Ein Rundgang über das Weltausstellungs-Gelände, und was von der Expo 2000 geblieben ist ( Teil II )

Am Haupteingang zeigten sich die teilnehmenden Nationen in bunten Farben. (Fotos: Christel und Kurt Wolter)
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  • Am Haupteingang zeigten sich die teilnehmenden Nationen in bunten Farben. (Fotos: Christel und Kurt Wolter)
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Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie wir das Gelände von der Ostseite, dem Haupteingang, das erste Mal betraten, wie nervös und voller freudiger Erwartung wir damals waren. Schon die Anreise hatte ein weltstädtisches Flair. Doch spätestens vor dem Eingang wurde es international. Nicht nur durch das Publikum, sondern auch durch den neuen, architektonisch gelungenen Endbahnhof der Stadtbahn und ein Meer von Fahnen. Jedes der 170 teilnehmenden Länder wurde durch die eigene Staatsflagge repräsentiert, die vorher Jahre lang vor dem Rathaus auf dem Tramplatz geflattert hatten. Es war ein buntes Farbenschauspiel. Besonders wenn der Himmel blau war und die Sonne die Farben leuchten ließ. Es waren so viele exotische Fahnen dabei, die wir nie zuvor gesehen hatten.
Meist wenn wir kamen, war es gegen 19 Uhr, denn dann wurden die Tore für das günstige Abendticket geöffnet. Wegen des anfänglichen Besuchermangels wurde der Eintrittspreis nach wenigen Tagen für Mai und Juli von 24 DM auf 10 DM herab gesetzt, damit zumindest die Hannoveraner das Gelände abends auffüllten. Natürlich wurde das gut angenommen, denn diese paar Mark, inklusive Anfahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, war wirklich geschenkt. So standen am Abend lange Schlangen an den Eingängen. Doch nach der Öffnung lösten sie sich relativ schnell auf und die Menge verteilte sich über das Gelände.

Doch zuvor mussten man die Eingangskontrollen über sich ergehen lassen. Manchmal wurden Taschen und Rucksäcke kontrolliert. Aber auch jede Person wurde, wie am Flughafen auch, durchleuchtet. Jeder Metallgegenstand am Körper erzeugte einen Piepton. Nach Passieren der Kontrolle ging es über die Brücke. Um ein Gedränge zu vermeiden, wurden die Besucher nur stoßweise durch die Eingänge gelassen. Am Ende der Brücke wurden die Tickets elektronisch entwertet und man konnte eine der vielen Drehschranken passieren.
Nun war man auf dem Gelände. Wenn man die große Eingangstreppe hinunterstieg, ging der Blick über die Plaza. Der riesige Platz, mit 110 000 Quadratmetern größer als der vor dem Petersdom in Rom, war Mittelpunkt des ganzen Geländes. Hier pulsiert das Leben. Am Tage bis spät in die Nacht. Die Plaza strahlte, wie so viele Teile des Geländes, ein freundliches, fröhliches Flair aus, das an südliche Mittelmeerländer denken ließ. Das lag an den hellen Bodenplatten und dem bunten Treiben der Künstler, Gaukler, Sänger und Musiker. Auch an den vielen kleinen Fontänen, die ständig im Rhythmus ihre Höhe veränderten. Sie waren besonders an heißen Sommertagen beliebt. Und das besonders bei den Kindern, die sich dort Abkühlung verschafften und fröhlich und völlig durchnässt zwischen den Fontänen umher sprangen.

Eingerahmt war die Plaza von vielen Gebäuden. Gleich links befand sich das Europa-Center. Gegenüber das Plaza-Forum mit der größten und modernsten Disko Europas und dem Expo-Theater. An dies Gebäude schließt sich auf der Längsseite des Platzes die riesige Preussag-Arena an. Sie ist nach der Köln-Arena die größte und modernste Halle Deutschlands, die je nach Veranstaltung bis zu 14 000 Besucher fassen kann. Wir haben sie kurz nach der Expo im November zum ersten Mal bei einem Elton John-Konzert erlebt. Sehr eindrucksvoll, und man hat der steilen, hohen Ränge wegen von allen Plätzen gute Sicht. Auch während der fünf Expo-Monate sollten in ihr viele Highlights stattfinden.

Auf der entgegengesetzten Seite der Plaza lag der Deutsche Pavillon. Ebenfalls ein riesiger Bau. Schon im Vorfeld der Expo hatte er für Aufregung gesorgt, war er doch ursprünglich von einem Architekten ganz anders geplant. Er sollte aus vielen rechteckigen Säulen bestehen. Doch nach diversen baulichen Veränderungen des Entwurfs warf der Architekt das Handtuch und gab auf. Ein Bauunternehmer aus Wilhelmshaven sprang ein und ließ einen anderen Bau entstehen. Rechteckig und mit konkav durchgebogenen riesigen Glasfronten machte er einen gelungenen Eindruck. So jedenfalls die Meinung der breiten Masse. Fachleute bescheinigten ihm hingegen den Charme eines Autohauses.
Der Deutsche Pavillon sollte jedoch ein Erlebnis werden und zu dem Interessantesten gehören, was die Expo zu bieten hatte. Bekannte Deutsche wurden dort mit ihren Riesenköpfen vorgestellt. Danach ging es in einen großen, abgedunkelten Raum, an dessen sämtlichen Wänden ein Film ablief, der von mehreren Brücken in verschiedenen Höhen aus angesehen werden konnte. Es war eindrucksvoll. Ebenso wie die letzte, lichtdurchflutete Halle, in der sich jedes einzelne Bundesland mit einem besonderen Ausstellungsstück, das für dieses charakteristisch war, präsentierte.
Dem Kopfende des Pavillons schloss sich das Global-House an. In ihm wurden 700 weltweite Expo-Projekte vorgestellt.

Gleich daneben stand der Christus-Pavillon. Ein architektonisch interessantes Bauwerk aus Stahl und Glas. Der Raum zwischen den umgebenden Glaswänden war mit Kiefernzapfen, Korken, Musikkassetten oder allem Möglichen aufgefüllt, so dass schöne Lichteffekte entstanden. Sehr einfallsreich. Diese Wände bildeten eine Art modernen Kreuzgang. In der Mitte befand sich der hohe Sakralraum, in dem oft Veranstaltungen stattfanden. Einmal habe ich dort dem Fernsehpfarrer und –moderator Jürgen Fliege in einer Talkshow gelauscht. Ein anderes Mal haben wir ein Feidmann-Konzert besucht. Der Israeli soll der bekannteste und angeblich beste Klarettenist der Welt sein. Doch an jenem Tag spielte er Musik, die nicht nach unserem Geschmack war. In der Krypta des modernen Raumes konnte ein mittelalterliches Taufbecken und eine äußerst wertvolle byzantinische Christus-Ikone betrachtet werden. Der Christus-Pavillon war übrigens das einzige Bauwerk an der Plaza, das demnächst abgebaut werden wird und einen neuen Standort in Thüringen finden soll.

Nebenan stand das architektonisch interessanteste Gebäude auf dem Platz. Es war der Planet M, das sogenannte Bertelsmannei. Dabei handelt es sich um ein Riesenei auf Stelzen. Es war ein Blickfang, egal von wo auch immer. Besonders abends im Dunkeln, wenn die am Tage silbergraue futuristische Fassade ständig ihre Farben wechselte. Im Nachhinein waren wir besonders froh, dass wir das Innere überhaupt zu Gesicht bekommen haben. Die Wartezeiten pendelten sich bei diesem Highlith zwischen eineinhalb und vier Stunden ein. Und das bei einer Besuchsdauer von etwa 20 Minuten. Unsere meisten Freunde und Bekannten haben es nicht geschafft ins Innere vorzudringen, denn wer will sich schon so lange anstellen. Trotzdem gab es genügend Menschen die das taten.

