Alte Dorfkirchen in Hannover (Teil 2): Die Bemeroder Kapelle durfte nur 4000 Taler kosten

Die Mutterkirche der Gotteshäuser im Süden Hannovers: St. Jacobi in Kirchrode.
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  • Die Mutterkirche der Gotteshäuser im Süden Hannovers: St. Jacobi in Kirchrode.
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Sie haben so manchen schweren Sturm erlebt und wilde Zeiten überstanden: Hannovers alte Dorfkirchen – und kapellen. Drei dieser historischen Gotteshäuser aus längst vergangenen Tagen sind im Süden stehen geblieben oder zumindest in Teilen erhalten. Gebaut wurden sie, als die jetzigen Stadtteile selbstständige Dörfer weit vor den Toren der Stadt waren.

Einzig Wülferode liegt auch im 21. Jahrhundert noch weitab vom großstädtischen Getriebe und hat sich seine dörfliche Struktur bewahren können. Und inmitten des Ortes findet sich ein historisches Kleinod. Neben der Davenstedter Kapelle (siehe Bericht über Hannovers Dorfkirchen im westlichen Stadtgebiet) steht hier Hannovers einziges Gotteshaus in Fachwerkbauweise. 1983 renoviert ist es das Schmuckstück von Wülferode. „Noch heute prägen die Kapelle und die umgebenden, auf den Kirchenbau ausgerichteten Hofanlagen den Charakter des Dorfes ganz entschieden“, heißt es in der hannoverschen Denkmaltopographie. Die Experten vom niedersächsischen Institut für Denkmalschutz stellten den kleinen, rechteckigen Saalbau mit dem hohen Walmdach und dem Dachreiter obendrauf unter Denkmalschutz.

Die Kapelle von Wülferode ist schon fast 300 Jahre alt. 1756 errichtete der hannoversche Zimmermeister Blume das geshcichtsträchtige Fachwerk als Nachfolger einer seit 1483 bezeugten mittelalterlichen Kapelle. Ein Lagerbuch aus dem Jahr 1670 hat eine Beschreibung der Vorgängerin überliefert: „Die Kapelle“, so heißt es dort, „ist breit 8 ellen, 14 ellen lang, bey 5 ellen hoch bis ans tach. Hat etwas Mangel am tach und Maur auf der Ecken.“

Mit etwas Glück lassen sich ein Stückchen hinter Wülferode nahe dem Bockmerholz auf einem Acker noch Bruchstücke von Dachpfannen des 14. und 15. Jahrhunderts auflesen. Sie deckten einst die Kapelle des verschwundenen Ortes Debberode. Das Dorf gehörte wie Wülferode zu den im 10. und 11. Jahrhundert angelegten Rodungsdörfern am Kronsberg. Spätestens Anfang des 15. Jahrhunderts wurde Debberode aber für immer von seinen Bewohnern verlassen., die Höge und die Kapelle verfielen. Die Erinnerung an das kleine Gotteshaus mit dem Friedhof ringsherum aber blieb. An klaren Sonntagen sollen Spaziergänger noch die hellen Glocken der Kapelle hören können“, erzählt eine Sage aus Laatzen. Und auf einer Karte aus dem Jahr 1835 knicken die eingezeichneten Wege ein Stückchen vor der früheren Kapelle ab. Vielleicht vermuteten die Bauern auf dem verlassenen Friedhof Geister und Spukgestalten und machten deshalb um dieses Gelände lieber einen großen Bogen.
Gibt es von der Kapelle von Deberode immerhin noch Reste im Erdboden, so findet sich von der einstigen Mini-Kirche am Südrand der Seelhorst keine Spuren mehr. Nur Hinweise in alten Urkunden lassen den Schluss zu, dass im längst untergegangenen Dorf Süßerode einstmals Kirchenglocken geläutet haben. Noch lange Zeit später gehörten Teile der ehemaligen Feldmark von Süßerode der Pfarre in Kirchrode.

Etwas abseits liegt die zur evangelischen St. Johannis-Gemeinde gehörende Kapelle von Bemerode. Bemerode war Bestandteil des Kirchspiels Kirchrode und erhielt um 1300 eine eigene Kapelle. 1321 ist von einem Kirchhof zu Bevingerode die Rede. Doch 1815 wurde das Fachwerkgebäude außer Dienst gestellt und schließlich 1825 abgebrochen. Fast 50 Jahre sollte es dauern, bis ein neues Gotteshaus errichtet wurde. Es ist dann ein bescheidenes Kirchlein geworden, das der Architekt Wilhelm Lühr in den Jahren 1866/67 als Nachfolger errichtete. Denn die Bemerode Gemeinde war knapp bei Kasse. Mehr als 4000 Taler standen für den Neubau nicht bereit. Trotzdem wurde die Kapelle ein „beachtenswertes Beispiel für die Architektur der hannoverschen Schule“, wie es in den Denkmaltopographie heißt.

