Fotografie und Recht: Wann ist Kunst bleibend?

Vorsicht bei dem Workflow nach der Aufnahme. Bei bearbeiteten Bildern kann es mit der Panoramafreiheit kritsich werden.
  • Vorsicht bei dem Workflow nach der Aufnahme. Bei bearbeiteten Bildern kann es mit der Panoramafreiheit kritsich werden.
  • hochgeladen von Jens Schade

Im heutigen Beitrag zum Thema „Fotografie und Recht“ geht es noch einmal um die Panoramafreiheit. Zentraler Begriff ist diesmal das Tatbestandsmerkmal „bleibend“ und die Bildbearbeitung am Computer.

Nach § 59 des bundesdeutschen Urheberrechtsgesetzes (UrhG) ist die durch Lichtbilder erfolgende Vervielfältigung (im Normaldeutsch heißt das „Fotografieren“), die Verbreitung und die öffentliche Wiedergabe von künstlerischen Werken Dritter zulässig ist, wenn sich diese Werke bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden. Das nennt der Jurist „Panoramafreiheit“. Im Rahmen früherer Beiträge zum Thema „Fotografie und Recht“ bei myheimat habe ich ja schon mehrmals etwas zu diesem Rechtsgrundsatz gesagt und auch auf die Fallstricke hingewiesen, in die man sich bei einer Veröffentlichung unserer Fotos von fremden Werken trotz dieses Gesetzes leicht verheddern kann. Im Internet bin ich jetzt auf eine ungefähr ein Jahr alte Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Köln vom 9. März 2012 (Az.: -6 U 193/11) gestoßen. Das habe ich zum Anlass genommen, mich noch einmal vertiefend mit einem Aspekt der Panoramafreiheit zu beschäftigen. Diese Gedanken sollen den myheimat-Usern nicht vorenthalten werden.

Worüber hatten nun die OLG-Richter zu urteilen? Ein freischaffender Künstler hatte die Gerichte angerufen. Er ist auf dem Gebiet der Bildhauerei, Aktions- und Konzeptkunst tätig und hat an einem Haus den Schriftzug "Liebe deine Stadt“ installiert. Es kam wie es kommen musste. Ein Fotograf befand Haus und Schriftzug nicht nur einer Aufnahme wert, nein, das fertige Bild fand auch auf „Bildtafeln“ (wie das Gericht es nennt) Eingang, die verkauft wurden. Das störte nun wiederum unseren Künstler, der seine Schriftzuginstallation als Kunstwerk ansah und eine Verletzung seines darauf ruhenden Urheberrechts geltend machte. Er strengte eine einstweilige Verfügung gegen den Vertrieb dieser Fotos an.

In dem reinen Abfotografieren des „Werkes“ und der Verbreitung entsprechender Bilder sahen die Richter indes keine Urheberrechtsverletzung. Allerdings, ein Kunstwerk war die Installation nach Ansicht der Richter schon. „Aus den zutreffenden Gründen des erstinstanzlichen Urteils handelt es sich bei der Schriftzuginstallation um ein eigenschöpferisches Werk der – zweckfreien – bildenden Kunst im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG, wobei der Beurteilung – wovon ersichtlich auch das Landgericht ausgegangen ist – nicht der Schriftzug "Liebe deine Stadt" als solcher, sondern die Installation in ihrer konkreten Form und Gestalt an einer bestimmten Stelle der Stadt L. zu Grunde zu legen ist. Die Installation stellt sich als Verkörperung einer kreativen Leistung des Antragstellers – der seine Urheberschaft hinreichend glaubhaft gemacht hat – nicht zuletzt wegen der damit hergestellten Verbindung von inhaltlicher Aussage, reklamehafter Gestaltung und städtebaulicher Umgebung dar“, heißt es in den Urteilsgründen. Wir lernen daraus: Der Begriff des (Kunst-)Werks ist sehr weitgehend und als Fotograf sollte man im Zweifel erst einmal davon ausgehen, dass man Kunst vor der Linse hat (auch wenn das eigene Kunstverständnis vielleicht nachhaltig dagegen Protest erhebt).

