Unser diesjähriges Abitreffen im Künstlerdorf Worpswede

Die typische Moorlandschaft, die die Worpsweder Künstler gern malten, ist als Kopie im Galerie-Hotel Haar zu erwerben.
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  • Die typische Moorlandschaft, die die Worpsweder Künstler gern malten, ist als Kopie im Galerie-Hotel Haar zu erwerben.
  • hochgeladen von Elke Backert

Außer Schauern am An- und Abreisetag bescherte uns Petrus Sonne, strahlend blauen Himmel, Wind und Wolken.

Wir wohnten im familiär und mit künstlerischem Gespür geführten Galerie-Hotel Haar. Obwohl es sich um ein Hotel garni handelt, war die Eigentümerin Frau Schwake auf Grund ihrer langjährigen Tätigkeit im „Kaffee Worpswede“ prädestiniert und bereit, uns am Ankunftsabend köstlich zu „bekochen“ mit Spargelcremesuppe, Spargel mit Rohem Schinken und Lachs und Roter Grütze mit Eis - alles überreichlich. Wir konnten auch bei diversen Getränken und lebhaften Gesprächen den weiteren Abend im Gastraum verbringen.

Nach dem freundlich servierten Frühstück stand pünktlich um 9 Uhr Dr. phil. Helmut Stelljes auf der Schwelle, ein passionierter Heimatforscher, Buchautor und Fotograf. Die Moorluft muss ein wahrer Jungbrunnen sein. Jedenfalls lief der 81-Jährige munter, wenn auch manchmal etwas weitschweifig, doch nicht uninteressant erzählend, in einem Tempo durch Worpswede, dass wir kaum folgen konnten und ihn ab und zu ein wenig bremsen mussten. Auf dem gut zweieinhalbstündigen Spaziergang konnte er uns historisch wichtige Orte der Künstlerkolonie zeigen.
Im Kaufhaus Stolte nahm 1889 mit der Einheirat des Düsseldorfer Kunststudenten Fritz Mackensen mit Mimi Stolte die örtliche Malerei ihren Anfang. Hier ist die Bauernreihe die älteste Straße von Worpswede und eine von hohen Bäumen bestandene Kopfsteinpflaster-Straße. Sie stellt mit ihren ehemaligen Bauernhäusern den alten, bäuerlichen Ortskern Worpswedes dar. Der Glockenstuhl mit der Dorfglocke von 1699 steht direkt vor dem Rathaus im ehemaligen Bötjer-Hof, dem Elternhaus der Künstlerin Sophie Bötjer, im Zentrum des Dorfes, das schon seit dem 13. Jahrhundert existiert. Die Glocke erinnert an Zeiten, in denen Worpswede noch keine eigene Kirche besaß. Heute wartet die evangelische Zionskirche samt Friedhof mit vielen Künstlergräbern auf Besucher, u. a. dem Grab von Paula Modersohn-Becker mit dem von Hoetger geschaffenen Grabmal Mutter und Kind, symbolisch für den Kreislauf von Werden und Vergehen.

Auf dem Weg über den einst bewaldeten Weyerberg erfuhren wir viel über das ehemalige Bauerndorf Worpswede („worp“ = Hügel, „wede“ = Wald), den Niedergang nach dem Dreißigjährigen Krieg, die Moorkolonisierung im 18. Jahrhundert und das wirkliche Aufblühen des Ortes durch die ersten Künstler, als da waren Fritz Mackensen, Otto Modersohn, Fritz Overbeck, Hans am Ende, Heinrich Vogeler und ihre Sponsoren.

Nach einer Mittagspause, die einige für weitere Erkundigungen des „Weltdorfes der Kunst“ mit seinen malerischen Häusern und attraktiven Kunstläden nutzten, führte uns Dr. Stelljes am Nachmittag zunächst in das dem Hotel benachbarte moderne Museum am Wohnhaus der Modersohns. Die Sammlung Kaufmann gibt einen umfassenden Überblick über die Anfänge der Malerei in Worpswede und die Hinwendung zur Moderne mit Paula Modersohn-Becker.