Mutterkirche der Kapellen rund um den Kronsberg war St. Jacobi in Kirchrode, deren Ursprung wohl im 12. Jahrhundert zu suchen ist. Aus der Zeit um 1337 stammt vermutlich der quadratische Turm. Seine wuchtigen Bruchsteinmauern vermitteln einen trutzigen und wehrhaften Eindruck. Deshalb wurde der mittelalterliche Recke in der heimatkundlichen Literatur hier und da auch schon einmal zu einem Wehrturm gemacht.

Vor etwa 200 Jahren hatten die alten Kirchröder von ihrer bisherigen Kirche genug. Sie beauftragten den Zimmermeister Rahlfs und den Tischlermeister Lauber mit dem Bau eines neuen Kirchenschiffs. Nur den dicken Turm der alten Kirche ließen sie stehen. Zwischen 1782 und 1884 entstand der jetzt noch als Mittelpunkt von Kirchrode herrschende Saalbau. 4500 Taler sollen die Baumaßnahmen gekostet haben. Das Kirchenschiff wurde wie der alte Turm aus Bruchsteinen errichtet. Allerdings versteckten die Kirchröder dann die schweren Steine unter Putz.

Ebenfalls bis in das Mittelalter lässt sich der Turm von St. Petri in Döhren zurückverfolgen. Er ist einer der letzten Zeugen des über 1000 Jahre alten Ortes. 1320 ist von einem „Kercklen to Dorende“ die Rede, aber bereits am 15. Juni 1267 wird im Rahmen einer Schenkung ein gewisser Heinrich, Priester in Döhren, genannt. Vielleicht entstand die dem Petrus (der ist ja in der christlichen Mythologie für das Wetter verantwortlich) in der Nähe eines alten germanischen Heiligtums. Der Name „Wiehberg“ - ursprünglich ein im 19. Jahrhundert abgetragener Sandberg zwischen Döhren und Wülfel – soll jedenfalls „Heiliger Berg“ bedeuten.
Wahrscheinlich stammt der Kirchturm von St. Petri aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. Zu jener Zeit ragte er jedoch noch nicht so hoch in den Himmel. Erst in den Jahren 1913 und 1914 wurde der Turm um neun Meter erhöht (wohl auch, um den Turm der katholischen St. Bernwardkirche zu übertrumpfen) und bekam auch neue Glocken.

„Als die große Glocke damals bis zur Höhe des Glockenstuhles hochgebracht worden war, riss das Tau, welches zum Auffinden benutzt worden war. Die Glocke stürzte in die Tiefe und schlug dabei ais dem Fundament des Turmes ein Stückchen Mauerwerk heraus „, notierte Pastor Ernst Wehr, der von 1896 bis 1934 in Döhren wirkte. Spuren des Unglücks sind heute immer noch am Turm zu erkennen.

Der Zweite Weltkrieg ließ von der alten Döhrener Dorfkirche nur den schlanken Turmübrig. Im September und Oktober 1943 brannten Bomben das Kirchenschiff nieder. Es war nicht das erste Mal, dass der Krieg an den Mauern von St. Petri rüttelte. Schon um 1490 während der Hildesheimer Stiftsfehde wurde die Kirche zerstört und im 30jährigen Krieg dann sogar zweimal beschädigt. Dank vieler Spenden der lutherischen Kirche in Amerika konnte 1949 das heutige , in seiner Schlichtheit besonders schöne, Gotteshaus geweiht werden.

Die Döhrener Kirche besaß zwei Filialen. Außerhalb der Stadtgrenze von Hannover war einst die Kapelle von Alt-Laatzen nach Döhren eingepfarrt. Blieb die wertvolle Kapelle in der heutigen Nachbarstadt der Nachwelt erhalten, so hatten die Wülfeler weniger Glück. Die mittelalterliche Kapelle an der alten Wilkenburger Straße am Rand der Leineaue diente zuletzt als Unterkunft für die Spritze der Freiwilligen Feuerwehr Wülfel. 1916 brachen Bauarbeiter dann das Kirchlein ab. Das Grundstück wurde für irdische Zwecke benötigt. Eine Munitionsfabrik trat die Nachfolge an. Nur die Glocke der Kapelle wurde gerettet und in das damalige Provinzialmuseum gebracht.

Hier geht es zu Teil 3: Dorfkirchen im Osten und Norden von Hannover

Hier geht es zu Teil 1 des Berichtes: Dorfkirchen im Westen von Hannover  
Bürgerreporter:in:

Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld

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