Kindheitslexikon: Unfälle/Vorfälle/Kriminalität

Aus medienrechtlichen Gründen werden hier – mit einer Ausnahme aufgrund der Prominenz des Falls – keinerlei Angaben zu Personen gemacht.

Passt thematisch mit in die Kategorie, wenn auch eher in die Unterrubrik "Kurioses": Wie mir meine Mutter erzählte, hatten sich in den Fünfziger Jahren vor unserem Postgebäude mal zwei Frauen öffentlich geschlagen. Sie sollen sich dabei regelrecht an den Haaren gerissen haben. Anlass war wohl dem Vernehmen nach ein Mann. Das Ereignis, welches sofort zahlreiche Zuschauer anzog, war danach noch Jahrzehnte im Gespräch.

Ein grauenvoller Unfall ereignete sich in den Fünfziger Jahren auf dem Kölledaer Bahnhof, als ein älterer, durchaus erfahrener Rangierarbeiter beim Rangieren zwischen den Puffern von zwei Wagons zerquetscht wurde.

Wir bleiben beim Thema Eisenbahn: Im selben Jahrzehnt gab es ungefähr einen halben Kilometer vor dem Buttstädter Bahnhof einen tödlichen Bahnunfall.
Ein junger Mann, der aus Buttstädt stammte und in Kölleda gelernter Textilverkäufer im damaligen Modegeschäft "Chic" am westlichen Ende der Brückenstraße war, hatte nach Dienstschluss mit ein paar Kollegen etwas zu feiern gehabt und fuhr dann mit dem letzten Personenzug gegen 19:00 Uhr Richtung Buttstädt. Es war ein alter Zug mit Plattformen außen an beiden Seiten der Wagen.
Er stieg auf die allerletzte Plattform am letzten Wagen auf und wollte draußen an der frischen Luft bleiben – so sagte er es den paar Kollegen, die ihn zum Bahnhof gebracht hatten.
Am Ortsrand von Buttstädt, ungefähr einen halben Kilometer vom Bahnhof entfernt, stürzte er von der Plattform auf die Gleise und blieb liegen.
Da dort absolute Wildnis und kein Weg ist, bemerkte dies niemand, auch nicht vom fernen Stellwerk aus.
In der darauffolgenden Nacht erfasste ihn ein Güterzug und brachte ihm tödliche Verletzungen bei.

Ebenfalls in den Fünfziger Jahren brach zwischen Schillingstedt und Etzleben mal ein Stück von der Landstraße um etwa eineinhalb bis zwei Meter ein. Ursache war vermutlich Flussunterspülung. Und genau an der Stelle sackte ein Pferdefuhrwerk ein, welches unterwegs zu einem Acker war oder von dort kam. Ross und Reiter konnten jedoch unbeschadet gerettet werden.

Ende der 1960-er Jahre passierte ein tragischer Unfall am Sömmerdaer Bahnhof:
Der Schaffner hatte bereits das Abfahrtssignal gepfiffen, der Zug am unteren Bahnsteig fuhr schon an.
Ein junger Mann kam angerannt und steuerte auf die noch geöffnete Wagentür, Schiebetür, wahrscheinlich Recowagen, zu. Er ergriff die Haltestange nur locker, berührte mit den Füßen das Trittbrett nur leicht und rutschte ab.
Obwohl der Schaffner versuchte, dem Lokführer Zeichen zu geben, fuhr der Zug weiterhin normal an.
Der junge Mann rutschte mit den Beinen unter den Waggon. Beide Beine wurden unterhalb der Knie abgetrennt.

Polizeistationen in meiner Gegend griffen immer mal wieder zu recht drastischen Abschreckungsmaßnahmen, was Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung betraf.
Anfang der Siebziger Jahre etwa stand vor der Polizei in Sömmerda auf einem Sockel lange Zeit mal ein bei einem Unfall komplett zerstörter Pkw vom Typ Wartburg. Kommentarlos, damit jeder seine Schlüsse daraus ziehen konnte.

Der Katastrophenwinter 1978/79, der die Infrastruktur in der gesamten DDR an den Rand des Zusammenbruchs brachte, schlug auch in Kölleda mit unerbittlicher Härte zu.

In die Stadtgeschichte eingegangen ist der große Sturm von 1980 in der Nacht vom 14. auf den 15. Juni. Die gesamte Gegend wurde nach vorheriger großer Hitze von einem schweren Unwetter heimgesucht. Orkanartige Stürme deckten Dächer ab, brachen große Äste ab. Es stürzten unzählige hohe Bäume, wurden teilweise durch Windkraft regelrecht aus der Erde herausgedreht. Beschädigungen elektrischer Leitungen hatten Stromausfälle zur Folge. In Kölleda wurde eine Person von herabstürzenden Ästen tödlich verletzt.