Das nächste folgende Gebäude war das Radisson-Hotel. Für den normalen Besucher unzugänglich, war es hauptsächlich für die Prominenz gedacht, die die Expo besuchen sollte. Dort übernachteten Politiker und Staatsoberhäupter, Fürsten und Könige. Und die kamen reichlich. Ob es nun Königin Sylvia aus Schweden war, Königin Beatrix aus Holland, Fürst Rainer aus Monaco, Prinz Ernst August und Prinzessin Caroline, die Königin von Jordanien oder andere Adlige aus irgendwelchen Königshäusern. Auch viele bekannte Sportgrößen erschienen. Natürlich Reinhold Messner, der erfolgreichste Bergsteiger der Welt, Formel I Weltmeister Mika Häkinnen, der Tour de France Sieger von 98 Jan Ulrich und unzählige andere mehr.

Das waren also sämtliche Gebäude, die die weiträumige Plaza umgaben. Ein letztes möchte ich noch erwähnen, das allerdings kein festes Bauwerk war. Es war die kreisrunde Plazabühne vor dem Deutschen Pavillon, die so häufig im Mittelpunkt stand. Auf ihr fanden jeden Tag irgendwelche Veranstaltungen statt. Z. B. wenn Nationentage waren. An einem dieser Tage, die die gesamte Expo-Zeit ausfüllten, präsentierte sich das betroffene Land auf seine Weise. Einerseits im eigenen Pavillon, andererseits auf der Plaza und der Bühne. Morgens ging es feierlich zu. Zunächst wurde die Nationalhymne gespielt und die Flagge gehisst. Im Laufe des Tages ging es dann lockerer zu. Es wurde Musik, meistens Folklore, oder etwas anderes Landestypisches geboten. Auf den Rängen des Amphitheaters vor der Bühne habe ich vielen schönen Veranstaltungen beigewohnt. Allen voran den Auftritten brasilianischer Tänzerinnen und kanadischer Indianer. Diese Auftritte werden mir unvergesslich bleiben.
An besonderen Tagen, wie dem „Tag der deutschen Einheit“ oder dem Abschlusstag, wurde die Rückseite der Bühne, die zur Platzseite hin offen war, benutzt. Dann konnten Zehntausende den Konzerten lauschen. So haben wir dort die Prinzen gesehen, Nena, die Puhdys, Rednex und andere. Am Abschlusstag waren auf dieser Fläche einhunderttausend Menschen versammelt. Ein gigantisches Feuerwerk einer neuen Dimension wurde als allerletztes Highlight nicht lange vor Mitternacht gezündet.

Von der Plaza hatte man nun zwei Möglichkeiten, das Gelände zu erforschen. Man konnte sich nach Osten wenden, um das völlig neu angelegte Ostgelände zu erkunden. Wir wollen uns jedoch erst der Fläche des alten Messegeländes zuwenden, die den größten Teil des gesamten Geländes, das etwa 160 Hektar umfasste, ausmachte. Um auf dieses Gelände zu gelangen, mußte man den Messeschnellweg überwinden, der die beiden Geländeflächen, alt und neu, voneinander trennte. Dazu wurde eine 127 Meter lange und 30 Meter breite Fußgängerbrücke überquert, die größte in Europa. Sie begann zwischen dem Planet M und dem Radisson Hotel und führte bis zur großen Treppe neben dem Planet of Visions.
Die Brücke war ein architektonisch interessantes und äußerst gelungenes Bauwerk. Sechs Wege führten auf ihr zwischen 170 Stelen entlang, die zum Teil mit diagonal verlaufenden Streben miteinander verbunden waren. Die oberen Enden der mehrere Meter hohen Stelen leuchten abends im Dunkeln. Besonders zum Sonnenuntergang vor dem roten Abendhimmel machte die Brücke einen futuristischen Eindruck. Das verstärkte sich durch den Blick auf das Bertelsmannei, den Turm des wie ein Ufo aussehenden Pressezentrums oder die Digit-Box der Telekom. Ein solch besonderes Bauwerk brauchte natürlich auch einen Namen. So schrieb die Hannoversche Tageszeitung, die HAZ, im Vorfeld der Expo einen Wettbewerb aus. Jeder der wollte konnte sich an der Namensfindung beteiligen. Es gab eine Menge Einsendungen. Schließlich erhielt die Brücke einen würdigen Namen: „Exponale“. Die Preussag AG baute zusätzlich an anderen Stellen des Geländes noch zwei weitere Brücken. Sie wurden zu einer kleineren Ausgabe der Exponale.

Hatte man die Exponale hinter sich gelassen, so stand man vor der großen Freitreppe, die in Anlehnung an die berühmte Treppe in Rom auch die Spanische Treppe genannt wurde. Sie war während der ganzen Expo eine Attraktion und zumindest in den ersten vier Monaten, als es noch wärmer war, immer gut besetzt. Grund dafür war der Pavillon der Telekom, die sogenannte T–Digit ( Telekom-Digit-Box ). Dabei handelte es sich um einen Riesenwürfel mit einer Kantenlänge von 16 Metern. Damit beim Anblick des Würfels keine Langeweile aufkam, wurde er schief aufgestellt, so dass die Kannten nicht waagerecht und senkrecht, sondern schräg verliefen. Eine tolle Idee. Auf der der Treppe zugesandten Würfelseite befand sich eine Projektionsfläche, sozusagen der größte Fernseher der Welt. Auf ihm wurden Werbefilme gezeigt, Nachrichtensendungen, aktuelle Sendungen und Filme, besonders beliebt die von Loriot. Attraktionen aber waren sportliche Veranstaltungen. So im Juni die Fußballeuropameisterschaft oder im September die Olympischen Spiele in Sydney. Oft war die Treppe wie eine Zuschauertribüne so dicht besetzt, dass ein Durchkommen nicht leicht war. Zumindest an einer Seite sollte immer ein schmaler Durchgang frei bleiben. Klappte auch das nicht, so wurde T-Digit für eine Weile abgestellt. Natürlich nicht bei den Sportveranstaltungen. Die Treppe besteht aus hellem, freundlichen Stein, hat etwa 50 Stufen und ist etwa 50 Meter breit. Also eine Art große Tribüne, die als solche, bis auf den kalten Monat Oktober, immer und gern genutzt wurde.

Von der Treppe schaute man auf eine breite Allee, die „Allee der Vereinigten Bäume“. Sie führte auf 900 Metern Länge bis zum Eingang West. Sie war eine der vielen Grünanlagen, die das Gelände bereicherten. 400 Bäume, davon etwa 270 verschiedene Arten aus nördlichen Breiten, standen und stehen hier in Reih und Glied. Besonders am Abend war darin stets ein Massenauflauf, wenn die Menschen zum Flambee, eine Art Feuershow oder auf dem Rückweg davon unterwegs waren. Am Tage war die Allee auch ein Teil der Wegstrecke der täglich stattfindenden großen Parade. Dann säumten Zehntausende den Weg.
Zwischen den Bäumen waren auch mehrere Spiegel aufgestellt. Schaute man in sie hinein, so sah man sich nicht wie in normalen Spiegeln seitenverkehrt, sondern richtig herum. Prismen ermöglichten diese ungewöhnlichen und interessanten Anblicke.

Hatte man also die große Freitreppe verlassen und ging auf die Allee zu, so befand sich zur Linken eine große Halle. In ihr konnte man sich den Planet of Visions ansehen, wohl die größte Attraktion der Expo. In ihr war ein großer Paradiesgarten mit Tieren zu bestaunen, der von der Decke herabhing, sich aber im an Boden befindlichen glatten Wasser spiegelte, so dass die Sinne völlig verwirrt waren. Der Turm zu Babel, ein riesiges dreidimensionales Bild und eine Ausgrabungsstätte des 21. Jahrhunderts. Eben eine Fantasiewelt. Aufgrund der Popularität dieser Ausstellung waren die Warteschlangen extrem lang. Selten betrug die Wartezeit weniger als zwei Stunden. Manchmal auch bedeutend länger. Natürlich gelang es uns in der Anfangszeit ohne große Wartezeit auszukommen.