Damit war bereits eine Überleitung gegeben zu unserer nächsten wichtigen Besichtigungsstation, dem expressionistischen Hoetger-Ensemble mit Großer Kunstschau, Kaffeehaus und Skulpturen-Park, sein Worpsweder Meisterstück. Was Hoetger ein paar Jahre vorher in Bad Harzburg mit seinem Kaffee Winuwuk verwirklichte, perfektionierte er hier 1925-27. Beim Kaffee Worpswede kombinierte Hoetger den nordischen Backstein mit exotisch anmutenden Elementen. Man weiß nicht recht, ob man ein Tipi oder einen asiatischen Tempel vor sich hat, wenn man sich dem markanten Giebel mit den geschwungenen Balken nähert. Den farbig gestalteten Innenraum bestimmt die hölzerne Weltenesche. Wir sahen also schon einmal von außen das „Kaffee Verrückt“, wie die Worpsweder den fantasievollen Backsteinbau ohne die gewohnten geraden Linien nennen, woher wohl die plattdeutsche Balkeninschrift rührt: „Wer't mag, der mag't; un wer't nich mag, de mag't jo woll nich mögen“. Im dortigen Restaurant mit der mächtigen Holzplastik „Weltenesche“ fand später unser gepflegtes Abschiedsessen statt.

An diesem Dienstagabend aber waren wir zu einem von Roman und Elke liebevoll hergerichteten Buffet in der von ihnen gemieteten großzügigen Ferienwohnung „Fritz Mackensen“ auf dem Weyerberg eingeladen. Bevor Herr Stelljes uns auf der mit 54,4 Meter höchsten Erhebung der Gegend ablieferte, spazierten wir mit ihm noch durch den Wald zum Barkenhoff, auch Birkenhof genannt, dem Anwesen von Heinrich Vogeler. Die Terrasse der Jugendstil-Villa mit der uns vom „Konzert ohne Dichter“, eines Romans von Klaus Modick, bzw. „Sommerabend“ bekannten Freitreppe zum Garten und Park wurde zwar gerade saniert, aber das Innere des Hauses mit seinen Ausstellungsstücken sowie das dort gezeigte Video waren ebenfalls sehenswert und informierten perfekt.

Vom Weyerberg genießt man eine atemberaubende Fernsicht in die weite Landschaft und das Teufelsmoor. Rainer Maria Rilke formulierte es so: Über den Weyerberg spannt sich „ein Himmel von unbeschreiblicher Größe und Veränderlichkeit“. Auch für die Maler war der Weyerberg mit seinem Ausblick ein großer Anziehungspunkt. Die Stimmung dort oben regt bis heute das Schaffen von Künstlern an. Elke und Roman spazierten vor der Haustür auf den Findorffberg und hielten inne am leider beschmierten Findorff-Denkmal zu Ehren des früheren „Königlichen Moorkommissars“ und „Moorvaters“ Jürgen Christian Findorff, eingeweiht 1799.
Nach der Entlöhnung unseres Führers, der uns die Atmosphäre des Ortes bestens vermittelt hatte, gab's dann den verdienten Sekt-Empfang bei Elke und Roman. Großer Dank für den netten Abend, auch für die männliche Begleitung durch den dunkelnden Wald!!! Die meisten sanken nach dem erlebnisreichen Tag bald müde ins Bett. Der harte Kern - wer’s war, bleibt geheim! - trank zum Abschluss noch ein Gläschen Roten beim Türken oder Griechen?, dem einzigen abends geöffneten Restaurant. Spätestens um 19 Uhr werden in Worpswede die Bürgersteige hochgeklappt.

Den Mittwochvormittag verbrachte jede auf ihre Weise, etliche von uns in der Kunstschau, wo auch das geschmackvolle Dank-Präsent für die Organisatorin gekauft wurde.

