Eine Radtour entlang der Ihme – von deren Beginn bei Evestorf bis zur Mündung in die Leine

Erst in Hannover, versorgt mit Leinewasser über den Schnellen Graben, macht sich die Ihme breit.
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  • Erst in Hannover, versorgt mit Leinewasser über den Schnellen Graben, macht sich die Ihme breit.
  • hochgeladen von Kurt Wolter

Die Ihme ist ein kleines Flüsschen. Naja, auf dem Großteil ihres Verlaufs eigentlich nicht viel mehr als ein etwas größerer Bach. Bei Evestorf, im nördlichen Vorland des Deisters, nimmt sie ihren Anfang. Dort treffen der Wennigser Mühlbach und der Bredenbecker Bach zusammen, die ihr Wasser auf den sanften Hängen des kleinen Mittelgebirges sammeln und vereinigen sich zur Ihme. An den Dörfern Vörie und Ihme-Roloven vorbei erreicht sie Hemmingen-Westerfeld und damit Hannover. Sie plätschert als Beeke durch Ricklingen, nimmt am Maschsee durch den Schnellen Graben jede Menge Wasser der Leine auf, so dass sie nun tatsächlich zum Fluss wird und erreicht Linden. Und dort, nach gut 16 Kilometern, trifft sie am Fährmannseck mit der kleineren Leine zusammen und wird dadurch zur Leine, die an Herrenhausen vorbei Hannover durch die nördliche Masch verlässt.

Die Ihme ist also nur ein unbedeutendes Flüsschen. Und trotzdem ist sie für die Landeshauptstadt wichtig, denn ohne sie würde so mancher Hannoveraner nasse Füße bekommen. Da sie am Maschsee den Großteil des Leinewassers aufnimmt und dieses um die Innenstadt herumführt, droht bei den immer wieder auftretenden Hochwassern in der City kein Land unter. Aber auch im lokalen Bereich außerhalb Hannovers bis zum Deister hin ist sie wichtig, zumindest für die Natur. War sie in früheren Zeiten, nachdem sie vor etwa 100 Jahren begradigt wurde und während der Flurbereinigung um 1980 der Entwässerung von Kläranlagen und der Weetzener Zuckerfabrik diente, ein fast toter Bach, so wurde das Mitte der neunziger Jahre anders. Mit der Renaturierung der Ihme wurde begonnen, und das steht ihr äußerst gut zu Gesicht. So ist sie in vielen Bereichen ihres Laufes heute wieder zu einem naturnahen Bach mit scheinbar sauberem Wasser geworden. Doch vermutlich wird auch sie durch die Pestizide der Landwirtschaft stark verunreinigt sein. Trotzdem bietet sie Lebensraum für verschiedenste Tierarten. Für Fische, Amphibien, Vögel und inzwischen auch wieder für den Biber. Und gerade in der heutigen Zeit ist es wichtig, die Sünden der Flurbereinigung zumindest zum Teil wieder rückgängig zu machen. Gerade weil durch den Menschen immer mehr Landschaft versiegelt wird, ist es für die Biodiversität gut, wenn als Ausgleich naturnahe Gebiete geschaffen werden. Überall in Deutschland geschieht das inzwischen. Zwar sind es nur relativ kleine Gebiete. Doch sie tragen zum Überleben so mancher Tier-und Pflanzenart bei.

Wohl nur wenige Hannoveraner wissen überhaupt, wo die Ihme herkommt und wo sie verläuft. Wir haben uns deswegen an diesem Schönwettertag zu einer Radtour entschlossen, die ihrem Lauf vom Beginn bis zur Mündung folgen soll. Dazu starten wir unsere Tour am Maschsee und radeln zunächst durch Feld und Flur und kleine Orte zum Deister, einen etwa 20 Kilometer langen Höhenzug südwestlich Hannovers.
Nachdem wir uns in Wennigsen die schöne Klosteranlage angeschaut haben, deren Ursprünge rund 800 Jahre zurückreichen und in Bredenbeck einen Blick auf das Rittergut der Knigges geworfen haben, in dem einst der berühmte Baron geboren wurde, der Schriftsteller und Aufklärer war und der die bekannten Benimmregeln aufgestellt hat, stehen wir bei Evestorf vor einem großen Felsblock aus Deistersandstein, dem „Ihmestein“. Er weist darauf hin, dass an dieser Stelle die Ihme ihren Anfang nimmt. Von Westen her kommt der Wennigser Mühlbach, von Süden der Bredenbecker Bach. Unter dem Felsblock treffen sie in spitzem Winkel zusammen und bilden von nun an den Ihme-Bach.

Über Holtensen und ein Stück am Holtenser Bach entlang, erreichen wir durch flache Feldlandschaft mit Blick auf den Vörier Berg, an dessen Osthang das besonders schöne Dorf Lüdersen liegt, den kleinen Ort Vörie. Ein Stück an der Straße nach Weetzen entlang, bis hinter die ehemalige Wassermühle, unter der hindurch bis vor wenigen Jahren ein Teil des Ihmewassers geleitet wurde, dann trifft man wieder auf die Ihme.

