jahren darauf verrottet. Da wären zunächst einmal die Hühnerfutterreste aus Jahrzehnten. Dann der Hühnerdung. Die abgefallenen Blätter und Äpfel des Boskops, der in seiner Mitte stand. Außerdem streuten wir immer mal wieder auf der ganzen Fläche Hobelspäne aus, damit die Hühner ein angenehmes Umfeld hatten. Die Hobelspäne bekamen wir in der Tischlerei Sander.
Außerdem grub ich, wie schon erwähnt, den Boden immer mal wieder um, damit die Hennen Insekten fanden. Auf diese Weise wurde dem Boden Sauerstoff zugeführt, was die Kompostierungsprozesse förderte. Überflüssig zu erwähnen, dass die Erde dann wirklich erstklassig war.

7. Vögel

In Urgroßvater Hermann Eineckes Garten nahe beim Bahnhof hatten wir einen speziellen Apfelbaum. Es war eine sehr alte Sorte, Farbe knallrot und er trug in Massen und Unmassen.
Von diesen Äpfeln hob Urgroßmutter Lina sämtliche Kerne auf, damit die Vögel im Winter etwas hatten.

Während meiner Kindheit sah ich immer nur Kohlmeisen in der Natur. Die Existenz von Blaumeisen war mir nur rein theoretisch bekannt.
Erst als ich in Österreich lebte, sah ich erstmals auch Blaumeisen in freier Wildbahn, welche hier nun wieder zu dominieren schienen.

Unsere Käfigvögel:
- Bis Mai 1986 ein Zebrafinkenmännchen.
- Bis März 1987 ein Japanisches Möwchen-Männchen.
- Bis Mai 1988 ein Zebrafinkenmännchen.
- Bis August 1988 ein Kanarienvogelmännchen.
- Im Februar 1989 mal kurz ein Stieglitzmännchen.
- Bis September 1989 ein Nymphensittichmännchen.

8. Die Kölledaer Pferdekoppel

In unserer Stadt gab es auch eine Pferdekoppel. Man erreichte sie, wenn man die Feistkornstraße immer weiter in Richtung Ortsende hinausging. Ziemlich gegen Ende, kurz bevor die Angerstraße und die Straße "Am Bahnhof" aufeinandertrafen, zweigte in Richtung Süden ein kleiner, ungepflasterter Weg ab. Er war ein Zugangsweg zu verschiedenen Gärten links und rechts. Der Weg endete schließlich als Sackgasse direkt vor der Pferdekoppel. Als ich noch Kind war, haben wir dort öfters mal vorbeigesehen, wenn wir uns gerade in der Nähe aufhielten.
Um das Jahr 1990 herum musste das Gelände dann der Errichtung der Doktor-Fritz-Kalkoff-Straße weichen, da zu der Zeit im Westen der Stadt ein neues Wohnviertel entstand. (Im Volksmund das "Papageien-Viertel" genannt, aufgrund des auffälligen Farbanstrichs der Häuser.)

9. Unsere Gärten

Meine Lieblingspflanzen sind die klassischen Frühblüher: Winterlinge, Schneeglöckchen, Leberblümchen, Krokusse, Osterglocken, Tulpen, Kaiserkronen und Flieder.

Und da wir schon beim Thema Pflanzen sind: Mein Lieblingsbaum seit der Kindheit ist die so genannte Italienische Pappel.

Bürgerreporter:in:

Christoph Altrogge aus Kölleda

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