Um 12 Uhr brachen wir Galerie-Gäste - Elke und Roman nahmen lieber vom Berg aus das Auto - zu einem knapp einstündigen Fußweg zum Flüsschen Hamme auf. In dem dortigen Ausflugsrestaurant „Neu Helgoland“ neben der holländisch anmutenden Zugbrücke stärkten wir uns für die zweistündige Torfkahnfahrt. Nachdem wir gewichtsmäßig richtig verteilt und gegen den Wind mit Regencapes ausgerüstet worden waren, legte unser weißbärtiger Skipper pünktlich ab. Gebürtig im Teufelsmoor und in seiner aktiven Zeit Flugzeugingenieur in Bremen, konnte er uns fachkundig mit Land und Leuten vertraut machen. Er erzählte auf Hochdeutsch mit netten plattdeutschen Einsprengseln von der früheren Bedeutung des Moors, der harten Arbeit der Moorbauern und -bäuerinnen, wie wir es bereits auf den Gemälden gesehen hatten, und dem mehrtägigen Transport mit den Torfkähnen nach Bremen. Weit schweiften unsere Blicke über das ebene, von Kanälen durchzogene Land, die Ufervegetation und die vielfältige Vogelwelt. Ab und zu tauchte eine Torfhütte auf - in der Saison beliebtes Ausflugsziel. Flussabwärts fuhren wir mit leisem Motor, zurück wurde das traditionelle rotbraune Segel gesetzt. Obwohl Monika sich als Segelschein-Besitzerin outete, überzeugte ihre Hilfe nicht ganz... Doch trotz der vom Bootseigner Kommerau bereits angekündigten Überraschung in Form eines Probierfläschchens hochprozentigen Kräuterlikörs ging niemand über Bord.
Der Rückweg, wieder vorbei an der Windmühle, wurde von einigen im Wanderschritt zurückgelegt, für andere war er mühsamer. Aber zum Abendessen waren alle wieder fit. Mit Sekt oder Aperitif stießen wir nun endlich auf Traudi an, die uns über Hille zu diesem Trank eingeladen hatte. Neben den Grußkarten, die an alle Abwesenden geschrieben wurden, erhält Traudi als Dankeschön zusammen mit dem Ausdruck dieses Berichts drei großformatige Fotos unseres Treffens.

Abreisetag: Während Dörte „kurz nach Mitternacht“ aufbrach, um rechtzeitig ihren Oma-Pflichten nachzukommen, frühstückten wir anderen gemütlich, um danach zu unterschiedlichen Buszeiten abzureisen. Wie bereits am Ankunftstag mit Marie-Luise, Gisela, Ute und Monika verbrachte ich zusammen mit Ursel und Ute wiederum einige Stunden in Bremens Innenstadt. Nach dem Stadtrundgang am Montag lockte nun nach dem Aufenthalt in Worpswede das neben dem Roselius-Haus gelegene Paula Modersohn-Becker-Museum in der berühmten von Bernhard Hoetger gestalteten Böttcherstraße. Ein gelungener Abschluss!

Rückblickend hat alles bestens geklappt, und ich hörte mehrfach: „Das war unser schönstes Abiturstreffen, interessant und erholsam.“ Nur Ingrid, die am Dienstagabend noch Bremer Mitschüler/innen traf, die sie seit 50 Jahren nicht gesehen hatte, litt ein wenig unter Reisestress. Vor dem Hinflug musste sie auf dem Klagenfurter Flughafen alle Minigläschen mit selbstgekochter Marmelade abgeben - dabei war's doch so lieb gemeint -, und beim Verabschieden im Hotel nahm sie nicht nur Küsschen rechts und links, sondern auch den Zimmerschlüssel mit. Ingrids Vorschlag, das Klassentreffen 2016 im Mai oder September bei ihr am Klopeiner See in Kärnten zu organisieren, fand allgemeine Zustimmung. Da bereits mehrere den September vorziehen, solltet Ihr mir bald mitteilen, ob Ihr damit einverstanden seid. Einzelheiten werde ich dann mit Ingrid abklären.

Für weitere Reisen im Jahr 2015 alles Gute und liebe Grüße
Marianne

Bürgerreporter:in:

Elke Backert aus Hamburg

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