Was aber zugunsten des Fotografen bzw. des Bildverkäufers sprach waraber eben § 59 UrhG mit seiner Panoramafreiheit. Diese Vorschrift kannte allerdings auch der klagende Künstler. Er setzte in seiner juristischen Argumentation bei einer Tatbestandsvoraussetzung an, die seiner Ansicht nach nicht vorlag und damit die Panoramafreiheit ausschloss. In diesem Fall wurde nicht darum gestritten, ob das Kunstwerk nun an öffentlichen Wegen stand und auch die Frage des Kamerastandortes (siehe dazu meine früheren Beiträge zum Thema) hatte hier keine Bedeutung. Die Parteien stritten in diesem Fall über das Merkmal „bleibend“. Wir erinnern uns. Nur auf Dauer an öffentlichen Plätzen aufgestellte Kunstwerke dürfen fotografiert und ungestraft in der Bundesrepublik veröffentlicht werden. Als Besucher in einer fremden Stadt kann man da ganz schön schnell mit dem Gesetz in Konflikt kommen. Etwa wenn in einer Fußgängerzone aufgestellte Skulpturen fotografiert und dieser Bilder dann veröffentlicht werden ohne zu wissen, dass es sich nur um eine Ausstellung von Kunstwerken von kurzer Dauer handelte. Schwups, schon greift die Panoramafreiheit nicht und Ärger ist vorprogramiert.

Und so war unser Künstler dann auch der Meinung, sein Kunstwerk (der Schriftzug am Haus) sei nicht bleibend angebracht. Irgendwann einmal sollte er wieder entfernt werden. Mit diesem Argument hatte er jedoch beim OLG Köln kein Glück. Nach Ansicht der Richter handelte es sich bei seinem Kunstobjekt um ein bleibendes Kunstwerk: „Die Schriftzuginstallation des Antragstellers befindet sich in diesem Sinne "bleibend" im öffentlichen Raum. Für die Auslegung dieses Merkmals ist nicht allein auf die Widmung des Verfügungsberechtigten und seinen Willen abzustellen, das Werk zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt wieder fortzuschaffen“, ist im Urteil nachzulesen. Die Widmung des Urhebers allein ist danach für die Frage, wann ist ein Werk bleibend aufgestellt, nicht maßgeblich. Es gehe nicht an, etwa bei einem Denkmal nur deshalb das Merkmal "bleibend” zu verneinen, weil sich der Urheber eine Zerstörung des Denkmals nach Jahrzehnten vorbehalten habe. Werde allein auf die subjektive Bestimmung des Berechtigten abgestellt, hätte es dieser in der Hand, sich durch eine entsprechende Absichtserklärung vor der nach § 59 UrhG privilegierten Nutzung seines Werks zu schützen. Für eine sachgerechte Abgrenzung kommt es nach dem Urteil vielmehr auf den Zweck an, zu dem das geschützte Werk an dem öffentlichen Ort aufgestellt worden ist. Maßgeblich ist danach, ob die mit Zustimmung des Berechtigten erfolgte Aufstellung oder Errichtung eines geschützten Werks an einem öffentlichen Ort der Werkpräsentation im Sinne einer Ausstellung diene, wobei der gesetzlichen Regelung allerdings die Vorstellung einer zeitlich befristeten Ausstellung, nicht einer Dauerausstellung zu Grunde liege. Das OLG Köln: „Solche Ausstellungen würden üblicherweise in Wochen und Monaten, nicht dagegen in Jahren bemessen.“ Und weiter: „Bei Anwendung dieser Maßstäbe kann hier – unabhängig von den Absichten des Antragstellers, der jeweils nur für ein oder mehrere Jahre erteilten Zustimmung des Hauseigentümers und der Art und Weise der Installation – ein "bleibend" im öffentlichen Raum befindliches Werk nicht verneint werden. Die Installation befindet sich seit inzwischen fünf Jahren am selben Ort, was über die übliche Dauer einer zeitlich befristeten Ausstellung weit hinausgeht.“ Vorläufiges Ergebnis: Es greift bei der Schriftinstallation erst einmal die Panoramafreiheit.

