Unfaire Presseberichte: Wie Stimmung für Grün und gegen die SPD gemacht wird

Im hannoverschen Rathaus braucht der neue grüne Oberbürgermeister dringend vor der anstehenden Kommunalwahl politische Erfolge. Sollen deshalb grüne Positionen im Schnellverfahren auf  "Teufel komm heraus" durchgesetzt werden? (Archivfoto)
  • Im hannoverschen Rathaus braucht der neue grüne Oberbürgermeister dringend vor der anstehenden Kommunalwahl politische Erfolge. Sollen deshalb grüne Positionen im Schnellverfahren auf "Teufel komm heraus" durchgesetzt werden? (Archivfoto)
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Das marktbeherrschende hannoversche Lokalblatt – die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) – war in der Vergangenheit eher für eine streng konservative Linie bekannt. Doch neuerdings scheinen einige Redakteure dieser Zeitung ihr grünes Herz entdeckt zu haben. Jedenfalls wenn es darum geht, Gründe zu finden, um auf die SPD einzudreschen.

Aktuelles Beispiel gefällig? In der Ausgabe vom 8. Mai 2021 schrieb Dr. Andreas Schinkel einen Kommentar zu den Beschlüssen des Bezirksrates Döhren-Wülfel hinsichtlich der geplanten Veloroute 8 durch den Stadtbezirk. Die Mehrheit der örtlichen Politiker in dem Gremium wollte der Sache erst zustimmen, wenn die betroffenen Bürger an der Planung beteiligt und auch gegebenenfalls Alternativstrecken geprüft wurden.

Redakteur Dr. Schinkel vermutet ein besonderes Kalkül dahinter: „Mit dem Ruf nach umfangreicher Bürgerbeteiligung lässt sich das grüne Herzensprojekt geschickt in die Länge ziehen“, schreibt er. Wegen des bevorstehenden Kommunalwahlkampfes gönnten, so seine Ansicht, die Sozialdemokraten den Grünen keine Erfolge. Damit griff er Argumente auf, die schon in Beiträgen der Grünen-Fraktion auf der April-Sitzung des Bezirksrates Döhren-Wülfel zu hören waren.

Bei Licht betrachtet stellt diese Argumentation allerdings ein Armutszeugnis dar. Denn was wird damit eigentlich ausgesagt? Soll das heißen, dass die Mitnahme und Einbindung der Bürger bei Verkehrsplanungen unter dem Vorbehalt stehen, dass sie den Interessen der Grünen nicht widersprechen? Wenn es darum geht, die eigene Klientel zu befriedigen, kommt es dann nicht mehr darauf an, was betroffene Bürger dazu zu sagen haben? Bürgerbeteiligung nur dann, wenn zu erwarten ist, dass die Menschen voll auf der Linie der Bündnisgrünen liegen und ansonsten lieber nicht?

Richtig ist zwar, dass der neue grüne Oberbürgermeister von Hannover bislang relativ glücklos agiert hat. Irgendwelche Erfolge, die die eigene grünalternative Wählerschaft ruhigstellt, sind kaum vorzuweisen. Aber deshalb mit der Holzhammermethode eigene Vorstellungen an der Bevölkerung vorbei durchsetzen? Eigentlich waren die Grünen doch einst mit ganz anderen Idealen ins politische Rennen gestartet. Aber zurück zu den Artikeln der schreibenden Zunft.

Dazu passt es wohl auch, dass die HAZ ebenfalls am 8. Mai über eine Bürgerinitiative, die Unterschriften gegen die bisherigen Pläne zur Fahrradstrecke sammelt („Anwohner nahe der Hildesheimer Straße fürchten durch die geplante Veloroute noch mehr Durchgangsverkehr“), berichtet, aber mit keinem Wort schreibt, dass die Mehrheit von SPD und CDU im Bezirksrat genau diese zu Recht beunruhigten Bürger mit in die Planungen einbeziehen will. Bemerkenswerterweise bleibt die Union, deren Vertreter ja mit der SPD gestimmt haben, von jedweder Kritik verschont.

Autor Schinkel schlägt in seinem Kommentar aber noch einen größeren Bogen. Er ordnet den von Christ- und Sozialdemokraten im Stadtbezirksrat Döhren-Wülfel durchgesetzten Beschluss zur Bürgerbeteiligung in eine Reihe von „unterschwelligen Attacken“ der SPD gegen Belit Onay ein. Eine Art hannöversche Verschwörungstheorie. Die Attacken sollen in der Absage eines Treffens der Bezirksbürgermeister mit dem Stadtoberhaupt gipfeln „Die Bezirksbürgermeister, ganz überwiegend mit SPD-Parteibuch, zeigen Onay die kalte Schulter“, schreibt Schinkel und schiebt die Schuld am geplatzten Treffen den Sozialdemokraten in die Schuhe, Onay wird zum unschuldigen Opfer von Intrigen konkurrierender Parteien. Und Autor Schinkel entdeckt sein Herz für die Vizebürgermeister, kritisiert: „Die stellvertretenden Bezirksbürgermeister, meist mit grünem Parteibuch, wurden weder über ein Treffen noch über eine Absage informiert.“

Doch die Bürgermeister dürften Onay zu Recht erst einmal die berühmte kalte Schulter gezeigt haben. Denn er hatte, so war aus den Reihen der Bezirksbürgermeister zu hören, entgegen der Bitten der Stadtbezirksoberhäupter auch dieses Treffen erneut an einem Dienstag anberaumt, obwohl zeitgleich Fraktionssitzungen stattfanden. Zudem hat er entgegen einer weiteren Bitte wiederum nur eine Stunde dafür reserviert. Zu allem Überfluss war vom Büro des Oberbürgermeisters ein ausschließliches Thema für das Treffen verordnet worden. Wer kann es da den ehrenamtlichen Bezirksbürgermeistern verdenken, wenn sie ihre Zeit da lieber anders nutzen?

Und was die nicht informierten grünen Vize-Bezirksbürgermeister betrifft: Der Oberbürgermeister verschickt die Einladungen und hat selbst die Vizes in den Stadtbezirken von vornherein aus dem Informationsverteiler herausgenommen. Kein Wunder, dass es da von Seiten der Politiker in den Stadtbezirken heißt: „Da ist, was die Kommunikation mit den Bezirksräten betrifft, noch sehr viel Luft nach oben im Büro des OB und bei ihm selbst.“

Bürgerreporter:in:

Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld

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