Praktisch das ganze Jahr 1984 über versetzte ein Brandstifter Kölleda in Angst und Schrecken. Er steckte verschiedenste Objekte im Gemeindegebiet in Brand, brüstete sich in anonymen Bekennerschreiben mit seinen Taten.
Der Täter konnte gefasst werden. Motiv war seine pyromanische Veranlagung in Kombination mit Geltungsdrang.
Auch auf den sozialen Frieden hatten die Ereignisse ihre Auswirkungen. Gegen Ende der Anschlagsserie war das Klima wechselseitiger Verdächtigungen in der Stadt bereits sehr, sehr unangenehm geworden.

Ebenfalls Mitte der Achtziger Jahre gab es auf dem Kölledaer Friedhof eine Serie von Vandalenakten. Wenn ich mich richtig erinnere, sollen allein in einer Nacht 18 Grabsteine umgestoßen worden sein.

Zwei Tragödien, kann ich mich noch gut erinnern, erschütterten 1987 unsere Stadt und waren monatelang im Gespräch.
Ein Ereignis betraf ein altes Ehepaar, welches in der Innenstadt eine Straße überquerte und von einem fahrenden Bus erfasst und tödlich verletzt wurde.
Es gab danach die üblichen kriminaltechnischen Untersuchungen, welche den Fahrer von jeglichem Fehlverhalten eindeutig freisprachen. Der Unfall war – so hart und gefühllos das auch klingen mag – auf grob fahrlässiges Verschulden des Ehepaares zurückzuführen. Was sich auch mit den Schilderungen des Fahrers über die Art und Weise der Straßenüberquerung des Paares deckte.
Der Fahrer war danach, wie man hörte, ungefähr ein Jahr lang aus psychischen Gründen krankgeschrieben und nahm danach irgendeine andere Tätigkeit auf.

Der zweite spektakuläre Vorfall betraf einen männlichen Jugendlichen. Dieser hatte während eines Gewitters fälschlicherweise Schutz unter einem Baum gesucht. Und wie man hörte, soll er außerdem noch – Für die Details möchte ich mich inhaltlich allerdings nicht verbürgen! – sich an einem im Baum befestigten Nagel festgehalten haben und ein Kofferradio mit ausgefahrener Antenne betrieben haben. Die Folge war, wie man sich leicht denken kann, ein Blitzeinschlag in seinen Körper. Das, was Mediziner danach von ihm auffanden, war nicht mehr lebensfähig.

Am 2. Juli 1989 wurde in der Kreisstadt Sömmerda die erst 22-jährige Krankenschwester Carmen Klehm ermordet. Zuletzt sah man sie im Jugendklubhaus, dem späteren Volkshaus, wo gerade Disko stattfand. Gemeinsam mit einer Kollegin ging sie gegen Mitternacht nach Hause, allerdings trennten sich ihre Wege in der Bahnhofstraße am Krankenhaus. Dort schlief die Freundin, weil sie am anderen Morgen Dienst hatte. Von da an bis zum 6. Juli sah sie nur noch ihr Mörder.
Knapp 30 Jahre später war die Tat noch immer unaufgeklärt.

Jahre später, ich war schon in Österreich, sah ich übers MDR-Fernsehen einen Bericht über eine Polizeistation in der Gegend um Artern, einer Kleinstadt in meiner Nähe. Die dortigen Polizeibeamten hatten, gelinde gesagt, die Schnauze voll von den explodierenden Zahlen in den Tod rasender jugendlicher Alko-Lenker. Daher beschloss man auch hier auf knallharte Abschreckstrategie zu setzen. So begann dann ein Polizist in den höheren Schulen, in Klassen wo die Schüler schon im Führerscheinalter waren, Vorträge zu halten. Auf diesen zeigte er dann Bilder von Autos, die ebenfalls bei Unfällen komplett zerstört wurden. Und bei denen die betrunkenen jugendlichen Lenker ums Leben gekommen waren. Mit allen unappetitlichen Einzelheiten. Ich wiederhole es jetzt mal sinngemäß: Der Polizist sagte zum Beispiel: Hier klebte noch etwas Gehirnmasse am Sitzbezug, hier hing ein halber Darm heraus … Um dann stets mit dem Satz zu enden: "SO möchte ich KEINEN VON IHNEN wiedersehen!"

Bürgerreporter:in:

Christoph Altrogge aus Kölleda

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