Von dieser Halle Richtung Norden lagen vier weitere großflächige Hallen. Sie gehörten alle zum Themenpark, dem geistigen Zentrum der Expo. Auf der gigantischen Fläche von 100 000 Quadratmeter, etwa so groß wie 10 Fußballfelder, wurden hier mögliche Zukunftsperspektiven aufgezeigt. Dabei ging es um die Bereiche Umwelt, Basic Needs, Ernährung, Gesundheit, Energie, Wissen, Zukunft der Arbeit und Mobilität. Also umfangreiche Themen, die zum Teil spannend und aufregend, zum Teil auch eher nüchtern dargestellt wurden. Die Meinungen darüber gingen weit auseinander.
Der Themenpark war eine Welt für sich. Wer sie genau erforschen wollte mußte viel Zeit und Geduld mitbringen. Es war jedenfalls ein Projekt, das es bisher auf anderen Weltausstellungen nicht gegeben hatte. Es war anspruchsvoll und vielmehr als „nur„ eine Ausstellung der Nationen. So konnte man der Expo, zum Trotz vieler Kritiker, wirklich bescheinigen, dass sie nicht nur ein Vergnügungspark war, sondern auch in die Tiefe ging. Vor allem mit dem Themenpark und dem Global-House.

Gleich neben den Themenparkhallen lag das futuristisch anmutende Presse- und Tagungszentrum. An seinem nördlichen Ende vor dem Turm, der wie ein Ufo aussah, befand sich eines von 10 Kunstobjekten, die man auf der Expo bewundern konnte. Dabei handelt es sich um ein riesiges Mosaik, das aus 7,5 Millionen Teilen bestand. Es war so großflächig angelegt, dass man es allerdings nur in Ausschnitten betrachten konnte. Was das Ganze darstellen soll, könnte man nur aus der Luft erkennen.
Das Mosaik war bei jungen Leuten besonders an heißen Sommertagen ein beliebter Treffpunkt. Zwei Fontänen sorgten für Abkühlung. Man konnte dort einen Augenblick verweilen und dem bunten Treiben zuschauen. Die Jugendlichen hatten einen großen Spaß daran, sich gegenseitig unter die Fontänen zu ziehen oder stellten sich einfach darunter. Sie waren dann bis auf die Haut klitschnass. Doch an einem solchen heißen Tag trocknete die Kleidung schnell wieder.

Im Anschluss folgten noch andere Grünanlagen. Ein See, ebenfalls mit vielen Fontänen. Die Wasserwelten, eine Gartenanlage mit kleinen Wasserflächen zum Ausruhen oder ein Rasenstück mit den Weltenschaukeln. Das waren kugelförmige an Ketten aufgehängte Korbgeflächte, in die man sich zum Schaukeln hineinsetzen konnte. So gab es überall auf dem Gelände Grünanlagen, die zum Ausspannen einluden. Und das war wichtig. Denn wenn man auch nur wenige Stunden über die Expo gelaufen war, fingen die Füße bei der langsamen Bummelei schon an weh zu tun.

Hinter diesem Grünstreifen folgten die nächsten Hallen. In ihnen präsentierten sich Nationen aus Europa, hauptsächlich aber aus dem Nahen und Mittleren Osten und aus Nordafrika. Also hauptsächlich arabische Länder. Sie gehörten unserer Meinung nach zum Besten, was die Expo zu bieten hatte. Es waren besonders die Länder Ägypten, Syrien, Marokko und Tunesien, die unsere Urlaubserinnerungen weckten. Sie zeigten Basarstraßen, Berberzelte, Räumlichkeiten aus orientalischen Palästen und das ganze arabische Flair, vom Tamariskensaftverkäufer über Märchenerzähler bis hin zu den Handwerkern, Gewürz- und Teppichverkäufern, die auf jedem Basar zu finden sind. Dazu kamen die Arabischen Nächte mit ihren Tänzen und Gesängen. Es war schon großartig.

Im Anschluss an diesen Bereich folgte eine weitere riesige Halle. In ihr waren die Nationen Asiens untergebracht. Natürlich war auch sie eindrucksvoll, weckte aber nicht so sehr unser Interesse. So sahen wir sie uns mehr oder weniger flüchtig an. Es war eine völlig andere Welt als die arabische, auch wenn sich in ihr der Islam auch weit ausgebreitet hat. Doch es ist es ein ganz anderer Menschenschlag, der eine völlig andere Kultur hervorgebracht hat.

Zwischen diesen beiden unterschiedlichen Bereichen wurde eine besondere Gartenanlage geschaffen, der Erdgarten. Er bestand aus einer länglichen Rasenfläche und mehreren großen Rasenkegel mit unterschiedlicher Höhe und unterschiedlichen Neigungswinkeln. Die größten Kegel hatten eine Höhe von 12 Metern. Natürlich reizten diese steilen und runden Rasenflanken zum Erklettern. Doch waren sie zum Teil so steil, dass es gleich zu Anfang der Expo zu Kletterunfällen kam und sie eingezäunt werden mussten.
Gleich daneben stand eine Fantasiegestalt, die der Musiker und Künstler Andre Heller geschaffen hatte. Eine menschliche Figur mit einem Vogelkopf darauf, eine Art Erdgeist oder Faun. Diese imposante etwa 10 Meter hohe Figur war so gestaltet, dass sie nur aus den Blättern von Efeugewächsen zu bestehen schien.
Die ganze Anlage bot jedenfalls, mit den Glaswänden der großen Halle dahinter, in denen sich die Seilbahn spiegelte, einen ungewöhnlichen und schönen Anblick.
Mit in die Anlage eingefasst war das „Achte Weltwunder“, das mich besonders interessieren sollte. Es war ein kreisrundes Wasserloch, in das man hinab tauchen konnte. Drei Meter führte es in die Tiefe, um nach einer Biegung des Ganges in oder vor einer Überraschung zu enden. Was das nun war, wurde während der gesamten Dauer der Expo nicht verraten. Ich vermutete dahinter eine Tropfsteinhöhle, aber es konnte auch etwas ganz anderes sein. So wirkte das Achte Weltwunder eine große Angziehungskraft aus. Bei einem Besuch sollte ich dort hinabtauchen und das Geheimnis ergründen.

Gleich im Anschluss an den Erdgarten befand sich die Faust-Halle. Unter den unzähligen kulturellen Veranstaltungen sollte dort ein Expo-Highlight stattfinden. Peter Steiner inszenierte den Urfaust ungekürzt. Das war ein riesiges Unterfangen und bedurfte zweijähriger Vorbereitungszeit. Es war sozusagen das Lebenswerk des Regisseurs. Der bekannte Schauspieler Bruno Ganz hatte als Faust viele tausend Verse zu sprechen. Die Gesamtzeit der Aufführung betrug, ohne die Pausen und die Schlafunterbrechung mitgerechnet, sage und schreibe dreiundzwanzig Stunden. Das war natürlich nur etwas für echte Kulturfreaks und Hartgesottene. Die Kritiken gingen nachher weit auseinander. Beim Publikum kam das Stück jedoch durchweg gut an.

Gleich nebenan befand sich vor dem Nordplatz, auf dem wir einmal eine marrokanische Berber-Fantasia erlebt hatten, die große Kanadische Halle, die besonders im Dunkeln mit ihrem großen, rot leuchtenden Ahornblatt schön aussah.
Dahinter lagen die beiden letzten Hallen, die das Gelände nach Norden hin abschlossen. Da war eine Medien-Halle, in der Fernsehshows stattfanden und daneben die Attraktion für die Jugend überhaupt, die Fun-Sport-Halle. In ihr wurde alles geboten, was im Moment bei den Kindern und Jugendlichen an Sportarten modern ist: Basketball, Volleyball, zwei Halfpipes verschiedener Schwierigkeitsgrade, Kickboardfahren, Mountenbike und natürlich eine große Kletterwand. Dazu gab es die passende Rap-Musik, so dass in der Halle ein enormer Geräuschpegel war. Aber es war eine tolle Stimmung, die nicht nur der Jugend gefiel.

