Aue-Stadion + Hessen Kassel = Aua-Stadion

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Seit Wochen freuten wir uns auf einen „Hauch großen Fußball“: Hessen Kassel empfing in der 1. Hauptrunde den Zweitliga-Profiklub der Fortuna aus der Nordrhein-Westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf. Das Spiel, aber auch das Drumherum, war eine einzige Enttäuschung.

Frauen-Fußball einmal anders

Der sportlich-negative Teil ist schnell erzählt. Eigentlich hätte die Partie Misere Kassel gegen Fortuna Düsseldorf heißen müssen. Es gibt Amateurvereine, allzumal Regionalligaclubs, die können durch Kampf und eine hohe Laufbereitschaft höherklassigen Fußballteams gefährlich werden. Hessen Kassel gehört nicht dazu. Dabei blitzte das Können der eher „routiniert“, denn mit vollem Einsatz spielenden Düsseldorfer, bei dem für Kassel schmeichelhaften 0:3 nur recht selten auf. Die ganze Spielanlage der Hessen, die Körpersprache und die Präzision glaubte man schon einmal gesehen zu haben: bei der Frauen-WM vor wenigen Wochen. Warum das erste Spiel seit vielen Jahren auf höherer Ebene nicht ausverkauft war und abzüglich der auswärtigen Fans nicht einmal eine fünfstelligen Zahl aus Kassel und Umgebung ins Stadion kam, sollte zu denken geben.

Doch kommen wir zum Hauptpunkt der Kritik. Das frisch renovierte Stadion macht zunächst einen passablen Eindruck, doch die Organisation in ihm und drum herum, ist kaum eines Viertligisten würdig. Es kann auch nicht die relativ hohe Besucherzahl von rund 14 850 als Entschuldigungsgrund herhalten, denn zu den Spielen von Hessen Kassel kamen in der abgelaufenen Saison immerhin im Schnitt 5 500 Zuschauer (in der Spitze 11 000) und das bedeutet schon, dass hier eine Grundstruktur wie im Profibereich vorliegen muss, resp. sollte, denn damit erreichte man den Schnitt in der 3. Fußballliga und übertrumpfte die Nr. 2 im hessischen Fußball, den Zweitligisten FSV Frankfurt! Warum man also z.B. bei den Ordnern allesamt den Eindruck gewann, sie wären vorher noch nie im Stadion gewesen, lässt sich damit nicht erklären. Vor dem Stadion nämlich konnten uns zwei Ordner nicht genau sagen, wie genau wie die Osttribüne erreichen und im Stadion nicht, wie wir am Besten auf unsere Sitze in der Reihe, in einem konkreten Block kommen konnten.

Der Zuschauer braucht eine Nanny, besser noch eine ganze Abteilung

Wir kamen günstig im Südosten des Stadions an und hatten eigentlich „kurze Wege“ eingeplant – Fehlanzeige, das Gegenteil geschah. Aus Sicherheitsgründen konnten wir nicht in den Ostblock gelangen (es wären 150 Meter gewesen), sondern mussten fast das ganze Stadion umrunden, also knapp einen Km laufen, ehe wir auf unsere Plätze gelangen konnten. Apropos Sicherheit. Die Sicherheitsbemühungen im Stadion glichen einer Kampfaufgabe, da alle paar Minuten ein sich mächtig wichtig fühlender „Sicherheitssprecher“ permanent während des Spieles durchsagte, man solle seinen „Sicherheitsanweisungen“ folgen und deshalb müssten die „gelb gestrichenen Sicherheitsaufgänge“ frei gemacht werden, nur weil ein paar Leute in den Gängen standen, die auch nicht über eine „Ich bin ein Sicherheitsaufgang“-Kennzeichnung verfügten, so war dies eine so noch nie erlebte Groteske, welche die geduldigen und strapazierten Zuschauern sukzessiv mit Hohngelächter und Pfiffen quittierten. Man darf gespannt sein, ob demnächst Warnhinweise aufgestellt werden „Achtung! Sie betreten ein Fußballstadion; Ihr für die Sicherheit zuständiger Sicherheitssprecher der Sicherheit, Sektion gelber Sicherheitsgang“. Ob die steilen Treppen nicht eine viel größere Gefahr darstellen, lassen wir mal ungewohnt offen.

Fauxpasse nicht nur auf dem Platz

Als der Stadionsprecher den langjährigen Vereinsvorsitzenden verabschieden wollte, musste er „aus technischen Gründen dies leider aus der Sprecherkabine machen“. Doch anscheinend streikte auch das Linienmarkierungsgerät, denn sämtliche Spielplatzkennzeichnungen waren nur schwächlich aufgebracht (besser sah man überall noch die Spuren der Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften des vergangenen Wochenendes). Ein Kontakt zur Außenwelt schien auch nicht zu existieren, denn die Halbzeitergebnisse der Partien auf den anderen Plätzen wurden strikt verheimlicht. Kassel, stolz auf seine angeblich zu 100% aus „regenerativen Energien“ bestehende Stromversorgung, durfte auf den ultralautbrummenden zusätzlich betriebenen Stromgenerator weniger stolz sein, denn die normale Versorgung reichte wohl nicht für all die vielen Verbrauchsgeräte einer derartigen Großveranstaltung. Kein Wunder auch, wenn man trotz eines hellen Tages schon am Nachmittag das Flutlicht einschaltet. Kassel hat es ja! Nur keine Mitarbeiter, die vor dem Spiel die dreckigen Sitzschalen säubern, die wohl nach der Leichtathletik-Meisterschaft “naturbelassen” ihrem Schicksal überlassen wurden.

Auf der Damentoilette hätte man sich über einen funktionierenden Flüssigseifenspender sehr gefreut, aber dafür funktionierte im nagelneuen Stadion auch der elektrische Lufttrockner nicht und Papiertücher wurden ebenso hartnäckig für den nächsten Ernstfall gebunkert. Wer ein Bier kaufte wollte, hatte 200 Leute oder eine Wartezeit von etwa 20 bis 30 Minuten vor sich. Viel zu wenige Stände, zu wenig Personal und Becherabgabe-Regularien, die wohl kaum jemand beachtete da man sich noch einmal hätte anstellen müssen und deshalb den Becher (lediglich 0,3 l) besser gleich in den Abfall warf. Nebenan am Wurststand eine echte Katastrophe: Die Würstchen kalt, knorpelig und tendenziell stark mit dem Spiel abfallend im Geschmack.

Fazit: Man sollte sich ein paar Tipps von Profivereinen einholen und mit der Optimierung so ziemlich aller Bereiche beginnen. Schauen wir auf die sportliche Leistung, so ist anzunehmen, dass Hessen Kassel und sein Umfeld 2012 noch nicht Verlegenheit kommt sich unter den Anforderungen der 3. Fußball-Bundesliga bewähren zu müssen. Man hat noch Zeit zum Üben. Für die Übergangszeit schlägt der geneigte Betrachter vor, die Spielstätte intern umzubenennen in Aua-Stadion.

Bürgerreporter:in:

Tanja Krienen aus Waldeck (HE)

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