"Auf Spätschicht" ... Bochums Polizeipräsidentin begleitet ein Team der Kriminalwache bei der Arbeit!

Einbruchsexperte Rauscher erklärt der Behördenleiterin,Polizeipräsidentin Kerstin Wittmeier die Spurensicherung mit Pinsel und Rußpulver zur Sicherung der Fingerabdrücke von Tätern! Beispielbild. | Foto: Polizei Bochum
  • Einbruchsexperte Rauscher erklärt der Behördenleiterin,Polizeipräsidentin Kerstin Wittmeier die Spurensicherung mit Pinsel und Rußpulver zur Sicherung der Fingerabdrücke von Tätern! Beispielbild.
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Polizeipräsidentin Kerstin Wittmeier begleitet eine Spätschicht der Kriminalwache - Persönliche Eindrücke

Die Kreispolizeibehörde Bochum ,zuständig für Bochum, Herne, Witten wird seit einigen Jahren geleitet von der "quirligen" Präsidentin Kerstin Wittmeier...

Ihren Schreibtisch hat Polizeipräsidentin Kerstin Wittmeier vor Kurzem gegen einen Platz im Wagen der Kriminalwache (siehe Info*)
getauscht. Sie begleitete die Einsatzkräfte der Kriminalpolizei bei
einer Spätschicht. "Ich möchte die Arbeit an der Basis noch besser verstehen und ein besseres Gefühl dafür bekommen", erläutert Kerstin
Wittmeier diese Aktion. "Ich möchte die Einsätze begleiten, die Situation vor Ort spüren und sehen und auch erleben, was täglich auf die Kolleginnen und Kollegen bei ihren Aufgaben zukommt und was das mit ihnen macht".

Wie es Kerstin Wittmeier in der Spätschicht
ergangen ist und wie sie die Einsätze wahrgenommen hat, schreibt sie in ihren persönlichen Eindrücken:

14 bis 22 Uhr heißt es vorab - eine ganz normale Spätschicht wartet auf mich. Aber was bedeutet ein normaler Spätdienst?
Das möchte ich heute sehen. Bevor es losgeht, nutze ich die Chance, mit einem Großteil der Kolleginnen und Kollegen zu sprechen. Es ist
Übergabephase:
der Frühdienst beendet die Schicht, der Spätdienst startet.

Dann geht es los.

Der erste Einsatz: ein Wohnungseinbruch in Bochum. Ich fahre gemeinsam mit einer Beamtin und einem Beamten los zum Einsatzort.

Wir treffen auf die Kollegen aus dem Wachdienst, sie waren als Erste am Tatort. Vor allem aber treffen wir auf den Betroffenen.
Der Mieter hat noch gesehen, wie der Einbrecher versucht hat, in die Nachbarwohnung einzubrechen. Ich spüre schnell, was das mit ihm gemacht haben muss.

Die Nerven liegen blank. Die Haustür ist aufgebrochen; Geld ist verschwunden, vor allem aber das Gefühl von Sicherheit. Die beiden Kollegen vor Ort sind ein gut eingespieltes
Team. Sie übernimmt die Befragung, er sichert die Spuren. Ich bin gespannt, was daraus wird. Die Ergebnisse gehen im Anschluss ihren Weg zum KK 13, dem Fachkommissariat für Wohnungseinbruchsdiebstahl.

Wir fahren wieder, auf dem Rückweg zum Präsidium kommt schon der nächste Einsatz.

Kein weiterer Wohnungseinbruch, nein, ein Todesfall mit ungeklärter Todesursache.
Fast 1.400 Mal sind die Kräfte der Kriminalwache im Jahr 2018 zu Todesfällen gerufen worden, bei denen der Notarzt das Kreuz an die Stelle "Ungeklärte Todesursache" gemacht
hat.

Die Häufigkeit erklärt sich so: Der Notarzt kennt den Verstorbenen in der Regel nicht, weiß also nicht, welche Vorgeschichte es gibt. Daher erfolgt zunächst die Einstufung "Ungeklärte Todesursache", was dann die Kriminalpolizei auf den Plan ruft.

Auf dem Weg dorthin ist mir etwas mulmig zumute. Was wird uns dorterwarten? Wir halten vor einem Einfamilienhaus. Es ist weihnachtlich
geschmückt, der Rettungswagen steht vor der Tür. Ich lese die Aufzeichnung der Kollegin:

Der Verstorbene ist nur geringfügig älter
als ich - erschreckend.