Nun wenden wir uns wieder in östliche Richtung und gelangen am Konzerthaus vorbei zum Expo-See mit dem Hermesturm und dem Expo-Dach, das sich besonders im Dunkeln, schön angeleuchtet, auf der Wasseroberfläche zauberhaft spiegelte. Es war eines der schönsten Motive, die die Weltausstellung zu bieten hatte. Sah man auf das Wasser, so erblickte man auch zahlreiche Fledermäuse, die in den Sommermonaten ihre Kurven über den See zogen. Auch eine andere Spiegelung sah man aus einem bestimmten Blickwinkel, nämlich die der gegenüberliegenden Afrika-Halle auf der anderen Seite der Allee der Vereinigten Bäume. Diese Halle war bei der den meisten Besuchern die beliebteste aller großen Hallen. Darin konnte man afrikanische Atmosphäre schnuppern. Einerseits präsentierten die Länder den neusten Stand ihrer Umweltprobleme – in erster Linie ging es um die Wasserversorgung – andererseits zeigten sie Kulturelles. Bunte Verkaufsstraßen mit handgeschnitzten Figuren, Masken und Trommeln und anderer Instrumente luden zum Bummeln ein. An einer Bühne konnte man oft moderner afrikanischer Musik lauschen. Es war eine Ausstellung voller Exotik. Für archäologisch Interessierte gab es originale Totenschädel von Frühmenschen zu bestaunen, die vor mehreren Millionen Jahren gelebt haben. Auch eine Kopie des relativ gut erhaltenen Skelettes von „Lucie“ dem wohl bekanntesten Skelett der Erde.

Vor der Afrika-Halle und neben dem Hermes-See zog sich eine weitere Grünanlage quer über das Gelände. Das war die Parkwelle, die aus sanften Hügeln und Tälern bestand. Vorbei an Eichen, Buchen und Tulpenbäumen führte der Weg zu einem Birkenwald, der auf dem höchsten Punkt dieser Grünanlage lag. Von ihm hatte man einen Blick auf einen kleinen See mit Insel, in dem sich der japanische, der thailändische und der nepalesische Pavillon in der Dunkelheit zauberhaft spiegelten. Welch ein Anblick!

Hatte man auch diesen Grünstreifen durchquert, so gelangte man auf das Westgelände. Dort präsentierten sich die Länder und Institutionen, die einen eigenen Pavillon errichtet hatten. Das war natürlich ein attraktives Gelände, denn hier konnten die Architekten ihre Kreativität zeigen. So gab es futuristische, außergewöhnliche oder der Landeskultur entsprechende Pavillons. Zu den optisch interessantesten und eindrucksvollsten gehörten die bunte Tempelanlage von Bhutan, der silbergraue und leuchtend blaue Rundbau des Dualen Systems, die fantastische Papierkuppel Japans, der Bambusbau von Zeri, der blaue Würfel von Island mit den Wasserwänden, die geometrischen Bauten von Mexiko, das Lotosblumendach von Venezuela, das Big Tipi, das riesige Indianerzelt und natürlich der wundervoll geschnitzte Tempel von Nepal, den ich von allen am schönsten fand. Andere Pavillons wie die von Indien, Korea, Australien, Thailand, Singapur, Kolumbiens und des Vatikans waren zwar auch sehenswert, doch waren sie vom Äußerlichen nicht so attraktiv. Eines hatten sie jedoch fast alle gemeinsam. Egal wie sie von außen aussahen. In ihrem Inneren zeigte jedes Land irgendetwas Besonderes. Ob es nun kolumbianische Gold-Indianerarbeiten waren, exotische Fische aus dem Amazonasgebiet, ein Tornado, ein Geysir oder das laut Vatikan älteste Bildnis von Jesus, das Mandylion von Edessa hinter dickem Panzerglas und von Kameras bewacht aus dem Vatikan. Es war so unterschiedlich und vielfältig. Während das Hallengelände von Außen nicht sonderlich attraktiv war, so war das bei den beiden Pavillongeländen anders. Hier machte es einfach Spaß zu Bummeln, ohne Ziel die hellen, freundlichen Wege entlang zu schlendern, zu gucken und zu staunen und sich im regen Treiben der Menschen und Musikgruppen aufgehen zu lassen.

Eine abendliche Anlaufstelle auf diesem Westgelände war die Plaza Latina. Ein kleinerer Platz mit Bühne zwischen Venezuela und Mexiko. Hier sollten bald jeden Abend lateinamerikanische Gruppen auftreten. Ob Folklore, verschiedenste Musik oder Tanz. Es wurde viel geboten. Und was man einem Publikum in Norddeutschland kaum zugetraut hätte, traf hier so oft ein. Es wurde getanzt und mitgesungen. Es herrschte eine total ausgelassene Stimmung, die niemanden unbeteiligt ließ. Die Süd- und Mittelamerikaner brachten es fertig, die Menschen aufzumischen und eine Fröhlichkeit zu verbreiten, die einmalig war. Oft ging es bis Mitternacht rund. Wer dann immer noch nicht genug hatte, konnte zu fortgeschrittener Stunde am Australischen Pavillon bei Livemusik das landestypische Bier trinken. Reichte auch das nicht aus, so hatte bis zum frühen Morgen die mexikanische Kneipe geöffnet, in der die Stimmung oft den Siedepunkt erreichte. Das war eben das Schöne an der Expo. Auf dem Gelände konnte man so lange bleiben wie man wollte. Kein Besucher wurde rausgeschmissen.

Habe ich bis auf die Plaza den Bereich des alten Messegeländes zum Großteil beschrieben, so wollen wir uns nun dem völlig neu entstandenen Ostgelände zuwenden. Dazu gehen wir die Alle der Vereinigten Bäume zurück, steigen die große Treppe hinauf, überqueren die Exponale und die Plaza und erreichen die Postbox. Hinter dem Deutschen Pavillon begann an dieser Stelle das über einen Kilometer lange Pavillon-Ostgelände, das für mich den schönsten Bereich der ganzen Expo ausmachte. Hier sollte das Bummeln noch mehr Spaß machen als auf dem Westgelände. Den besten Überblick über diesen Bereich hatte man von der Post-Box. Der Blick ging über die Grünanlagen der Gärten im Wandel, der vielen so unterschiedlichen Pavillons, bis hin zum Wal am anderen Ende und dem See und dem Park, die den Abschluss bildeten. Im Hintergrund sah man die Hochhausshilouette Laatzens, den Expo-Bauernhof, die Hildesheimer Berge und bei klarer Sicht den Harz. Es war ein Ausblick, der sich immer lohnte. Ein Blick auf die interessante Architektur und das Gewusel der vielen Menschen.

