Mein Leben im Bund Neudeutschland

Aufstieg zum Antonius-Joch von Wengen, August 1970
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Manfred Hermanns
Mein Leben im Bund Neudeutschland

1. Einstieg und Kennenlernen des Bundes

1952 trat ich mit 16 Jahren in den Bund Neudeutschland ein. Ich wäre auch schon gern als Zehnjähriger in der Sexta diesem Bund beigetreten, aber mein Vater hatte es mir verboten, da er den katholischen Bund Neudeutschland mit dem kommunistischen „Neues Deutschland“ verwechselte. Eigentlich hätte er sich denken können, dass am humanistischen Gymnasium kein kommunistischer Jugendbund geduldet worden wäre, aber das Fluidum am Gymnasium war ihm sehr fremd.
Das Fähnlein, dem ich beitrat, waren die „Frundsberger“, benannt nach mittelalterlichen Landsknechten. Mein Fähnleinführer wurde Ferdinand Kerstiens (* 23.02.1933 in Münster/W.), von uns kurz Ferdi genannt, der später Priester und Hochschulpfarrer in der Hochschulgemeinde Münster wurde. Er hat das Fähnlein mit großem Engagement geleitet. 1952 organisierte er für uns eine Reise nach Schellenberg im Berchtesgadener Land. Ich lernte zum ersten Mal die gewaltigen Berge der Alpen kennen. Die landschaftlichen Schönheiten der Bergmassive der Berchtesgadener und Salzburger Alpen sind mir noch in wacher Erinnerung. Die Besteigung des Watzmann (2713 m) war damals jedoch für mich eine Nummer zu hoch, ich war stolz, das Watzmannhaus (1930 m) erreicht zu haben. Es war meine erste Übernachtung in einer Alpenhütte, und am frühen Morgen erlebten wir einen wunderbaren Sonnenaufgang in dieser Höhe.
Ein besonderes kulturelles Erlebnis auf dieser Reise war die Begegnung mit der Stadt Salzburg. Wir besichtigten gemeinsam den Dom, die Stiftskirche St. Peter mit Erzabtei, die Franziskanerkirche, die Kollegienkirche, die Residenz und den Hohensalzberg. So viele großartige Bauwerke aus verschiedenen Jahrhunderten hatte ich zuvor nie gesehen. Ich war von der Schönheit dieser Stadt überwältigt. Den Weg von Schellenberg nach Salzburg legten wir damals zu Fuß zurück und mussten dabei die deutsch/österreichische Grenze überqueren. Die 1952 erforderliche Passeintragung genehmigte uns nur den Zugang zur amerikanischen Zone in Österreich. Auch diese Merkwürdigkeit sei für spätere Generationen festgehalten.
1954 besuchte ich eine Führerschulung in der Jugendherberge in Düsseldorf, an der u.a Georg Thurmair mitwirkte, dem wir 300 Kirchenlieder verdanken, die u.a. unser „Gotteslob“ bereichern. Daraufhin übernahm ich selbst als Leiter ein Fähnlein beim Bund Neudeutschland, das ich drei Jahre bis zu meinem Abitur führte. Die Fähnleintreffen mit Spiel, Gesang und Kurzvorträgen gestaltete ich in der Laterne des Düsseldorfer Schlossturmes. In den Osterferien 1955 unternahm ich mit dem Fähnlein eine Reise in den Allgäu und an den Bodensee, bei der wir so beschauliche Städtchen wie Ottobeuren, Memmingen, Lindau, Meersburg und Überlingen kennenlernten und die Pfahlbauten bei Unteruhldingen besuchten. In Oberstdorf erhielten wir zudem einen Eindruck von der Alpenlandschaft.

2. Hochschulring

Während meines Studiums in Soziologie, katholischer Theologie, Geographie und Geschichte an der Universität Münster wurde ich Mitglied der neudeutschen Hochschulgruppe Augustinus, in der ich u.a. Hans Jochen Jaschke, den späteren Weihbischof des Erzbistums Hamburg, und Antonius Gescher, den späteren Akademiedirektor in Fulda, kennenlernte. Die Hochschulringgruppen in Münster boten ein vielfältiges politikorientiertes Abendprogramm mit Referaten und Diskussionen. Auch unternahm die Gruppe Augustinus mitunter eine nächtliche Wallfahrt zum Benediktinerkloster Gerleve. Der Hochschulring des Bundes Neudeutschland hatte in den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts noch kräftigen Nachwuchs.