Im Haus wartet neben der Notärztin und den
Sanitätern auch die Familie. Eine Stunde lang wurde versucht, den Mann zu reanimieren, aber vergebens. Von einem Augenblick zum
nächsten verändert sich die Welt. Nichts ist mehr wie es war. Ein Ehemann, ein Vater ist nicht mehr da.

Während die Kollegin den "Tatort" aufnimmt und Gespräche mit der Notärztin und den Sanitätern führt, spricht der Kollege mit der Ehefrau.

Er fragt nach Vorerkrankungen und Ereignissen der vergangenen Wochen. Er versucht so, der Ursache auf den Grund zu gehen. In diesem Fall gab es Vorerkrankungen. Trotzdem bleibt ein
ungutes Gefühl zurück. Warum jetzt, warum so früh?

Ich fühle mich unwohl und hilflos. Wir dringen in den engsten Privatbereich dieser Familie ein, stellen Fragen und hoffen auf Antworten, zeigen Mitgefühl und brauchen doch auch Distanz. Wir
bleiben, bis der Bestatter kommt und den Verstorbenen abholt, rufen einen Seelsorger, der die Betreuung übernimmt, halten Weinen aus und die Zeit, bis es heißt, Abschied zu nehmen.

Wir lassen eine Frau zurück, die gerade ihren Mann verloren hat. Spurlos geht das nicht an
mir vorbei.

Ich fühle mich wieder ein klein wenig geerdet und Demut kommt auch auf - vor dem Leben und den kleinen Sorgen, die tatsächlich in solchen Momenten klein und unbedeutend sind.

Wir fahren zurück ins Präsidium, die Schreibarbeit wartet. Der Wohnungseinbruch will zu Papier gebracht werden, der Todesfall
ebenfalls.
Im Präsidium treffe ich auf die Kollegen eines weiteren Einsatzwagens dieser Schicht. Sie kommen gerade zurück von einem
Suizid.
Von Depressionen hören sie, es scheint keinen Ausweg gegeben zu haben, das macht einen traurig.
Ich höre auch davon, wie unterschiedlich Kulturen mit Todesfällen umgehen. Der Mann, der sich das Leben genommen hat, war ein türkischer Mitbürger. Plötzlich ist
nicht nur die engste Familie anwesend, sondern alle Verwandten. Es sei keine Seltenheit, dass sich 40 bis 50 Menschen in einer kleinen
Wohnung aufhalten. Es wird laut, es wird geweint und geklagt. Jede Kultur geht anders mit dem Tod um.

Wir aber müssen immer die gleichen
Fragen stellen, für Verständnis werben, dass noch einige Maßnahmen nötig sind.

Mir wird klar, das ist nicht leicht für die Kolleginnen und Kollegen der K-Wache und meine Achtung steigt weiter für Menschen, die täglich für uns im Dienst sind.

Ich sage Danke an alle, mit denen ich reden durfte, die mir ihre Arbeit näher gebracht haben, vor allem aber Danke für den tollen Job,den sie täglich machen.

Um 22.15 Uhr stehe ich in meinem Büro und fahre den Rechner runter.

Ich habe wieder viel gelernt, von den Menschen und dem Schicksal, von der Wichtigkeit des Polizeiberufs, vor allem aber über
das Leben. Es ist kürzer als man denkt.

Info*:
Die Kriminalwache (K-Wache) Die Kriminalwache ist ein Teil der Kriminalpolizei und rund um die Uhr besetzt.

Hier werden erste Ermittlungen durchgeführt. Dazu zählen etwa erste Zeugenvernehmungen
oder die Spurensicherung nach Einbruchsdiebstählen. Die Kriminalwache
ist hierbei die erste Anlaufstelle. Von hier aus werden die einzelnen Vorgänge nach den ersten kriminalpolizeilichen Maßnahmen in die
jeweiligen Fachkommissariate weitergegeben, wo die Ermittlungen dann im Detail fortgeführt werden.
Anmerkung:
Absätze und Hervorhebungen von Volker Dau.

Kommentar von Volker Dau:

Der Präsidentin, Kerstin Wittmeier ist zu danken für den persönlichen Erlebnisbericht wo sie eindrucksvoll und aufrichtig ihr Erlebtes und ihre Gefühle schildert!
So etwas liest man nicht alle Tage!
Es zeigt auch ihr Engagement und Interesse an der Arbeit ihrer Mitarbeiter und den Gefühlen die auch die Menschen in unserer Gesellschaft bewegen! Besonders wenn diese zum Opfer geworden sind!

Bürgerreporter:in:

Volker Dau aus Bochum

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