Am besten erkundete man das Gelände von den preisgekrönten Gärten im Wandel aus, die der Landschaftsarchitekt Kamel Louafi geschaffen hat. Er beginnt mit einer Ansammlung dunkler Kiefern, die aus einen Steinmeer von grauen Kieseln heraus wachsen. Graue Felsklötze gehören ebenfalls dazu. Umgeben wird dieses dunkelgrüne Rechteck von hellen freundlichen Plattenwegen, die das ganz Gelände überziehen. Hinter dem Wald kann man durch eine rechteckige Öffnung einer Mauer sehen, die den weiteren Verlauf der Gärten einzurahmen scheint. Danach geht es eine Etage tiefer, denn von hier ab ist die Gartenanlage auf einer unteren Ebene angelegt. Von der Abbruchkante fiel ein 50 Meter breiter Wasserfall herunter. Von dort hatte man auch den Blick auf einen großen Wasserfall, der laut rauschend von der Vorderfront des Norwegischen Pavillons herabstürzte. Unter der kleineren Wasserwand der Gartenanlage befand sich auf der ganzen Breite ein Wasserbecken. Dort konnte man zwischen Pflanzenkübeln ausspannen. Besonders beliebt an heißen Sommertagen. Dann wurden die blauen Stühle ins Wasser gestellt und die Besucher konnten zur Erfrischung die Beine ins Wasser baumeln lassen.
Vorbei an asiatischen Gingkos, Linden und Birnnbäumen, gelangte man zu ein einem quadratischen Gebäude dessen Wände von bräunlichen, warmfarbenen Mauern gebildet wurde. Besonders im Dunkeln war es schön, sich auf einen der Stühle vor dem kleinen Teich im Inneren zu setzen, der durch Unterwasserleuchten ständig seine Farben wechselte.
Weiter ging es über Rasenflächen, auf denen von müden Besuchern gern ein Mittagsschläfchen gehalten wurde. In Höhe des Yemen-Pavillons wandelte sich der Garten in einem Bambuswald, um dahinter vor dem Wüstenfort der Vereinigten Arabischen Emirate in eine Wüste mit künstlichen Dünen auszulaufen. Doch waren die Grünanlagen in diesem Bereich längst nicht zu Ende. Hinter dem Wal, einem geschwungenem Gebäude des CVJM mit einer riesigen stählernen Schwanzflosse, begann ein großer See. Er war von einem reizvollen Park umgeben, den nur wenige Expo-Besucher als Ziel hatten. Dabei wäre er der ideale Ort gewesen, um von dem Trubel auszuspannen, zumal man von einem Hügel einen schönen Blick auf das Gelände hatte. Doch nun zurück zu den Pavillons.

Wenn man unter den vielen Platanen entlang schlenderte und bei der Postbox den Beginn der Gartenanlage erreichte, so fielen einen zur Linken sogleich zwei markante Gebäude auf. Das waren die Pavillons der Schweiz und Norwegens. Die Schweizer hatten einen ganz besonderen Einfall, der so simpel war, aber doch so außergewöhnlich. Ihr Pavillon bestand aus einfachen Holzlatten, nicht mehr und nicht weniger. Die waren nun so gestapelt, dass sich dabei eine Art Labyrinth ergab. Einzig und allein einige Musiker füllten das Innere neben den Besuchern aus. Da war nicht gerade viel. Doch bei diversen Wahlen zum besten Pavillon landete die Schweiz grundsätzlich auf den vordersten Rängen. Hier war es wohl die Idee, die zum Erfolg führte.
Gleich daneben rauschte der norwegische Wasserfall vor einer silbergrauen Wand aus der Höhe herunter. Besonders im Dunkeln, schön beleuchtet, sah er stimmungsvoll aus. Ein architektonischer Genuss.
Danach folgte der Pavillon der Türkei, der aus einem Grund in den Medien populär werden und der Expo ungewollt Publicity bescheren sollte, der äußerst ungewöhnlich war. Und das kam so: Ein Stück weiter befand sich der Pavillon von Monaco. Als beim Nationentag Fürst Rainer, Prinzessin Caroline und ihr Mann Ernst August, Prinz von Hannover, der durch diverse Eskapaden in den Medien Weltruf erlangte – wenn auch nicht den besten – auf der Expo weilten, wurde dieser seinem Ruf erneut gerecht. Ernst August mußte nämlich einem natürlichen Bedürfnis nachgehen und seine Blase entleeren. Im Schutz der Dämmerung fühlte er sich unbeobachtet und pinkelte nun ausgerechnet, wohl ohne sich dabei etwas zu denken, an die Außenwand des Türkischen Pavillons. Doch überall lauern Paparazis, und so wurde er auf frischer Tat abgelichtet und das Bild in allen Zeitungen veröffentlicht. Das war natürlich mehr als peinlich für das Hannoversche und Monagesische Fürstenhaus. Ernst August entschuldigte sich zwar in aller Form bei den Türken, die die Entschuldigung natürlich annahmen. Doch hatte er seinem schlechten Ruf wieder alle Ehre gemacht. Nicht nur, dass er Journalisten verprügelte, er konnte auch andere Dinge vollbringen. Von nun an wurde es bei den vielen Schülern, die das Gelände mit ihren Klassen besuchten, Kult, sich an die Außenwand des Türkischen Pavillons zu stellen, die Ernst-August-Position einzunehmen und sich dabei fotografieren zu lassen. Doch natürlich war auch das peinlich und so wurde ein Wächter abgestellt, die jungen Leute zu vertreiben.

Weitere Pavillons folgten. Polen mit einem schönen und typischen Hüttendorf, Tschechien mit mittelalterlicher Kultur, China mit der Vorstellung des im Bau befindlichen größten Staudamms der Erde, Kroatien mit der Präsentation seiner wundervollen Landschaften, die wir nicht nur aus den Karl-May-Filmen kannten, der nach Glanz und Reichtum aussehende Bau Monacos und als Abschluss das märchenhafte Wüstenfort der Vereinigten Arabischen Emirate. Das war die eine Front der Gärten im Wandel. Doch natürlich gab es auch eine gegenüberliegende Seite.

Hinter der Postbox begann sie mit Äthiopien. Dass dieses arme Land einen eigenen Pavillon errichtete, wunderte mich schon. Mitten im Hof stand ein großer, künstlicher Feigenbaum. In seinem Inneren hatte das afrikanische Land jedoch etwas wirklich Besonderes zu bieten. Es war die Kopie des in aller Welt berühmten dreieinhalb Millionen Jahre alten Skeletts von Luci, einer Australopitecusfrau, das bekannteste Skelett der Erde.

Hinter Lokalitäten, die sich überall auf dem Gelände befanden – schließlich macht so ein Tag auch hungrig und durstig - befand sich ein Freilichtkino mit der größten transportablen Filmleinwand der Erde. Hier fand in den vier Sommermonaten fast täglich das Filmfastival statt. Das war schon ein besonderes Erlebnis, an lauwarmen Sommerabenden oder zu fortgeschrittener Jahreszeit unter klarem Sternenhimmel zwischen den 3000 Zuschauern zu sitzen, die auf den Stühlen Platz fanden. Natürlich wurden nur ausgewählte Filme gezeigt. Entweder Kultfilme, wie z. B. Esy-Rider, zu dem Hollywood-Star Dennis Hopper angereist war, die Blechtrommel in der Gegenwart von Mario Adorf, der Stummfilm „Modern Times“ mit Charlie Chaplin und mit Orchesterbegleitung, zu dem seine Tochter etwas erzählte oder eben Filme die Kassenknüller waren wie Titanic oder Star Wars.

Nur wenig weiter kam der Pavillon, der mein persönlicher Favorit war, der Jordaniens. Oft habe ich ihn besucht. Bei ihm handelte es sich um eine tiefer gelegte Fläche, die einer Ausgrabungsstätte nachempfunden war. In ihr wurden viele Kunstwerke früherer und heutiger Zeit gezeigt, zwischen denen man umher wandeln konnte und die man auch anfassen durfte. Dieses großartige Gesamtkunstwerk wurde komplett abgebaut und sollte in der jordanischen Hauptstadt Amman wieder aufgebaut werden.

Hinter Jordanien folgte ein weiterer arabischer Pavillon und der sah aus wie ein Palast aus den Märchen von Tausend und eine Nacht. Es war die Lehmburg des Yemen. Sie hatte die landestypischen mehrstöckigen Lehmziegelhäuser zum Vorbild. In ihrem Innenhof war ein kleiner Basar untergebracht. In den Mauern dieses Gebäudes fühlte man sich wirklich wie im Orient. Und das war ein toller Kontrast: Hier der ursprüngliche Bau einer alten Kultur und schräg gegenüber, nur einen Steinwurf entfernt, der moderne, weiß glänzende Pavillon Monacos mit seinen Luxusjachten. So etwas gibt es eben nur auf einer Expo.

