Ein Paukenschlag beim Vorentscheid zum Eurovision Song Contest – Andreas Kümmert, ein Sieger der nicht gewinnen will (Fotos: Christel Wolter)

Sieger und tragische Figur zugleich. Andreas Kümmert wollte nicht gewinnen.
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Das Beste kommt nicht unbedingt immer zum Schluss. Eigentlich sollte der Gewinner-Titel am Ende dieser ESC-Veranstaltung noch einmal vom Sieger vorgetragen werden. Doch Andreas Kümmert sorgte, nachdem er das Stechen mit Ann Sophie gewonnen hatte, für ungläubiges Staunen, eben einen Paukenschlag. Nachdem er die Glückwünsche von Moderatorin Barbara Schöneberger unter dem tosenden Jubel der meisten der Viereinhalbtausend ESC-Fans in der umgebauten TUI Arena und den Millionen Zuschauern vorm Bildschirm entgegengenommen hatte, ergriff er in seiner zurückhaltenden Art das Mikrofon und sagte, dass er sich nicht in der Verfassung fühle, Deutschland bei diesem Wettbewerb in Wien zu vertreten. Er sei doch nur ein kleiner Sänger, so Kümmert und Ann Sophie sei viel besser dazu geeignet. Das saß. Zunächst verstand niemand so richtig, was da vor sich ging, und selbst die nicht gerade auf den Mund gefallene Barbara Schöneberger wusste nicht so recht wie ihr geschah. Doch dann reagierte sie souverän. Buhrufe und Pfiffe hingegen hallten durch das weite Rund. Schockstarre bei den vielen Kümmert-Fans.

Dabei hatte der Abend eigentlich gut angefangen, obwohl zunächst Conchita Wurst, die Vorjahressiegerin von Kopenhagen auftrat und ihren Siegersong von damals noch einmal zum Besten gab. Doch mit ihrem Outfit und ihren Gesangsbeilagen ist sie gewöhnungsbedürftig und nicht jedermanns Sache. Doch dann kamen tatsächlich einige Songbeiträge, die man sich durchaus anhören konnte. Es war eine bunte Mischung verschiedenster Musikrichtungen, bei der jedem Zuschauer irgendetwas mehr oder weniger gut gefiel, manches aber auch gar nicht. Ob deutschsprachiger Pop, elektronische New-Age-Klänge, ein mittelalterlicher Trommelsong, hämmernde Bässe, klassischer Volkpop oder auch ein Countrysong. Alles bunt gemixt. Und wie Barbara Schöneberger meinte: Wer dabei nicht den passenden Song für sich findet, der hat selber schuld. Sie führte übrigens erfrischend und witzig durch den ganzen Abend und sparte dabei auch nicht mit Selbstironie.

Vier der acht Anwärter schafften es dann in die nächste Runde, darunter auch die Wildcard-Teilnehmerin Ann Sophie. Drei meiner persönlichen Mitfavoriten schieden jedoch aus. Immerhin hatte es Andreas Kümmert geschafft, der zumindest optisch so gar nicht in die Glitzerwelt dieses Showbusiness passen wollte. Und man merkte ihm vor und nach seinen Auftritten an, dass er sich darin nicht sonderlich wohlfühlte.

Alexa Feser machte nach dem Aussieben in der zweiten Runde den weiblichen Herbert Grönemeyer - aber nicht schlecht. Die Frauencombo Laing mit Frontfrau Nicola Rost sorgte mit dem Song „Wechselt die Beleuchtung“ zwar für eine gute Lichtshow, war aber akustisch eher irritierend. Ann Sophie schien einen Lauf zu haben, warum auch immer. Sie kam bei der Auszählung der Stimmen dann tatsächlich in die letzte Runde. Ebenso wie Andreas Kümmert mit seinem Bluesrock-Song „Heart of Stone“. Und es war ein Genuss, diesem mit seiner eindrucksvollen Stimme und seiner Hingabe zuzusehen und zuzuhören. Gänsehautatmosphäre!
Und so waren es die beiden doch so unterschiedlichen letztgenannten, die schließlich den Showdown unter sich austrugen. Natürlich hatte jeder seine Fans in der Arena, und es durfte gezittert werden. Doch dann verlas Barbara Schöneberger den Sieger, und es traf mit fast 80 Prozent Stimmanteil den Richtigen. Der Saal tobte. Jubelnd wurden Arme in die Höhe gerissen, andere blieben hängen. Und damit war tatsächlich, was nicht immer der Fall ist, ein wirklich guter Sänger mit ebenfalls tollem Song zum Sieger erklärt worden. Er hätte in Wien alle Chancen gehabt, unter die ersten 10 Platzierten zu kommen. Doch dann die schon erwähnte Ernüchterung. Die Begeisterung schlug in herbe Frustration um.
Wie konnte das nun passieren? Warum nimmt Andreas Kümmert, über den wir uns zunächst so gefreut hatten und der unsere Wertschätzung hatte, an einem Wettbewerb teil, den er gar nicht gewinnen wollte? Fühlt er sich diesem Showrummel nicht gewachsen? Hat er vielleicht gesundheitliche Probleme? Oder fühlt er sich in dieser glamourösen Welt einfach nicht wohl, in der er auch wie ein Fremdkörper wirkt, wie ein Antistar? Wir wissen es nicht. Vielleicht wird er sich dazu ja noch äußern. Fakt ist jedenfalls, dass er nicht hätte teilnehmen dürfen. Er hat jemand anderem einen Platz weggenommen. Er hat Ann Sophie einen zweifelhaften Sieg beschert, die nun im Mai mit zwiespältigen Gefühlen am großen Finale teilnehmen wird. Und er hat den ganzen Wettbewerb und die ihn wählenden Zuschauer vor den Kopf gestoßen. Vielleicht hat er im Vorfeld den Rummel dieser ganzen Veranstaltung unterschätzt. Wie dem nun auch sei. Ein schöner Wettbewerb ging mit einem Fiasko zu Ende. Und das hat der ESC nicht verdient.
So fährt nun Ann Sophie nach Wien, die ich persönlich nicht unter den letzten Vieren gesehen habe. Aber das ist eben Geschmacksache. Sie hätte zwar die Stimme einen James Bond Titelsong zu singen. Doch kommt ihr Song bei einem europaweiten Publikum auch an? Ich bezweifele es und befürchte, dass Deutschland mit „Black Smoke“ mal wieder einen der letzten Plätze abonniert hat. Doch nichtsdestotrotz drücken wir ihr die Daumen und wünschen ihr viel Glück für den musikalischen Höhepunkt ihres Lebens. Und Andreas Kümmert wird uns in Erinnerung bleiben. Als tragischer Held, aber mit einer tollen Stimme.

Bürgerreporter:in:

Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode

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