3. Ferienerlebnisse mit dem Männerring

Während meiner ersten Berufstätigkeit in Frankfurt am Main nahm ich an mehrmals an Abenden des Männerrings des Bundes Neudeutschland teil. Am 26. April 1965 erhielt ich die Aufnahmeurkunde des Bundes, unterschrieben vom damaligen Männerringleiter Konrad Gehrmann, den ich später in Hamburg näher kennenlernte.
Ab Sommer 1970 verbrachte unsere Familie mehrere Jahre ihre Ferien in Wengen oberhalb des Gadertals in der Landschaft der Dolomiten. Der Bund Neudeutschland bot dort seit Jahren Familienferien incl. Kinderbetreuung an. So konnten meine Frau Maria und ich auch schwierigere Bergtouren unternehmen. Bundesbrüder und Bundesschwestern machten uns mit dem Bergwandern vertraut und halfen uns, Schwierigkeiten im Fels und im Schnee zu meistern. Nach ersten Einlauftouren auf die Armentara-Wiesen und zum Antonius-Joch wagten wir schwierigere Unternehmungen wie den Aufstieg durch die Puezscharte (2517 m) zur Puezhütte und die Besteigung des Peitlerkofels   (2875 m). Hier musste ich das erste Mal am Drahtseil gehen. Aber die Schwierigkeit wurde belohnt mit einem ausgezeichneten Ausblick. Am 14. August unternahmen wir dann sogar auf ungekennzeichnetem Pfad einen Aufstieg zum Pares (2397 m), von wo wir steil hinab ins Rautal sehen konnten. Die Dolomiten haben uns so fasziniert, dass wir in den nächsten Jahren gerne Gadertal oder andere Alpentäler aufsuchten.
Am 6. August 1973 bestieg ich mit einigen neudeutschen Freunden den Col di Lana (2462 m), der im Ersten Weltkrieg zwischen Italienern und Österreichern schwer umkämpft war und dessen Gipfel von italienischen Truppen unterminiert und in der Nacht vom 17. auf den 18. April 1916 gesprengt wurde. Unweit des heutigen niedrigeren Gipfels erinnert eine Kapelle an die blutigen Kämpfe von einst. Am 8. August unternahmen meine Frau Maria und ich zusammen mit Ehepaar Wels die wohl schwerste Bergbesteigung meines Lebens, die Erklimmung des Sass Rigais (3025 m), des höchsten Gipfels des mächtigen Geislermassivs. Trotz der Schwierigkeit drängten sich einige Bergsteiger am spitzen felsigen Gipfel mit einem vom Wind verbogenen Kreuz. Aber noch schwieriger als der Aufstieg war der Abstieg über einen Klettersteig, der nicht allein am Drahtseil entlangging, sondern auch über Leitern und Sprossen führte, die in den steilen Fels geschlagen waren. Der unternehmungslustige Bundesbruder Professor Antonius Wels hatte zu diesem Abstieg geraten. Das kühne Unternehmen bleibt in lebendiger Erinnerung. Der Erfolg verlockte zu weiteren anstrengenden Bergtouren. Deshalb unternahmen wir in den nächsten Tagen vom Rautal aus eine Bergtour zum Monte Sella di Sennes (2787 m), aber diesmal schaffte ich es nur bis zur Sennesscharte, jedoch meine Frau Maria nahm mit Ehepaar Wels auch diesen Gipfel. Obwohl erheblich höher, dennoch leichter war der Aufstieg zum Piz Boé (3152 m), der höchsten Erhebung in der Sellagruppe. Diese Tour unternahm ich mit Pfarrer Max Böhmer. Wir wählten vom Pordoi-Joch zunächst eine Kabinenbahn zur Pordoi-Spitze und hatten dann einen relativ bequemen Anstieg zum Piz Boé. Dort genossen wir einen großartigen Ausblick auf die gesamte Sellagruppe. - Der gemeinsam gestaltete Ferienabend mit Feuer und Würstchengrillen beendete die erlebnisreiche Ferienzeit. Unsere Tochter Gerburg fand Applaus bei dem Theaterspiel „Die gestohlenen Denkmäler“.
1974 und 1976 verbrachten wir mit Bundesschwestern und -brüdern die Sommerferien im Wallfahrtsort Maria Kirchenthal bei Lofer im Salzburger Land. Von dort aus bestiegen wir das Große Ochsenhorn (2511 m) und das Kammerlinghorn (2484 m) und besuchten die Domstadt Salzburg mit ihren wunderbaren Bauten. 1983 und 1987 erlebten wir Bundes-Familienferien in Köfels oberhalb des Oetztales in Tirol. Von dort aus bestiegen wir gemeinsam auch mehrere Gipfel der Ötztaler Alpen, z.B. den Gamskogel (2815 m), den Schwarzkogel (3035 m) und den Gänsekragen (2915 m).

