Vogelparadies Südliche Leineaue - Grünanlagen und -gebiete in und um Hannover

Auf Entdeckertour in einem Vogelparadies.
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Mitten in Hannover, gleich hinter dem Maschsee, beginnt eine ganz besondere Landschaft. Es ist das Naturschutzgebiet Südliche Leineaue, auch Leinemasch genannt. Schon vor Jahrhunderten in Ottonischer Zeit hat der Mensch dieses Gebiet, das einst von den sumpfigen Armen der Leine durchzogen wurde und von Auwäldern bedeckt war, beeinflusst und urbar gemacht. Er hat das sumpfige Gelände, soweit es ihm möglich war, trocken gelegt, um es für Ackerbau und Viehzucht nutzen zu können, wohlwissend, dass es immer wieder von den regelmäßig auftretenden Hochwassern der Leine überflutet werden würde. So hat der Mensch diese Landschaft schon seit dem Mittelalter großflächig verändert. Besiedelt war dieses Gebiet aber schon weit vorher. So wurden inzwischen weit mehr als eintausend steinerne Artefakte wie zum Beispiel Faustkeile oder Schaber aus frühen Zeiten gefunden. Doch nicht nur das. Neben dem Neandertal bei Düsseldorf gibt es in Deutschland noch einen zweiten Fundort, an dem Knochenfragmente des Neandertalers entdeckt wurden. Und der liegt im Urstromtal der Leine nicht weit von Hannover entfernt, nämlich im Kiesabbaugebiet bei Schliekum. Die Knochenstücke konnten auf ein Alter von immerhin 120 000 Jahren datiert werden.
Ein weiteres Knochenstück, ein Teil eines Schädelknochens, wurde dort sogar von einem Frühmenschen (Homo erectus) gefunden. Mangels Substanz konnte es nur ungefähr datiert werden. Aber es soll irgendwo zwischen 250.000 und 700.000 Jahre alt sein.

