R.F. Myller Archäologe/ die Rede von Günter Schmidt zu meiner 100. Ausstellung

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Frank Myller :Archäologe

Künstler sind Fremdenführer.

Sie führen uns zu uns selbst.
Jeder Künstler trägt mit dazu bei, dass wir den unbekannten Kontinent, der wir sind, etwas besser kennenlernen.
Künstler haben wir so nötig wie die Luft zum Atmen, das Wasser zum Trinken.
Ohne Künstler wüssten wir wenig über uns selbst und wüssten kaum in welcher Welt wir leben.

„Meine Wege“ lautet der Titel dieser Ausstellung. Eine Suchbewegung. Da macht sich jemand auf, mit leichtem oder schweren Gepäck, das wird sich zeigen, und sucht sich zu erkunden.
Das tut er auf vielfältige Art und Weise. Wir sehen seine Spurensuche in Radierungen, Holzschnitten,Graphiken und Gemälden.
Wir können sehen, da sucht sich jemand zu erkunden, woher er kommt. Und das kann dauern. Da schaut jemand wo er steht, wer mit ihm ist und wer ihm vielleicht helfen kann auf dem Weg zu sich selbst.

Bevor man nicht ein Minimum an Selbsterkenntnis gewonnen hat, hat man keinen Schritt zu sich selbst getan . Bleibt so gefährdet, nutzbar, benutzbar, tappt in die Fallen die der Alltag uns stellt.

Die Malerei ist so ein offenes Buch der Geschichte. Bilder können Geschichte vermitteln, sie können ganze Epochen oder Ereignisse in einem Bild zusammenfassen.
Ich erinnere an den Kniefall von Willy Brandt im Warschauer Ghetto, an das Bild „Floß der Medusa“von Guericault, an Picasso`s „Guernica“.

Die Malerei ist auch eine Sprache die man erlernen muß, um sie dann in die eigenen Worte zu transportieren. Man wird nicht alles zur Sprache bringen, was Bild geworden ist, aber das Bewusstsein davon, dass es Dinge gibt, die wir nicht in Wort fassen können schützt uns vor den flinken Erklärungen die uns nur stumm machen wollen.

Und in den Übermalungen von Frank Myller können wir unsere Geschichte und unsere Alltagsgeschichte wiederfinden. Was ist noch benennbar, was ist noch erkennbar, was droht dem Vergessen anheimzufallen.

Malen sagt Leonardo ist höchste intellektuelle Analyse.
Das schließt den Schritt zu sich selbst mit ein und zu dem Ort von dem man aufgebrochen ist .
Frank Myller erkundet Landschaften, Städte, Schul-und Arbeitswege, und er erkundet die Geschichten von Landschaften, Städten, Menschen.
Frank Myller ist der Archäologe unter den Malern.
Was er zutage fördert geht uns etwas an.
Was wir im Alltag, der uns fordert, vergessen, wegschieben, übersehen,das bringt uns Frank mit seinen Arbeiten wieder vor Augen.

Unser Alltag ist der Resonanzboden der Kunst.
Und kein Gedanke erhellt die Tätigkeit von Frank Myller mehr als der Gedanke den Ernst Bloch von Thomas Müntzer aufbewahrt hat, das wir uns selbst aufklären und belehren müssen, damit wir uns nicht länger an fremde Dinge verschenken.
Die Spuren, die Gesten, die Erfahrungen des Alltags klingen in der Kunst nach, bilden ihren Grundton.

Frank Myller hat sich auf vielfältige Art belehren und unterrichten lassen.
Er hat sich bei Malerkollegen umgesehen. Er hat in das Buch der Geschichte gesehen.
Er hat unseren Alltag genau betrachtet.
Und so erkennen wir auch, warum wir ins Museum gehen, warum wir Bilder betrachten.Wir suchen Erkenntnis über uns selbst, unsere Zeit, unser Leben.

Wenn Frank Myller es vermag, dass wir uns in seinen Arbeiten, in seinem Werk erkennen, dann wird in seiner Arbeit mehr deutlich als eine individuelle Handlung oder Stil.
Es wird eine Erkenntnisarbeit deutlich. Wir können mit seiner Arbeit deutlicher erkennen, woher wir kommen, was uns beglückt, was uns gezeichnet hat, positiv oder negativ.

