Die Weltgeschichte in Stein gemeißelt, an der Fassade des Landesmuseums Hannover - Doch wie lange bleibt dieses Wissen der Menschheit erhalten?

Der Mensch hat die Erde erobert und für sich in Besitz genommen.
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Heutzutage wird das Wissen der Menschheit in verschiedensten Kombinationen von Einsen und Nullen an zig verschiedenen Orten auf der ganzen Erde gespeichert, in der digitalen Sprache. Das hat eine Menge Vorteile, können doch auf diese Weise gigantische Datenmengen, egal ob in Zahlen, in Buchstaben, in Bildern oder in Tönen festgehalten und vervielfältigt werden. Doch hat diese Technik auch einen großen Nachteil. Wie lange kann ein solches Speichermedium, das diese Informationen trägt, erhalten bleiben? Und das sieht gar nicht so besonders gut aus, so innovativ es auch ist. Alle neuentwickelten Speichermedien halten die Informationen, wenn überhaupt, nur Jahrzehnte fest. Ob Schalplatten, Tonbänder, CD`s, Magnetbänder oder nun die Festplatten unserer Computer. Und wie rasant hat sich diese Technik schon nach wenigen Jahrzehnten oder sogar nur Jahren verändert, so dass wir auf alte Daten nicht selten überhaupt nicht mehr zurückgreifen können. Sie sind, hat man sie nicht digitalisiert, wie zum Beispiel unsere selbstgemachten Videofilme, für immer verloren.

Doch wie lange bleibt das Digitalisierte erhalten? Auch das ist ziemlich ungewiss. So könnte es sein, dass Menschen in einigen Jahrtausenden oder Jahrzehntausenden – sofern es sie noch geben wird – auf die heutige Zeit als das dunkle Zeitalter zurückblicken werden, von dem nicht viel bekannt sein wird. Wer wir waren, wie wir gelebt haben und wo wir den Atommüll versteckt haben, wenn davon überhaupt noch jemand weiß? Alles das, oder zumindest sehr viel, könnte einer zukünftigen fernen Menschheit verborgen bleiben.

Und das ist schon irgendwie paradox, haben doch die vor uns lebenden längst nicht so weit entwickelten Menschen Speichermedien entwickelt und verwendet, die lange überdauert haben und die zum Teil noch sehr, sehr lange überdauern werden. Bücher aus säurefreiem Papier halten Jahrhunderte. Geschriebenes auf Pergament kann nach 1000 Jahre noch gelesen werden. Und natürlich erst recht in Keramik Gebranntes oder in Stein Gemeißeltes. Ob Keilschrift oder Hieroglyphen. Beides kann vermutlich in Jahrzehntausenden noch gelesen werden, vielleicht in Jahrhunderttausenden. Und beide uralte Schriftsprachen haben uns ein ziemlich gutes Bild der frühesten Hochkulturen der Menschheit vermittelt. Der Sumerer im Zweistromland von Euphrat und Tigris, der Ägypter am Nil. Weiß eine zukünftige Menschheit über diese Kulturen dann vielleicht besser Bescheid als über den heutigen, modernen Menschen? Es könnte so sein.

Doch es gibt Hoffnung. In wissenschaftlicher Erprobung sind zurzeit Mikrogravuren auf extrem widerstandfähigem Quarzglas, das fast unbegrenzt haltbar scheint. Geschrieben wird mit normalen Buchstaben. Allerdings sind die so winzig klein, dass zum Beispiel der gesamte Text des Neuen Testaments auf der Fläche eines Fingernagels Platz finden würde. Gelesen werden können diese Informationen natürlich nur mit speziellen Mikroskopen. Doch so könnte zumindest das bedeutendste Wissen erhalten bleiben. Voraussetzung wäre allerdings, dass die Menschen in ferner Zukunft mit unserer heutigen Schrift noch etwas anfangen können, dass sie noch gelesen werden kann. Wie schnell hat sich unsere Sprache allein in den letzten Jahrzehnten verändert. Und nur noch Fachleute und Wissenschaftler können zum Beispiel die Schriftsprache des Mittelalters lesen und verstehen, nicht aber gewöhnliche Menschen.

Wem die Mikrogravuren allerdings zu klein sind und wer sich für Informationen, die ebenfalls lange, wenn auch nicht annähernd so lange wie diese Mikrogravuren, erhalten bleiben können, interessiert, demjenigen empfehle ich den Besuch des Landesmuseums Hannover. Das bietet interessante Ausstellungen über Biologie, Geologie, Historisches oder Kunst an. Viele Menschen aus dem Großraum Hannover werden das kennen.
Doch es lohnt sich auch, bevor man diesen schönen Bau aus der Kaiserzeit betritt, mal den Kopf anzuheben und nach oben an die Fassade zu schauen. Dort sind nämlich diverse interessante Informationen in Stein gemeißelt und damit für lange Zeit gespeichert. Es geht dabei um nichts Geringeres als die Geschichte der Menschheit selber. Jede bedeutende Epoche des Homo Sapiens ist dort aus Sicht der westlichen Welt mit einem typischen Bild ihrer Zeit dargestellt. Praktisch die Weltgeschichte im Schnelldurchlauf. Also kein langes Wälzen von Geschichtsbüchern, sondern einfach mal hochgucken.

Und dort sieht man sie in schöne steinerne Reliefs gemeißelt, unsere Vorfahren, die uns den Weg zu unserer heutigen modernen Zivilisation geebnet haben. Die uns aus Jägern und Sammlern über die verschiedenen frühen Hochkulturen und schließlich dem Mittelalter zu dem werden ließen, wer und was wir heute sind. Zu einem Wesen, das diesen schönen blauen Planeten grundlegend verändert hat. Anthropozän könnte dieses Zeitalter der Erde, für das es verantwortlich ist, genannt werden.

Für dessen derzeitiges Ende, die digitale Revolution, ist dort oben an der Fassade des Landesmuseums allerdings kein Platz mehr. Ein solches Bild könnte den Menschen mit einem Smartphone in der Hand zeigen, den Kopf geneigt und wegen des zum Großteil menschengemachten Klimawandels vielleicht bis zu den Waden im Wasser stehend.

Und welches das nächste Zeitalter werden wird, das ist im Moment schwer vorstellbar. Welche Steigerung kann es zur Computertechnik noch geben? Oder sind wir damit auf dem Höhepunkt unseres technischen Menschseins, auch wenn dieses noch verfeinert werden kann, angekommen? Wird das zukünftige Zeitalter das des Roboters werden, in dem der Mensch nur noch eine untergeordnete Rolle spielen wird? Und wird es das des menschlichen Untergangs werden oder das Zeitalter, in dem der Mensch doch noch alles zum Guten wenden wird?
Wir selber werden es nicht mehr erfahren. Dafür aber unsere Nachkommen, sofern wir ihnen eine einigermaßen vernünftig bewohnbare Erde hinterlassen werden. Und das könnte ja vielleicht geschehen, auch wenn es im Moment nicht unbedingt danach aussieht. In jedem Fall lohnt es sich weiterhin Apfelbäume zu pflanzen, sollen doch den schönen Bildern an der Fassade des Landesmuseums noch andere folgen.

Bürgerreporter:in:

Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode

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