In diesem Bereich der Ihmeaue hat sich seit Jahren eine ganz besondere Landschaft entwickelt. Zum einen sind es die Stapelteiche, die einst zum Waschen der Zurckerrüben der Weetzener Zuckerfabrik dienten. Sie haben sich in den letzten Jahrzehnten zu einer eindrucksvollen Natur entwickelt. Von einem Beobachtungsstand kann man einen Teil der Teichlandschaften überschauen. Es ist ein Paradies für Wasservögel. Immer mal wieder kann man dort neben den üblichen Wasservögeln Grau- und Silberreiher auch so manche selte Art beobachten. Verschiedene Wattvögel, die auf der Durchreise sind und die im Flachwasser auf der Suche nach Nahrung umherstolzieren, oder mit Glück auch den Eisvogel.
Am Teich mit seinem sumpfigen Gelände davor, kann man andere Tiere beobachten, die bedeutend größer sind und die bis zu 500 Kilo wiegen können. Es sind Wasserbüffel, die 2012 in diesem Ihme-Abschnitt angesiedelt wurden. Nachdem man festgestellt hatte, dass die Artenvielfalt verschiedenster Lebewesen durch Beweidung besser erhalten werden kann, wurde dieses Projekt auf den Feuchtwiesen in Angriff genommen. Etwa 30 der gutmütigen Büffel sind es, die sich an den verschiedenen Bachbereichen wohlfühlen dürfen. An heißen Sommertagen sieht man sie manchmal im Wasser eines Teiches stehen, in dem sie sich abkühlen. Ein Bild, das eigentlich eher nach Afrika oder Indien passen würde, wirkt es doch exotisch. In einem anderen Bereich können sie auch den Bachlauf betreten. (Siehe auch: Wasserbüffel an der Ihme) Bei der Weiterfahrt kommen wir in Vörie an der mächtigen etwa 850 Jahre alten Eiche vorbei, die auch das Wappen des Ortes ziert. Ihr Stammumfang beträgt siebeneinhalb Meter. Im Jahr 2014 schlug der Blitz in den Baum ein, und er brannte innen lichterloh. Doch er scheint das Feuer einigermaßen gut überstanden zu haben, vermittelt er doch zumindest äußerlich einen gesunden Eindruck.

Von Vörie strampeln wir gemütlich, die Stapelteiche links liegen lassend, auf schnurgerader kleiner Straße, auf der einem nur selten ein Auto begegnet, weiter. An diesem Streckenabschnitt muss ich an meine Kindheit denken, denn hier stehen am Straßenrand noch die alten Holzmasten mit den überirdischen Elektroleitungen. Das hat irgendwie nostalgischen Charme, den der fünfziger und sechziger Jahre.
Am kleinen Dorffriedhof vorbei, erreichen wir den nächsten Ort, dem die Ihme sogar ihrem Namen gegeben hat. Es ist das langgestreckte Ihme-Roloven. Sehenswert ist dort das Bettenser Gut mit seinen schönen alten Gebäuden und dem Wassergraben, dass einst aus einer Wasserburg hervorgegangen ist.
Ein Stück weiter kommen wir an der Bettenser Mühle vorbei. Ein Felsblock mit Inschrift und ein alter Mahlstein weisen auf die ehemalige Wassermühle hin. Sie gehörte einst zu einem kleinen Dorf, das irgendwann aufgegeben wurde und das längst verschwunden ist.
Nachdem wir am Ronnenberger Holz die Ihme erneut überquert haben, kommen wir, Ihme-Roloven rechts liegen lassend (man kann natürlich auch den Ort mit seinen schönen Häusern und einer kleinen Kapelle durchradeln), zur nächsten ehemaligen Wassermühle, der Kückenmühle, die es schon vor 700 Jahren gab und die damals dem Ritter Knigge gehörte. In diesem Bereich der Ihme wurde seit der Jahrtausendwende das Bachbett renaturiert. Ein zweiter, geschwungener Gewässerarm mit unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten wurde angelegt, in dem sich der Bach natürlich entwickeln kann. Verschiedenste Tiere sind dort inzwischen heimisch geworden, an Land und im Wasser.