Was Frank so in seinem Werk erarbeitet ist eine Art Wiedergewinnung von eigener Erinnerung. Dem liegt ein Grundton zugrunde, die stille Hoffnung, das die Dinge die negativ sind, sich nicht wiederholen und er hofft, das die Dinge, die schützenswert sind ,erhalten bleiben können.
Das ist Aufklärungsarbeit die jede Generation neu leisten muß, wenn sie nicht in die Fallen der einfachen Lösungen tappen will.

Der Maler Frank Myller ist ein Künstler, der Stellungnahmen zu aktuellen Problemen nicht ausweicht. Vertreibung und Flucht nur biographisch zu erklären täte ihm Unrecht. Das seine Mutter nach dem Krieg aus Westpreußen fliehen musste ist für Frank auch ein Anlass erneut über Krieg, Flucht und Vertreibung nachzudenken. Das vergangene und gegenwärtige Leid wird so von Frank vor dem Vergessen bewahrt Was wäre das auch für ein Künstler der hier ausweichen würde.

Deutsche Geschichte und deutsche Gegenwartsgeschichte lassen es nicht zu, wegzuschauen. Da schaut Frank genau hin. Das hält er aus. Lampedusa z.B. ist für ihn ein Symbol für eine Gesellschaft, die hier ihre Haltung revidieren muss

Doch dieser Konflikt, diese Spannung frisst Frank nicht auf. Er hält das aus , nicht zuletzt deshalb, weil Frank sich ganz genau geerdet hat.Der Bezug zum Alltag und zu dem was ihn auch trägt—seine Frau Nicole und seine Tochter Amelie —sind selbstverständlicher Bestandteil seiner Arbeit . So kann er Grundlagenforschung betreiben und sich intensiver und nachdrücklicher der Malerei widmen.

Die Malerei hat eine eigene Sprache. Sie will mehr sein, als nur ein Mittel für einen bestimmten Zweck. Sie will nicht nur ein Nutzen für etwas sein, sondern für sich selbst wahrgenommen werden.

Frank hat das sehr berührend, ja großartig geleistet in seinen Strandbilder, in seinen Bildern von der Insel Poel und besonders als er „die Rigi“ malte.
Die Rigi ist eine Berggruppe in der Schweiz. Turner hat sie gemalt. Für Turner war die elementare Grundlage der Malerei Licht und Farbe. Und er hat sich nicht darum gekümmert, ob das von seinen Zeitgenossen auch gesehen werden konnte.
Alle Künstler kennen nur ein Thema: Geh´Deinen Weg“.
Und wenn uns etwas als besonders gelungen erscheint, so ist es der eigene Weg eines Künstlers, der immer deutlicher für ihn wird, bis ihn nichts anderes mehr interessiert, als seinen Weg zu finden.

Frank ist seinen Weg gegangen und er hat ihn bis zum „Rigi“ geführt. Frank hat sich hier den Grundlagen der Malerei erneut zugewandt und hat ein Gemälde komponiert, das ein Fest der Malerei darstellt, weil es die Farbe wieder zu sich selbst führt.

Die durchschnittliche Betrachtungsdauer für ein Bild beträgt 11 Sekunden. Das ist ein Zeitraum den wir deutlich überschreiten sollten.
Ein Bild erschließt sich uns nicht mit einem Blick. Was es tut, ist, das es uns gefangen nimmt, das etwas in uns anklingt, was unerkannt in uns ruht . Dann sollten wir innehalten. Wir sollten ganz achtsam sein und dieser Spur folgen, die von diesem Bild gelegt worden ist.
Bilder evozieren Bilder. Es werden durch Bilder Bilder in uns frei, die wieder Gestalt gewinnen. So entsteht ein imaginäres Museum. Bilder die wir suchen und immer wieder suchen. Und Bilder deren wir uns erwehren müssen, weil sie uns beherrschen wollen.

Bilder wollen nicht stumm betrachtet werden. Sie wollen uns reden machen. Sie wollen das wir ein Gespräch beginnen.
Große Kunst ist dialogisch, lädt ein zum Gespräch, mit uns selbst, mit unseren Nächsten.Nur im Austausch mit anderen Menschen entkommen wir einer Wirklichkeit, die keine andere Wirklichkeit mehr zuläßt.
Frank Myller hat nicht weniger getan als das was J.v.Eichendorff in seinem Gedicht “Wünschelrute“ ausgesprochen hat
„Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst Du nur das Zauberwort.“
G.Schmidt,14.1.2014

Foto: Bild: Lina Krivoshieva
Foto: Bild: Lina Krivoshieva
Bürgerreporter:in:

R.F. Myller aus Hannover-List-Oststadt

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