Im 20. Jahrhundert sollte eine weitere Veränderung der Landschaft stattfinden. Die in der letzten Eiszeit entstandenen Schottersande und Tone wurden weiträumig abgebaut. So sind zunächst, sich gleich an den Maschsee anschließend und sich bis Harkenbleck hinziehend, zahlreiche Kiesteiche entstanden. Nachfolgend wurde ab Koldingen leineaufwärts die nächste Seenplatte angelegt. Bis ins Jahr 2002 wurde dort Kies abgebaut. Während sich diese Fluss- und Seenlandschaft nach Stilllegung des Abbaus im Laufe von Jahren und Jahrzehnten in ein natürliches Landschaftsgebiet verwandelte, folgt der Kiesabbau der Leine bei Schliekum und weiter über die Marienburg hinaus. So entstand und entsteht weiterhin eine Natur, die vielen Vogelarten einen neuen Lebensraum eröffnet hat. Neben dem Steinhuder Meer sind die Koldinger Seen zum bedeutendsten Vogelrastgebiet in der Region Hannover geworden. Von den Monaten Oktober bis März sind es Zehntausende Vögel, die dort Station machen und sich für den Weiterflug in ihre Sommer- oder Winterquartiere stärken. 12 Seen verschiedenster Größe haben sich hier zu einem Wasservogelparadies entwickelt. Dazu prägt die in vielen Windungen dahinströmende Leine das Landschaftsbild, die ebenfalls einen wertvollen Lebensraum bietet. Und zumindest einer der zahlreichen alten Leinearme konnte sich erhalten, die Alte Leine. Bei Hemmingen im Sundern befindet sich ein verlandeter Leinearm. Auwaldreste sind dort erhalten geblieben, eine einzigartige Natur.
Und immer wieder sind es die alljährlichen kleineren Hochwasser, die große Wiesenflächen überfluten und für Abwechslung sorgen. Alle paar Jahre wieder führt die Leine jedoch größere Wassermengen mit sich, manchmal bis zu 40 Mal so viel wie normalerweise. Das war zuletzt 2003 der Fall. Dann steht das ganze Leinetal großflächig unter Wasser, und dann haben die Deiche in Alt-Ricklingen und anderswo auch ihre Berechtigung. Das Deichtor an der Düsternstraße muss dann geschlossen und mit Sandsäcken verstärkt werden. Die Brück- und die Wilkenburger Straße sind nicht mehr befahrbar. Nur mit Gummistiefeln kann man die Wege noch durchwaten. Doch an manchen Stellen wird das Wasser tiefer. Schon manch einer musste bei einem unvorsichtigen Durchquerungsversuch von der Feuerwehr gerettet werden. Sogar mit dem Hubschrauber. Doch irgendwann fließt dass Hochwasser wieder ab und lässt überschwemmte Wiesen zurück und angeschwemmtes Gras, das in den Zweigen der Bäume hängen bleibt und im Stacheldraht der Kuhweiden. Ein Paradies für Frösche und Molche, die im Frühjahr laichen.
Natürlich freuen sich darüber auch die Störche, die so nach und nach wieder zurückkommen und ihre Nester beziehen. Doch auf ihrem Speiseplan stehen auch Mäuse und Regenwürmer für die Jungtiere, die bald über den Nestrand gucken. 2011 war ein gutes Storchenjahr, trotz des außergewöhnlich trockenen Frühjahres.
Auch einen anderen Großvogel bekommt man bei jeder Radtour durch die Masch zu Gesicht. Es ist der Graureiher, der vereinzelt auch in den Gartenkolonien der Stadt die kleinen Teiche plündert oder sogar flach über das Stadtgebiet fliegt, in seiner typischen Flughaltung, den Kopf in den Nacken gestreckt. Selten ist dagegen der schneeweiße Silberreiher. Doch auch er wird hier immer heimischer.
Stark vermehrt haben sich seit vielen Jahren die Kormorane. Waren sie früher seltene Gäste, so sieht man sie heute überall. Am eindrucksvollsten am Großen Koldinger See. Auf einer Insel, weit ab vom Ufer, sind die Zweige der Bäume durch ihren Dung grau geworden. Bis zu einhundert dieser schwarzen Vögel kann man auf dem kleinen Eiland zählen. Mit ausgebreiteten Fittichen stehen sie in der Sonne und trocknen die Federn oder sitzen in den Zweigen der Bäume, in denen sie ihre Brutkolonie angelegt haben.
Doch übertroffen wird ihre Zahl um ein Vielfaches durch die Graugänse. In Scharen kann man sie auf Feldern, auf Wiesen und auf den Seen beobachten. Viele von ihnen pendeln tagtäglich zum Lönspark hinüber und wieder zurück. In Kirchrode kann man die Schreie ausstoßenden Formationen mehrmals am Tag beobachten. Dort sogar auch die Nilgans. Zu den selteneren Gänsen gehört die Kanadagans, die noch etwas größer und an ihrem schwarzen Hals erkennbar ist. Doch auch sie kann man immer wieder ausmachen.
Über 270 verschiedene Vogelarten konnte man in der Leineaue zählen. Viele brüten in diesen geschützten Gebieten. Ob verschiedenste Entenarten, Blässhühner, Haubentaucher, Möwen, Schwäne oder der Eisvogel. Diese alle und viele andere fühlen sich dort wohl.
Doch neuerdings, seit etwa vier Jahren, gibt es auch andere Tiere, die in den Gewässern nahe der Leine einen neuen Lebensraum entdeckt haben. Es ist der Biber, der mit mehreren Familienverbänden sesshaft geworden ist. Und das ist nicht viel weniger als eine kleine Sensation. Er ist ein scheues, nachtaktives Tier, das man nicht zu Gesicht bekommt. Aber manchmal kann man seine Spuren erkennen. Abgenagte Bäume, mit Knüppeln und Ästen aufgeschichtete Haufen, Biberburgen, oder sogar einen Biberdamm. Die Experten sind sich noch nicht einig darüber, ob es sich dabei um den europäischen Biber handelt, der vielleicht von der Elbe oder aus Bayern eingewandert ist, oder um den kanadischen, der aus dem Wiesentgehege bei Springe ausbüchsen konnte. Natürlich freuen sich Naturliebhaber darüber, nicht aber alle Landwirte, kann doch der Biber Teilbereiche ihrer Felder unter Wasser setzen und futtert auch gern die Feldfrüchte. Konflikte sind vorprogrammiert. Doch Lösungen werden sich wohl finden lassen. Für die Natur ist der Biber eine große Bereicherung, schafft er doch neue Lebensräume für Amphibien, Fische, Vögel und Insekten. So manches Landschaftsbild wird durch ihn zum großen Vorteil verändert.

Die Südliche Leineaue ist also ein wichtiges Naturschutzgebiet. Gerade in der heutigen Zeit, in der immer mehr Landschaften durch den Bau von Häusern und Straßen versiegelt werden, sind solche Rückzugsgebiete für die Tier- und Pflanzenwelt von enorm großer Bedeutung. Sie sichern das Überleben so mancher Art, die auf der Roten Liste steht. Zusätzlich ist diese herrliche Landschaft ein Erholungsraum für Menschen, die dem Trubel der Stadt einmal entfliehen wollen. Ob zu Fuß oder mit dem Rad, es ist eine Freude, diese eindrucksvolle Natur zu erkunden. Dass die Wege dabei nicht verlassen und die Uferzonen der Gewässer nicht betreten werden dürfen, ist wohl selbstverständlich. Es gibt auch so genügend Möglichkeiten, die Vögel zu beobachten. Dazu gibt es bei Grasdorf einen und am Großen Koldinger See zwei Aussichtstürme. Am Wilkenburger See gibt es einen Beobachtungsstand. Am besten nimmt man ein Fernglas und eine Kamera mit ausreichendem Teleobjektiv mit. Doch oft sieht man Graureiher und Störche auch aus nächster Nähe, und manchmal sogar in größerer Zahl. Also viel Spaß bei einer Entdeckerreise durch die wunderbare Leineaue.

Siehe auch:
- Winterzauber in der südlichen Leineaue- Herbstzeit an der Leine - Biberspuren an der Leine
- Hochwasser an der Leine- Das Naturschutzgebiet Alte Leine im Wandel der Jahreszeiten - Parkanlagen und Grüngebiete in und um Hannover

Bürgerreporter:in:

Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode

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