Wir wenden uns jetzt in die entgegengesetzte Richtung. Am Wal und den Vereinigten Arabischen Emiraten vorbei, gelangte man in ein Zeltdorf. Zwischen mongolischen Jurten flatterten bunte Wimpel im Wind. Die größte Jurte war der Nachbau der Palastjurte des Dschingis Khan. Mächtige Holzräder flankierten den fahrbaren Untersatz. In den ersten drei Expo-Tagen gab es besonders hier viel zu sehen. Auf ihren wendigen Ponys führten die Mongolen ihre Reitkunst vor, zeigten Bogenschießen und in ihren prächtigen Gewändern andere Vorführungen aus dem Folklorebereich.

Hinter dem Jurtendorf traf man erneut auf eine Straße, die parallel zu den Gärten im Wandel verlief und an der Rückseite deren Pavillons zur Plaza zurückführte. Hier reihte sich zu beiden Seiten ein Pavillon an den anderen. Ich will nur einige besondere näher erwähnen.
Da war zunächst der imposante Kuppelbau Italiens mit einem virtuellen Wasserfall. Er sah mit der an ihm vorbei schwebenden Seilbahn futuristisch aus. Von Innen sollte er allerdings eher enttäuschen.
Schräg gegenüber befanden sich die drei Pavillons der baltischen Länder Lettland, Estland und Litauen. Sie bekamen wegen ihres Einfallsreichtums der Bauten beste Kritiken von den Architekten. Besonders der von Estland mit dem Tannenwald auf dem Dach, der sich wellenförmig bewegte, hatte es ihnen angetan.
Das diese drei Länder, sowie viele andere auch, wie z. B. die Ukraine oder Kasachstan, an der Weltausstellung teilnahmen, war eigentlich nichts besonderes. Doch wenn man die Zeit auch nur eineinhalb Jahrzehnte würde zurückdrehen können, dann hätte man zu diesem Zeitpunkt nicht im Entferntesten daran gedacht. Damals herrschte noch der Kalte Krieg zwischen Ost und West und die Sowjetunion schien ein in sich gefestigter Staat zu sein. Dass sie sich einmal und so schnell auflösen würde und viele neue Länder, die es schon einmal gab, wieder entstehen würden, das konnte wohl kaum jemand voraus ahnen. Doch heute nehmen wir es fast so hin, als sei es schon immer so gewesen und denken kaum noch an die großen Umwälzungen der Nachkriegsgeschichte.

Nur wenig weiter folgte ein Pavillon, der für mich der formschönste aller Expo-Pavillons war. Das kleine Ungarn hatte einen fantastischen Bau errichtet. Zwei große geschwungene Holzwände, die oft mit zwei geöffneten Handflächen oder einer offenen Lotosblüte verglichen wurden, umschlossen einen Hof, der von einem weiten Zelttuch überspannt wurde. Abgesehen von denen ihrer alten Kulturen geprägten Länderpavillons, war es für mich der mit Abstand schönste Bau.
Gleich dahinter folgten andere interessante. Da waren die geometrischen Bauten Dänemarks: Pyramide, Kubus und Halbkugel. Ein Stück weiter das Windnest der Finnen, das wegen seiner Gesamtanlage zum besten Pavillon gewählt wurde. Hohe gradlinige Holzwände fassten einen Birkenwald ein, der von mehreren begehbaren Stegen durchzogen wurde.
Den letzten Platz in dieser Reihe nahm Holland ein. Die Holländer hatten sich etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Da sie in einem kleinen Land leben, kamen sie auf die Idee, platzsparend zu bauen und verschiedene Landschaften übereinander zu stapeln. Damit hatten sie den attraktivsten Pavillon errichtet, der als Vorzeigeprojekt der Expo galt und über den am meisten in den Medien berichtet wurde.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite lagen von der Plaza aus gesehen der Reihenfolge nach die Pavillons von Frankreich, Großbritannien, Schweden, Belgien, Spanien, Griechenland, Irland, Italien und Rumänien. Sie waren alle bis auf den schon erwähnten Italiens unspäktakulär gebaut. Das hatte seinen Grund. Denn viele von ihnen sollten für eine Nachnutzung erhalten bleiben. Man hatte aus den Fehlern Barcelonas gelernt, wo noch heute nach acht Jahren alles vor sich hinrottet. Das sollte in Hannover anders werden. Entweder sollten die Pavillons wieder abgebaut werden oder sie sollten z. B. als Büros oder Firmensitze weitere Verwendung finden. Ein sinnvolles Verhalten der Expo-Organisatoren. Natürlich tat das der Präsentation in ihrem Innern keinen Abbruch. So war der äußerlich langweilige Pavillon Frankreichs für mich einer der sehenswertesten.

Als letztes Gebäude, in dem es etwas zu sehen gab, möchte ich die Mittelstation der Seilbahn benennen. Wie schon erwähnt, hat die Seilbahn eine Südtiroler Firma erbaut. Und so lag es auch nahe, dass in der Station eine Ausstellung über Berge eingerichtet wurde. Reinhold Messner selber hatte die Ausstellungsstücke zusammengetragen, die von den Alpen bis zum Himalaja reichten, vom Ötzi bis zum Yeti. Es war ein Muss für alle Berginteressierten.
Die Mittelstation der Seilbahn diente nicht nur zum Einsteigen, sondern man musste auch hier umsteigen, wollte man das gesamte Gelände überfahren. Eine Bahnstrecke führte diagonal über das Ostgelände bis zum Wal, die andere quer über das alte Messegelände bis zum Pavillon Venezuelas. Einmal bin ich mit der Bahn gefahren. Aus den in 30 bis 40 Metern Höhe schwebenden Gondeln hatte man schon eine interessante Vogelperspektive auf das Gelände. Die Menschen wuselten wie Ameisen in einem Haufen durcheinander. Doch leider ging die Fahrt viel zu schnell vorbei.
Eines hatten die Ingenieure beim Bau der Bahn allerdings nicht bedacht, was sie aus den Bergen auch nicht kannten. Über einigen Hallen mit ihren geschwungenen Dächern traten Luftverwirbelungen auf. Dadurch gerieten die Gondeln bei starkem Wind ins Schaukeln und die Bahn musste abgestellt werden. Aber das kam selten vor. Insgesamt sollte die Seilbahn ein Erfolg werden und sich die 40 Millionen Mark Baukosten durch die Fahrpreise amortisieren.
Irgendeine Bahn gehört zu solch einer großen Ausstellung in jedem Fall dazu. Und so gab sie, egal wo sie fuhr, ob über die Plaza, die Exponale, die Spanische Treppe oder über das Pavillongelände dem Ganzen ein weltstädtisches Flair. Der Anblick der gelben Gondeln gehörte einfach zur Expo dazu und ohne sie wären Expo-Bilder kaum denkbar gewesen.

Mit der Seilbahnstation haben wir den Rundgang über das Expo-Gelände beendet und sind wieder am Ausgangspunkt an der Plaza angekommen. Nun kann man sich in etwa vorstellen, wie es auf der Expo aussah. Was es während der fünf Monate, in denen wir hauptsächlich mit dem günstigen Abendticket die Expo viele Male besuchten, zu erleben und zu bestaunen gab, davon möchte ich, wie bereits erwähnt, in diesem Beitrag nicht berichten. Das würde den Rahmen sprengen, ist er doch auch so schon lang genug. Und jeder hat schließlich seine eigenen Erinnerungen, die ihn mehr oder weniger berührt haben. Im persönlichen Tagebuch habe ich es für uns aber aufgeschrieben. Aber es waren Eindrücke, von denen viele unvergesslich waren, die uns beeindruckt und viel Freude gemacht haben. Besonders auch bei den kulturellen Veranstaltungen. Ob es beim brasilianischen Karneval war, bei den Fantasia-Berberspielen, bei den Tempeltänzern aus Sri Lanka, den koreanischen Trommlerinnen, den bekanntesten Flamencotänzern Spaniens, den Tänzen nordamerikanischer Indianer, dem Auftreten bekannter Musikgruppen und noch viel mehr. Eine ganze Weile könnte ich so fortfahren. Der bunte Kulturmix aus aller Welt hatte so viel zu bieten und natürlich die Menschen aller Hautfarben selber, die ihre Musik oder ihre Kunst vortrugen. Es waren unglaubliche Momente dabei, und die haben unser Leben so bereichert.