Das Tatbestandsmerkmal „bleibend“ war auch in einem anderen Fall umstritten, den sogar in letzter Instanz der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entscheiden musste. In der Sache I ZR 102/99 (Urteil vom 24.01.2002) ging es um den vom Künstlerehepaar Christo verhüllten Reichstag in Berlin. Das in Planen eingepackten Gebäude wurde fotografiert und vom Foto dann Postkarten gedruckt. Geht nicht ohne Einwilligung des Verpackungskünstlers, meinten die Karlsruher Richter. Der BGH stand auch hier (wie schon in frühere geschilderten Fällen) eindeutig auf Seiten der Künstler und nicht hinter den Interessen von uns Fotografen. § 59 UrhG sei, wie alle auf der Sozialbindung des geistigen Eigentums beruhenden Schrankenbestimmungen der §§ 45 ff. UrhG grundsätzlich eng auszulegen, sagten die Karlsruher Juristen. Dies habe, so der BGH weiter, seinen Grund weniger darin, dass Ausnahmevorschriften generell eng auszulegen wären, sondern beruhe darauf, dass der Urheber an der wirtschaftlichen Nutzung seiner Werke tunlichst angemessen zu beteiligen ist und daher die ihm hinsichtlich der Werkverwertung zustehenden Ausschließlichkeitsrechte nicht übermäßig beschränkt werden dürften (Aha!).

Die nun folgenden Ausführungen im Urteil zur Frage der Tatbestandsvoraussetzung „bleibend“ sind so wichtig, dass sie hier im detaillierter wiedergegeben werden sollen. Also, es heißt in dem Urteil: „Indem das Gesetz für an öffentlichen Orten befindliche Kunstwerke Einschränkungen der Ausschließlichkeitsrechte vorsieht, trägt es dem Interesse der Allgemeinheit an der Freiheit des Straßenbildes Rechnung. Dieser Gedanke lag bereits der entsprechenden Bestimmung im alten Recht, dem von 1907 bis 1965 geltenden § 20 KUG, sowie der Bestimmung des § 6 Nr. 3 des Kunstschutzgesetzes von 1876 zugrunde. In den Motiven zu § 20 KUG heißt es hierzu, “dass Werke, die sich dauernd an öffentlichen Straßen oder Plätzen befinden, in gewissem Sinne Gemeingut sind und, sofern es nicht in der nämlichen Kunstform geschieht, von jedermann nachgebildet werden können” (abgedruckt bei Osterrieth, KUG, 1. Aufl. 1907, § 20 Anm. I 2). Damit korrespondiert eine zweite, aus der Sicht des Urhebers angestellte Erwägung, mit der die Übernahme des § 20 KUG in das Urheberrechtsgesetz von 1965 begründet wurde: Der Urheber, der der Aufstellung seines Werkes an einem öffentlichen Ort zustimmt, widme damit sein Werk in bestimmtem Umfang der Allgemeinheit (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines UrhG, BT-Drucks. IV/270, S. 76 zu § 60). Im Schrifttum besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass das Merkmal “bleibend” jedenfalls dann zu bejahen ist, wenn sich ein Kunstwerk für seine natürliche Lebensdauer an einem öffentlichen Platz befindet. Die Revision möchte – hieran anknüpfend – den Schluss ziehen, dass ein für die gesamte Dauer seiner Existenz an einem öffentlichen Ort ausgestelltes Kunstwerk sich dort im Sinne von § 59 Abs. 1 Satz 1 UrhG bleibend befinde. Sie kann sich dabei auf einen Teil des Schrifttums berufen, der das Merkmal “bleibend” ebenfalls mit “für die gesamte Dauer der Werkexistenz” gleichsetzt. Dem widersprechen allerdings zahlreiche Stimmen im Schrifttum, die eine solche Sichtweise als mit dem Gesetzeswortlaut unvereinbar ablehnen und die statt dessen auf den Willen des Künstler abstellen. Wolle dieser sein Werk der Öffentlichkeit nur vorübergehend zugänglich machen, also widmen, befinde sich das Werk nicht bleibend an dem öffentlichen Platz.“

Dieser zuletzt genannten Auffassung stimmt der BGH dann zunächst insofern zu, „als es für das Merkmal “bleibend” nicht darauf ankommen könne, ob ein vorübergehend aufgestelltes Werk nach dem Abbau weiterhin besteht und gegebenenfalls an anderer Stelle erneut aufgestellt werden soll oder ob es mit der Deinstallation untergeht.“ Aber: „Auf der anderen Seite ist der Revision einzuräumen, dass nicht allein die Widmung des Urhebers maßgeblich sein kann. Mit Recht verweist die Revision darauf, es gehe nicht an, etwa bei einem Denkmal nur deshalb das Merkmal “bleibend” zu verneinen, weil sich der Urheber eine Zerstörung des Denkmals nach vier Jahrzehnten vorbehalten habe. ... Auch bei urheberrechtlich geschützten Bauwerken wäre es nicht sachgerecht, allein danach zu unterscheiden, ob – etwa beim Bau eines Provisoriums, das nach einigen Jahren einem Neubau weichen soll – schon bei Errichtung ein Zeitpunkt für den Abriss des Bauwerks ins Auge gefasst ist.“

