Als in Hannover noch Korn gemahlen wurde: Sechs Windmühlen haben die Zeiten überdauert

Die Anderter Mühle am Kronsberg
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Windmühlenromantik in Hannover: Sechs ehemalige Getreidemühlen sind in Hannover mehr oder weniger erhalten geblieben. Korn wird in ihnen allerdings schon lange nicht mehr gemahlen. Heute dienen sie als Eigenheim oder sind einfach nur hübsch anzuschauen.

Seit 1876 klapperten in Ahlem Windmühlenflügel, erst 1932 ließ sie der damalige Besitzer abmontieren. Aber noch bis 1939 sorgten fleißige Müller für das Mehl zum täglichen Brot, zuletzt mit Elektrokraft. Anschließend zog vorübergehend eine Wäscherei in das alte Gebäude. Heute dient die Mühle zu Wohnzwecken. Vor rund 30 Jahren gab es Pläne, wieder Flügel anzubringen. Die Hannoversche Stadtteil-Zeitung West (Vorläufer des Stadtanzeigers) berichtete darüber am 21. Juli 1988. Doch daraus wurde offensichtlich nichts.

Ein ähnliches Schicksal wie das Windkraftwerk in Ahlem erlitt die Wettberger Mühle. Etwa 1874 trat sie die Nachfolge einer uralten hölzernen Bockwindmühle an. 1969 wurde die Mühle schließlich stillgelegt, nachdem sie bereits 1952 ihre Flügel verloren hatte. Auch sie, die wohl dem Stadtteil „Mühlenberg“ den Namen gegeben hatte, dient nun als Wohnraum. Immerhin, die beiden Mühlen gibt es noch, während das Windkraftwerk von Limmer für immer verschwunden ist.

Mittelalterliche Mühlenromantik lässt sich auf dem Lindener Berg genießen. Wo einst ein Wehrturm mit seinen starken Mauern Fremde abschreckte, lädt ein Biergarten zum Verweilen ein. Der Ort hat eine lange Geschichte. 1392 errichteten die Bürger der aufstrebenden Leinestadt im Zuge der Landwehr auf dem Lindener Berg einen Bergfried, d.h. einen Wehrturm. Im 17. Jahrhundert verloren diese militärischen Vorposten ihren Verteidigungswert. „Um allen Mühlenmangel zu verhüten“, ordnete Herzog Georg Wilhelm von Calenberg daher 1651 den Umbau des Wachturms zur Mühle an.

Das neue Windkraftwerk zählte zur ultramodernsten Technik. Die herzoglichen Bauleute setzten eine drehbare Kappe mit Windmühlenflügeln auf den steinernen Turm. Hannovers erste „Holländerwindmühle“ war fertig. Dieser seinerzeit neuartige Mühlentyp aus den damals seit sechs Jahren schon nicht mehr zu Deutschland gehörenden Niederlanden sollte den hergebrachten Typ der Bockwindmühle verdrängen. Lange Zeit drehten sich auf den Lindener Berg die Mühlenflügel. Erst 1927 machte der Müller dem Gastwirt Platz.

Lange Zeit beherbergte auch die hübsche Buchholzer Windmühle ein Restaurant. 1869 als Ersatz für eine abgebrochene Mühle in Bothfeld errichtet, wurde bis in die 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts am Mittellandkanal das Korn gemahlen. Das Buchholzer Schmuckstück ist Überbleibsel einer ganzen Reihe von Mahlwerken im Nordosten der Stadt. „Am Groß-Buchholzer Kirchweg stand eine zweite Windmühle“ erzählte mir der leider zwischenzeitlich schon verstorbene Heimatforscher Helmut Zimmermann. Daneben klapperten einst in der List und in Misburg ebenfalls Flügel im Wind.

Ein adrettes Eigenheim ist aus der Anderter Mühle geworden. Während die benachbarten Mühlenbetriebe in Kirchrode und in Bemeroder den Mühlensterben zum Opfer fielen, überlebte das Anderter Wahrzeichen. Eine Familie richtete sich hier wohnlich ein und ließ sogar die Mühlenflügel erneuern.

Das Müllerhandwerk hat in Anderten eine lange Tradition. Schon 1291 ist von einem „Molendinum“ die Rede. Helmut Zimmermann sah darin einen Hinweis auf eine Wassermühle am Landwehrgraben. 1667 ist erstmals auf dem Kronsberg dann eine Windmühle erwähnt, die – altersschwach – 1854 durch den heutigen Bau ersetzt wurde. Müllermeister Friedrich Rode hielt das Mahlwerk bis 1949 in Betrieb.

Hannovers letzte Bockwindmühle steht im Hermann-Löns-Park in Kleefeld. Vor einigen Jahren dank des Einsatzes einer Bürgerinitiative umfassen renoviert und erneuert, kann das hölzerne Denkmal an bestimmten Tagen sogar besichtigt werden.

Die sogenannte „Alte Mühle“ hat eine lange Reise hinter sich, bevor sie ihren Altersruhesitz in dem Park nahe dem Annateich fand. Mühlenbaumeister Hans Behrendts erbaute sie auf der Bastion vor dem Aegidientor. Zusammen mit einer längst verschwundenen Windmühle in der Calenberger Neustadt ergänzte sie das System der Wassermühlen an der Leine. Helmut Zimmermann hatte nach den Anfängen der Alten Mühle geforscht. 474 Taler und 22 Groschen kostete ihr Bau anno 1701, fand Zimmermann heraus.

Helmut Zimmermann widerlegte damit die „amtliche“ Inschrift auf einem Fundamentbalken der Mühle. Danach soll sie bereits 1544 im sogenannten „Himmelreich“ ihre Flügel gedreht haben. Zimmermann: „Dort stand aber nur von 1580 bis 1603 eine Vorgängerin. 1748 zog die „Alte Mühle“ vom Aegidientor zum heutigen Opernplatz um. Der Name „Windmühlenstraße“ erinnert daran. 1844 musste die Mühle dem Opernhaus Platz machen, der Müller zog mitsamt seiner Mühle zum Emmerberg in der Südstadt weiter. Dann packte der Müllersmann erneut seine Koffer und verlegte ab 1863 seinen Betrieb noch etwas weiter südlich zum Engesohder Berg. Zehn Jahre später - 1873 - wurde die Mühle dann nach Hohenbostel bei Celle verkauft. Erst 1938 holten die Stadtväter von Hannover ihre Mühle in die alte Heimat zurück und machten sie zum Schmuckstück des neuangelegten Hermann-Löns-Parks.

Seither wurde die „Alte Mühle zu einem beliebten Fotomotiv. Still und friedlich wartet sie auf die Ausflügler. Und doch hat die Mühle ein Menschenleben auf den Gewissen. Ihre rotierenden Flügel erschlugen an 3. Juni 1868 den eineinhalbjährigen Müllersohn Albert Stimme. Aber das ist längst Geschichte. Heute stehen ihre Flügel für immer still.

Bürgerreporter:in:

Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld

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