Was von der Expo geblieben war

Katerstimmung in Hannover. Die Weltausstellung war zu Ende. Wer das Expo-Gelände mit seinem ganz besonderen Flair kennen und lieben gelernt hatte, sollte es jetzt vorerst nicht mehr betreten. Es wäre zu deprimierend. Noch in der Nacht wurde mit dem Abbau begonnen. Laut Tageszeitung gleicht die Afrika-Halle einem riesigen Sperrmüllhaufen. In den anderen Hallen sieht es nicht anders aus. Die riesige Fläche des Themenparks musste binnen zwei Wochen geräumt sein, dann stand die nächste Messe ins Haus. Mit den Pavillons konnten sich die Länder mehr Zeit lassen. Sie mussten erst bis Februar abgebaut sein. Das Pavillon-Westgelände würde demnächst zu Messeparkplätzen ausgebaut. Das Pavillon-Ostgelände blieb zumindest zum Teil erhalten. Dazu gehörten die schönen Grünanlagen der „Gärten im Wandel“ und mehrere Pavillons, die an Firmen oder andere Einrichtungen verkauft werden konnten. Andere Pavillons, wie z. B. Ungarn, Jemen oder Polen, suchten noch Käufer mit würdiger Nachnutzung. Sie sollten dann an anderer Stelle in anderen Städten wieder aufgebaut werden. Der Themenpark wurde an das Bundesland Nordrhein-Wesfalen verkauft. Auf der Fläche des Messegeländes werden die „Allee der vereinigten Bäume“ und das riesige, fantastische Expo-Dach erhalten bleiben. Auch die Plaza sollte so bleiben wie sie war. Allein der Christuspavillon wurde entfernt und an anderer Stelle wieder aufgebaut. Auch zukünftig soll die Plaza ein belebter Platz bleiben. Die Arena, Lokalitäten, Hochschulen für Studenten, Einkaufsmöglichkeiten und diverse Veranstaltungen werden dafür sorgen. So bleibt uns ein Teil der Expo erhalten und wird uns auch in Zukunft an diese schöne Zeit erinnern.

Was gibt es über die Expo 2000 nun noch zu sagen. Betrachtet man es nüchtern und sachlich, so hätte es diese Weltausstellung gar nicht geben dürfen. 2,4 Milliarden DM Schulden sind eine riesige Summe. Voraussichtlich wird der Bund zwei Drittel, das Land Niedersachsen ein Drittel der Kosten übernehmen. Im Vorfeld der Expo wurde von den Planern erzählt, dass sie dem Steuerzahler keinen Pfennig kosten und sich selbst finanzieren werde. Dass das eine Milchmädchenrechnung sein würde, konnte schon vorher geahnt werden. Eine andere Rechnung, die nicht aufging, waren die Besucherzahlen. 40 Millionen war völlig unrealistisch, davon einmal abgesehen, dass das Gelände diese Massen nicht verkraftet hätte. Am Spitzentag, dem 2. Oktober, waren 290 000 Besucher auf dem Gelände, das damit weit überlastet war. Von freudiger und gelöster Stimmung war an diesem und ähnlichen Tagen nicht mehr viel zu spüren. Die Warteschlangen vor den Pavillons waren viel zu lang und die Wartezeit betrug an den Attraktionen um die vier Stunden. Das macht auch den geduldigsten Besucher aggressiv. Das waren jedoch die Ausnahmen. Normale Wartezeiten betrugen zwischen 15 Minuten und 2 Stunden. Anders war es in den ersten zwei Monaten Juni und Juli. Durch ungenügende und nicht gelungene Werbung, besonders im Ausland, kamen zu dieser Zeit nur relativ wenige Besucher. Pro Tag waren es im Schnitt 70 000. Für uns hatte das natürlich den Vorteil, dass wir uns alles in Ruhe und fast ohne Wartezeiten ansehen konnten. Für uns hätte es also gar nicht besser sein können. Doch war es andererseits frustrierend, wenn wir die leeren Hallen und Busse und Bahnen sahen. Das änderte sich mit Beginn der Sommerferien. Nach viel Negativwerbung der Medien, zum Großteil durch die Expo selbst verschuldet, kam die Wende. Nun kamen die Massen in realistischen Zahlen und ab da war das Gelände gut gefüllt. Das die Zahl von 40 Millionen Besuchern zu hoch gegriffen war, muss den Verantwortlichen bewusst gewesen sein. Aber anscheinend konnte nur so der Bund für dieses Großereignis gewonnen werden. Vielleicht wird das Ganze noch ein politisches Nachspiel haben. Die Besucherzahl betrug insgesamt 18,1 Millionen, das sind im Schnitt pro Tag etwa 110 000 Besucher. Realistisch gesehen hätten es auch bei positiver Einschätzung nicht viel mehr werden können. Die doppelte Zahl war nie erreichbar. Auch die Einschätzung der Hotellerie, der Gastronomie, der Geschäftsleute, der Theater, der Museen, des Zoos und vieler anderer Einrichtungen, die sich auf die erst genannte Zahl begründete, ist nicht aufgegangen. Sie alle hatten mit einem Ansturm gerechnet. Im Gegenteil. Statt dorthin zog es die Menschen mit dem günstigen Abenddticket auf die Expo, so dass es sogar Einbußen gab.

Doch was hat die Expo noch gebracht? Und nun wird es erfreulicher. Zunächst hat sie den Menschen Arbeit gebracht. Jedem ist bekannt, wie hoch die Arbeitslosenzahlen in unserem Land sind, die im Bundesdurchschnitt bei knapp 10 Prozent liegen. 50 000 Menschen waren über einen Zeitraum von etwa fünf Jahren mit der Expo direkt und indirekt beschäftigt und erhielten dadurch einen Job. Die Steuereinnahmen von Land und Bund beliefen sich bei den Gesamtkosten der Expo, die sich inklusive des Ausbaus der Infrastruktur auf etwa 12 Milliarden DM belaufen, auf ca. zwei Milliarden. Genaue Zahlen werden folgen.

Was schlägt noch positiv zu Buche? Da ist einmal die Modernisierung des Messegeländes. Riesige Hallen wurden in modernster Technik errichtet. Das Gelände bekam einen neuen attraktiven Bahnhof mit längst überfälligem Anschluß zum Flughafen, ein Manko bisher. Die neu angelegte Stadtbahnlinie D ermöglicht einen weiteren Anschluß, auch für den neuen Stadtteil Kronsberg. Dieser völlig neue Vorzeigestadtteil wurde wegen der Expo aus dem Boden gestampft. Er wurde nach neusten ökologischen Gesichtspunkten angelegt. Von überallher kommen Fachleute, um von seiner Anlegung zu profitieren.
Der Kronsberg hat, wie schon in Teil I berichtet, sein Aussehen völlig verändert. Aus einer kahlen, monotonen Feldlandschaft ist eine Naturlandschaft entstanden. Für Mensch und Natur ist das ein enormer Gewinn. Wanderwege und neue Freizeitmöglichkeiten auf der einen und Biotope, die nicht betreten werden können, auf der anderen Seite, tragen dazu bei.
Dazu ist das Straßennetz von Hannover auf den neusten Stand gebracht worden. Man kann sagen, dass Hannover in seiner Stadtentwicklung um 10 bis 20 Jahre nach vorn gebracht wurde. Dazu kommt, dass die Region Hannover an Ansehen groß gewonnen hat. Sei es nun für Touristen oder für die Wirtschaft.

