Eine ganz besondere Familienzusammenführung

Eine besondere Familienzusammenführung fand im Haus der Ichenhauser Stadträtin Gabi Walter (Zweite von links) statt. Nach langer Suche hatte die Heimatforscherin den aus Ichenhausen stammenden Franz Findler (Mitte) ausfindig gemacht. Er und seine Frau Christa (Zweite von rechts) trafen nun erstmals seinen Cousin Friedrich Rothschädl (rechts) und dessen Frau Gerda (links).
Foto: Walter Kaiser
  • Eine besondere Familienzusammenführung fand im Haus der Ichenhauser Stadträtin Gabi Walter (Zweite von links) statt. Nach langer Suche hatte die Heimatforscherin den aus Ichenhausen stammenden Franz Findler (Mitte) ausfindig gemacht. Er und seine Frau Christa (Zweite von rechts) trafen nun erstmals seinen Cousin Friedrich Rothschädl (rechts) und dessen Frau Gerda (links).
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Während des Zweiten Weltkriegs verschwand der kleine Franz auf ungeklärte Weise. Jetzt kam der heute 76-Jährige zum ersten Mal in seine Heimat Ichenhausen.

Wer bin ich? Woher komme ich? Für die meisten Menschen sind solche Fragen eher philosophischer oder spiritueller Natur. Für Franz Findler waren sie ein Leben lang real. Der heute 76-Jährige wusste bis vor wenigen Wochen nicht, wer er war und woher er kam. Bis ihn die Ichenhauser Stadträtin und Heimatforscherin Gabi Walter in Mülheim an der Ruhr ausfindig machte. Jetzt besuchten Franz Findler und seine Frau Christa zum ersten Mal Ichenhausen. Von dort verschwand der kleine Franz noch während des Krieges auf weiterhin ungeklärte Weise. Aufgezogen wurde er von Pflegeeltern.

Im Haus von Gabi Walter traf Franz Findler auch erstmals seinen Cousin Friedrich Rothschädl und dessen Frau Gerda. Eine Familienzusammenführung der besonders anrührenden Art.

„Ich war fix und fertig.“ So beschreibt Franz Findler seine Gefühle, als er vor etwa sechs Wochen erfuhr, wer seine leiblichen Eltern sind, dass er aus Ichenhausen stammt und dass er in Schwaben noch Verwandtschaft hat. „Und ich habe es bis heute nicht verdaut.“

Der Zweite Weltkrieg war für die Menschen in Ichenhausen am 26. April 1945 zu Ende. An jenem Tag kam, wie kürzlich berichtet, der gut dreijährige Adolf Findler auf tragische Weise ums Leben – er wurde auf dem Marktplatz von einem Fahrzeug der Wehrmacht erfasst und tödlich verletzt. In den spärlichen Unterlagen von Adolf Findler stieß Gabi Walter auf einen Vermerk, dass Familie Findler ein weiteres Kind, allerdings unbekannten Namens, hatte.
Die Ichenhauser Heimatforscherin setzte sich auf die Fährte dieses Kindes. Nachforschungen des Suchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes blieben ergebnislos. Mithilfe von Stefanie Odenwälder, der um die Ostertage im Alter von 92 Jahren gestorbenen Tante von Adolf und Franz Findler, konnte der mutmaßliche Wohnort von Franz Findler eingegrenzt werden – irgendwo im Rheinland oder im Ruhrgebiet. Schließlich machte Gabi Walter den „Vermissten“ in Mülheim an der Ruhr ausfindig.

Franz Findler weiß bis heute nicht, wann und warum er in die Obhut seiner zunächst in Gera lebenden Pflegeeltern gegeben wurde. Es muss allerdings schon während des Krieges gewesen sein. „Ich erinnere mich an die Flucht, an Fliegerangriffe und an Luftschutzbunker.“ Nach zahlreichen Zwischenstationen ließen sich die Pflegeeltern in Düsseldorf nieder. Und sie haben Franz Findler, ihr einziges Kind, hermetisch abgeschottet. Als der Bub etwa zwölf Jahre alt war, versuchte die leibliche Mutter, Kontakt mit ihrem Kind aufzunehmen. „Meine Pflegeeltern haben mich verleugnet“, erzählt Franz Findler. Mehr noch: Briefe der Mutter an ihren Sohn haben die Pflegeeltern ebenso abgefangen und vernichtet wie Dokumente, die auf die Herkunft des Buben schließen ließen. Erst als junger Erwachsener hat Findler erfahren, dass er nicht der leibliche Sohn seiner Pflegeeltern war. Trotzdem will er auf sie nichts kommen lassen. „Ich hatte es nicht schlecht.“ Zwischen den Zeilen ist freilich herauszuhören, dass nicht alles eitel Sonnenschein war.

Auf die Suche nach seinen Wurzeln hat sich Findler nie gemacht. „Ich habe abgeblockt.“ Wer weiß, was die Wahrheit ans Licht gebracht hätte. „Ich wollte es gar nicht wissen.“ Und wo hätte er, ohne nennenswerte Dokumente über seine Herkunft, auch suchen sollen? So hat Franz Findler sein Leben in Mülheim gelebt – mit Ehefrau Christa, vier Töchtern und sieben Enkeln. In seiner Freizeit hat sich der Bürokaufmann in vielfacher Weise ehrenamtlich engagiert, als guter Geist einer Altentagesstätte, Fraktionsvorsitzender der SPD in der Bezirksverordnetenversammlung Mülheim und Mitglied des städtischen Seniorenbeirats.

Im Haus von Gabi Walter gab es nun bei Kaffee und Kuchen ein erstes Kennenlernen mit Cousin Friedrich Rothschädl und dessen Frau Gerda aus Diedorf. Es gab viel zu besprechen, über die Familie und die Verwandtschaft. Vieles wird trotzdem weiter mysteriös bleiben. Etwa die Frage: Warum und unter welchen Umständen wurde Franz Findler bei seinen Pflegeeltern abgegeben? Es wird, nach dem lange zurückliegenden Tod der leiblichen Eltern, für immer ein Geheimnis bleiben.
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Text und Foto: Walter Kaiser

Bürgerreporter:in:

Gabriele Walter aus Ichenhausen

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