Weiter geht es nun ein Stück direkt an der Ihme entlang durch schöne Natur. Danach am kleinen Wäldchen Loydbrunnen vorbei, in dem es früher eine Mineralquelle gab, die angezapft wurde. Kurz vor Devese biegen wir nach links in die Feldmark ab, um wieder auf die Ihme zu treffen und sie zu überqueren. Wir kommen am Wettberger Holz vorbei, erreichen den gleichnamigen Ort und damit Hannover und gelangen schließlich nach Hemmingen-Westerfeld, wo der kleine Hirtenbach in die Ihme mündet.
Nach Überquerung der verkehrsreichen B6 wird es für den Rest der Strecke wieder ruhig. Zunächst im Ricklinger Holz, wo die Ihme Beeke genannt wird. Dort, in ihrem unzugänglichen Bereich, hat sich inzwischen, wie an so vielen Bächen dieser Gegend, der Biber angesiedelt. Manchmal trifft man auf Hinweise in der Landschaft auf dieses große Nagetier.
In Ricklingen fließt die Ihme parallel zum Deich entlang. Dort am Düsterntor, das bei starken Hochwassern geschlossen werden muss und von wo man dann einen eindrucksvollen Blick über das großflächig überschwemmte Gebiet hat, geht´s auf den Deich hinauf. Links liegt Ricklingen mit der Michaelis-Kirche, rechts das Naturgebiet des ehemaligen Wassergewinnungsgeländes zum Maschsee hin, das sich in den letzten Jahrzehnten zu einem fast unberührten Biotop entwickelt hat. Dort darf sich die Natur völlig frei entfalten, die aus dichten Auwaldgehölzen, Teichen, Gräben und Röhrichten besteht. (Ein Urwald im Herzen Hannovers - Das ehemalige Wassergewinnungsgelände hinter dem Maschsee)

Nachdem wir den Deich verlassen haben und in die Senke des Ihmetals hinunter geradelt sind, unterqueren wir die Bahnlinie zum Deister und treffen gleich darauf auf eine zweite Eisenbahnbrücke. Über den Ohedamm, dessen Verlängerung auf der anderen Seite des Maschsees der Altenbekener Damm ist, führte einmal, als es den See noch nicht gab, die Bahnstrecke nach Altenbeken im Teutoburger Wald. Im Gegensatz zu der vorerst passierten modernen und gerade sanierten Brücke, besteht diese noch aus der alten Stahlkonstruktion. Heute dient sie nur noch Fußgängern und Radfahrern.
Gleich darauf verändert die kleine Ihme vollkommen ihr Bild. Sie wird nun tatsächlich zu einem Fluss. Von rechts, vom Maschsee her, kommt der Schnelle Graben. Er führt den größten Teil des Wassers der Leine, die durch die Innenstadt fließt, der Ihme zu. So wird vermieden, dass der Innenstadtbereich bei Hochwassern überflutet wird. Das Leinewasser wird in der breiten Senke des Ihmetals, das jede Menge Wasser aufnehmen kann, an der Innenstadt vorbei geführt.

Vorbei am Stadion von 96 und dem Schützenplatz erreichen wir, nun immer weiter am Fluss und im Grünen radelnd, die Bausünden der siebziger Jahre, das gigantische Ihmezentrum. Auf einem längeren Abschnitt der Ihme wurden dort vor einigen Jahren gegen den Protest einiger Bürger, große Uferbereiche ausgebaggert und tiefer gelegt. Sie können bei den nicht seltenen Leinehochwassern viel zusätzliches Wasser aufnehmen. Gleich nach ihrer Fertigstellung im Jahr 2013 konnten sie sich bewähren. Die Bilder zeigen es. Inzwischen ist diese Landschaft aber sehr beliebt, bietet sie sich doch zur Freizeitgestaltung an und wird viel genutzt.

In Linden-Nord befindet sich die Ihme auf ihren letzten Metern. Vorbei an den drei himmelhohen Türmen des Heizkraftwerkes, erreicht sie und auch wir das Leinedreieck, auch Fährmannseck genannt. Dort, wo man es sich im Liegestuhl der Bar „Strandleben“ mit Wasserblick bequem machen kann, kommt von rechts die kleinere Leine dazu, so dass sich beide Flüsse wieder zu einem vereinigen. Damit muss die Ihme ihren Namen hergeben und wird nun zur Leine, die zwischen Limmer und Herrenhausen in vielen Mäandern durch die nördliche Leineaue fließt.

Und wer noch keine müden Beine hat, der kann der Leine noch weiter folgen. Zum Beispiel bis zum Kloster Marienwerder mit dem Hinüberschen Garten oder sogar Richtung Steinhuder Meer. Doch am Fährmannseck, wo die Ihme endet, möchte auch ich mit dieser Tourenbeschreibung enden. Es ist eine schöne Strecke gewesen, die ich immer mal wieder gern fahre. Gerade mit den Weetzener Stapelteichen und den Wasserbüffeln bei Vörie, ist sie ein attraktives Ziel. Allerdings nur eines von vielen rund um Hannover herum. Und die kann man am besten mit dem Fahrrad erkunden.

Siehe auch: - Parkanlagen und Grüngebiete in und um Hannover

                    - Die Restaurierung des historischen Leinewehrs am Maschsee ist abgeschlossen

                    - Hochwasser an der Leine - zwischen Sarstedt und Hannover
 
                    - Die Leine im Großraum Hannover
                   

Bürgerreporter:in:

Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode

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