Nun aber wieder zur Expo. Was hat sie gebracht? Da ist das Global-Haus mit seinen 700 weltweiten Projekten. Diese Projekte sind zum Teil durch die Expo entstanden. Der Großteil allerdings war bereits vorhanden, ist aber durch die Expo weltweit publik geworden, so dass andere Regionen der Erde davon profitieren können. Sei es nun, dass es um den Umweltschutz geht, um Gesundheits-, Natur-, Wasser- oder soziale Projekte. Das Global-Haus hat geholfen, die Welt zu vernetzen und einen Austausch zu ermöglichen, der sonst nicht zustande gekommen wäre und der auch in Zukunft erhalten bleiben wird.

Auch technisch hat die Expo für Fortschritt gesorgt. So z. B. durch den Bau des großartigen Holzdachs. Noch nie auf der Welt hat die Holzindustrie ein ähnlich riesiges und aufwendiges Bauwerk errichtet. Tischler, Zimmerleute, Statiker, Computerfachleute, Prüfingeneure und andere Fachleute arbeiteten Hand in Hand. Den Bau dieses Expo-Daches kann man von der Kompliziertheit her nur mit dem Bau von großen Flugzeugen verglichen werden. Diese neue Technik wird für das Material Holz für die Zukunft wegweisend sein.
Ob die Roboter-Eier aus dem Themenpark Wissen wegweisend sein werden, muss sich noch herausstellen. Eine knifflige Entwicklung hat es ermöglicht, dass die 100 Eier eigenständig reagieren. Sie bilden Gruppen, weichen den Menschen oder anderen Eiern aus, kommunizieren miteinander, suchen sich ständig neue Wege und bilden andere Gruppierungen.

Was bleibt noch von der Expo, was hat sie noch bewirkt? Sie hat zur Völkerverständigung beigetragen, und das ist wohl das Wichtigste überhaupt, was mit Geld nicht aufzuwiegen ist. 153 Tage lang sind Menschen verschiedenster Regionen der Erde, verschiedenster Hautfarben, verschiedenster Religionen und verschiedenster Kulturen zusammengekommen, haben voneinander erfahren sich ausgetauscht und manchmal auch voneinander gelernt. Sie alle haben ermöglicht, dass sich unser geistiger Horizont erweitert. Dass wir mehr Verständnis für andersartige Menschen haben und das viele Menschen selbst toleranter geworden sind. Andere Menschen und Völker so akzeptieren wie sie sind - es sei denn, dass die Menschenrechte verletzt werden – und nicht zu versuchen, ihnen unsere Leitlinien vorzuhalten und ihnen unsere technisierte Welt aufzudrängen. Wenn sie es von sich aus wollen, ist es in Ordnung. Aber Missionierung ist völlig fehl am Platze. Jeder soll über seinen eigenen Weg entscheiden und bestimmen.

Was wir in diesen fünf Monaten erlebt haben kommt mir im Nachhinein fast wie ein schöner Traum vor. Eindrücke über Eindrücke haben sich bei uns fest eingeprägt. Da waren die Menschen aus über 150 Ländern mit ihrem Auftreten, das voller Kontraste war und ihren so unterschiedlichen Kulturen. Ob es die lockeren, fröhlichen kanadischen Indianer oder die steifen, puppenhaften Asiatinnen aus Korea und Thailand waren. Die stolzen Spanier beim Flamenco oder die fröhlich bei Zigeunermusik zum Tanz aufspielenden Rumänen. Die feiersüchtigen und vom Karneval beeinflussten Lateinamerikaner oder die von ihren Ritualen geprägten Japaner. Ich könnte weiter aufzählen ohne Ende. Es war eine Vielfalt, die einmalig war.
Was für Highlights haben wir erlebt: Ob Berber-Reiterei und Geschichtenerzähler aus Marokko, ob Trommeltänze aus Asien, ob brasilianische Veranstaltungen in einem Rausch von Klängen, Kostümen und Farben, ob der a-Capella-Chor Lady-Black-Mambazo aus Südafrika mit seinen ungewohnten, aber wunderschönen Klängen oder ob es fröhlich ausgelassene Konzerte waren, wie die der Puhdys am Tag der deutschen Einheit oder die Prinzen und Rednex am Schlusstag. Alles war auf seine Art schön und alles einzigartig. Natürlich kann man davon auch das eine oder andere im normalen Alltagsleben mitbekommen. Aber nie in dieser Vielfalt und nie so geballt – man müsste dazu schon zu einer Weltreise antreten – und wohl auch nicht in so friedlicher und fröhlich ausgelassener Atmosphäre. So viele gutgelaunte und fröhliche Gesichter wie bei diesem Fest wird man wohl so schnell nicht wieder sehen.

Aber nicht nur die Menschen die das Gelände bevölkerten waren ein Erlebnis, sondern natürlich auch das Gelände selber. Das Pavillon-Westgelände, aber ganz besonders das Ostgelände waren wunderschön. Herausragend waren die Pavillons, die sich mit Multi-Media zurückhielten und sich auf althergebrachte Weise präsentierten. Dazu gehörten der handgeschnitzte Tempel von Nepal mit den unzähligen Gebetsfahnen, der landestypische, bunte Tempel des Bhutan, der Bambuspavillon von Zeri, der großartige Holzbau der Ungarn mit seinen geschwungenen offenen Wänden, der Birkenwald der Finnen, von der Idee her die gestapelten holländischen Landschaften, die märchenhafte Lehmburg des Jemen, das polnische Hüttendorf, der Historie zeigende Pavillon der Tschechen und das, wenn auch nicht echt wirkende Wüstenfort der Vereinigten Arabischen Emirate. Nach meinem Geschmack waren diese alle unbedingt sehenswert, während viele andere zu sehr auf Multimedia setzten. Und wer möchte schon Filme auf einer Weltausstellung sehen, wenn sie nicht ganz besonders gut gemacht sind. Eine Ausnahme bildeten auf diesem Gebiet Ungarn, die Vereinigten Arabischen Emirate und Deutschland. Trotz der modernen Medien gehörten diese Pavillons mit ihren Präsentationen zu den besten.
Doch nicht nur von Innen waren diese Pavillons sehenswert. Es war das gesamte Gelände um sie herum. Mit den vielen Grünanlagen, Gewässern und den hellen Platten auf den Gehwegen und Plätzen strahlte es in den Sommermonaten ein südländisches Flair aus und es machte allein schon viel Spaß, nur so umher zu bummeln.
Brach die Dunkelheit herein, dann zeigten sich viele Pavillons in stimmungsvollem Licht. Zum Teil schon kitschig, aber doch irgendwie schön und man konnte kaum glauben, dass man sich in Hannover befand. Es war eine Welt für sich, die so märchenhaft und so anders war als alles andere.
Einen anderen Reiz übten die Hallen aus, in denen sich zwei Drittel aller Länder präsentierten. Ob es der laute, bunte Trubel Schwarzafrikas war, das rege Treiben Südamerikas oder das orientalische Flair der arabischen Welt. Alles war ein Erlebnis für sich.

Alles in allem kann ich sagen: Auch wenn es die Expo aus finanziellen Gründen nicht hätte geben dürfen, so war sie doch eine großartige Veranstaltung mit vielen, vielen wundervollen Ereignissen, die unvergesslich bleiben werden. Und manchmal wiegen zwischenmenschliche Beziehungen, Freude, Fröhlichkeit, die Toleranz und das Verständnis zu anderen Völkern und Menschen mehr als irgendwelche Bilanzsummen. Die Expo hat für die Völkerverständigung mehr getan als je eine andere Veranstaltung auf deutschem Boden und die freundlichen deutschen Gastgeber in ein anderes Licht gerückt, als das, was oft im Ausland von uns wahrgenommen wird. Und gerade das haben wir nötig, wo Schlagzeilen wie Ausländerfeindlichkeit, wo Anschläge und Verfolgung von andersartigen Menschen an der Tagesordnung sind und die Schlagzeilen die Medien beherrschen. Wenn man die deutsche Geschichte betrachtet, so konnte uns nichts Besseres als diese Weltausstellung passieren. Die Expo war wunderbar und wird es auch in der Erinnerung bleiben. Und so denken nicht nur wir, sondern unzählige andere Menschen.

Bürgerreporter:in:

Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode

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