Und worauf stellte nun der Bundesgerichtshof bei der Frage "bleibens oder nicht-bleibend" ab? Das Urteil: „Maßgeblich ist, ob die mit Zustimmung des Berechtigten erfolgte Aufstellung oder Errichtung eines geschützten Werkes an einem öffentlichen Ort der Werkpräsentation im Sinne einer Ausstellung dient, wobei der gesetzlichen Regelung allerdings die Vorstellung einer zeitlich befristeten Ausstellung, nicht einer Dauerausstellung zugrunde liegt.“ Den verpackten Reichstag sahen die BGH-Richter in diesem Sinne nur als zeitweilige befristete Ausstellung an. Ergebnis: Die Panoramafreiheit stand dem Fotografen (und seinen Postkartenverleger) nicht zur Seite.

Kommen wir noch einmal auf den Fall des OLG Köln zurück. Die OLG-Richter sind der Rechtsauffassung des BGH gefolgt, interpretierten die Schriftinstallation an der Hauswand aber als „Dauerausstellung“. Soweit, so gut für den Fotografen. Doch der Installationskünstler konnte vor dem OLG gleichwohl auch einen Teil-Sieg verbuchen. Das lag an einer anderen Einschränkung Der Panoramafreiheit, die gerne übersehen wird.

Der Anwendungsbereich des § 59 UrhG wird nämlich seinerseits durch das sogenannte „Änderungsverbot“ des § 62 UrhG begrenzt. Zulässig sind für den Fotografen nur „all jene Formen der fotografischen Vervielfältigung“, so das OLG Köln, „die eine möglichst getreue Wiedergabe der äußeren Ansicht des im öffentlichen Straßenraum befindlichen Werks darstellen und sich dafür ausschließlich solcher Mittel bedienen, die im Rahmen herkömmlicher Fototechnik bei der Herstellung derartiger Abbildungen eingesetzt werden. Dazu gehört die Wahl des Bildausschnitts und die Beeinflussung der Helligkeits- , Farb- und Kontrastwerte des Lichtbildes durch Einstellung der Brennweite und Belichtungszeit sowie jede Art von Vergrößerung oder Verkleinerung.“ Daraus ziehen die OLG-Richter dann einen für Fotografen im Zeitalter der digitalen Bildbearbeitung fatalen Schluss.

„Unzulässig als eine durch das Vervielfältigungsverfahren der Fotografie nicht mehr veranlasste Veränderung der sich im Straßenbild bietenden äußeren Ansicht und naturgetreuen Wiedergabe des Werks über das technisch unvermeidliche Maß hinaus ist“, so urteilen sie, „dagegen sowohl der Einsatz seit langem bekannter Mittel wie Farbfilter und nachträgliche Retuschen als auch die Anwendung moderner Verfahren der digitalen Bildbearbeitung. Denn dem Betrachter wird durch diese Verfahren – anders als bei der Wiedergabe durch Malerei oder Grafik, wo stärkere Veränderungen selbstverständlich sind und vom Publikum auch erwartet werden – ein Abbild der Wirklichkeit vorgespiegelt, das in erheblichem Umfang verfälscht ist.“ Diese Voraussetzung sahen die Kölner Richter als gegeben an. „ Auf Grund der Angaben des Geschäftsführers der Antragsgegnerin in der Berufungsverhandlung steht fest, dass dieser bei einigen Bildern solche nachträglichen Bildbearbeitungen etwa der Farbe des Himmels (nach rosa) und des Schriftzuges (nach rot) vorgenommen hat.“

Entsprechend bestätigte das Oberlandesgericht dann die einstweilige Verfügung der ersten Instanz, soweit der Antragsgegnerin (das war die Verlegerin des Fotografen) „damit unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt worden ist, die seit 2007 auf einem Haus über der O.-Fahrt in L. befindliche Installation des Schriftzugs "Liebe deine Stadt" zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten und/oder vervielfältigen und/oder verbreiten zu lassen und/oder öffentlich zugänglich zu machen und/oder zu verändern oder zu bearbeiten.“ - Kaum zu glauben, was so ein bisschen herumfummeln an den Farbregelern des Bildbearbeitungsprogramms für Folgen haben kann.

Bürgerreporter:in:

Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld

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