4. Regionsleiter der Region Osnabrück/Hamburg

In den achtziger Jahren fuhr die ganze Familie öfters zu Pfingsten zur Regionaltagung der Gemeinschaft der Männer und Frauen (KMF) im Bund Neudeutschland nach Bad Zwischenahn. Bei der Pfingsttagung vom 5. bis 8. Juni 1987, an der etwa 70 Bundesschwestern und -brüder teilnahmen, wurde ich als Nachfolger von Paul Goedecke zum Regionsleiter der Region Osnabrück/Hamburg gewählt. Nach meiner Wahl trug ich u.a. folgende Gedanken vor: „Die Aufgabe des Regionsleiters in unserer neudeutschen Region übernehme ich nicht in einer Zeit der Aufbruchsstimmung, des Neuanfangs, einer neudeutschen Euphorie, aber in einer Bewährungszeit. Wir stehen vor der Frage, ob das, was wir als junge Menschen in der Kirche und in unserem Bund an Hoffnungen und Werten erfahren haben, unser Leben noch trägt, so trägt, dass auch jüngere Menschen die Lebenskraft dieser Hoffnungen und Werte für sich erkennen können.“ Mit diesem Ehrenamt war die Vertretung der Region bei Bundestreffen, die Organisation von Regionaltreffen und die Gestaltung der Regionsbriefe verbunden, Aufgaben, die ich mit großem Interesse wahrnahm. Mehrere der KMF-Ratssitzungen fanden in den kommenden Jahren in Unkel am Rhein und Frankfurt am Main statt. Auch bei Bistumsveranstaltungen musste ich den Bund Neudeutschland vertreten, so beim Bischofswechsel von Bischof Dr. Helmut Hermann Wittler zu Dr. Ludwig Averkamp am 27. September 1987 und bei der Bischofsweihe unseres Bundesbruders Hans Jochen Jaschke am 8. Januar 1989 im Dom zu Osnabrück und bei diözesanen Gremien wie z.B. der Diözesankonferenz der Gemeinschaft der katholischen Männer. Auch war es mir ein Anliegen, die Gruppen in Osnabrück, Nordhorn und Lingen aufzusuchen.
Ende der achtziger Jahre arbeitete ich an der Biographie von Heribert Lange, einen der drei Lübecker Kapläne, die vom nationalsozialistischen Regime wegen ihres mutigen Widerstandes 1943 hingerichtet wurden. Heribert Lange gehörte dem Bund Neudeutschland an. Zu der Biographie erhielt ich Quellenmaterial aus dem Bundesarchiv des Bundes Neudeutschland.
Im März 1989 nahm ich mit meiner Frau Maria an dem Bundestag in Oberammergau teil, der unter dem Thema „Zum Dienst der Versöhnung berufen“ stand. In guter Erinnerung habe ich den sehr lebendigen Vortrag von Schwester Dr. Lea Ackermann zum Thema „Frauen der Dritten Welt - Opfer von Ausbeutung und Versklavung“. Zu Pfingsten lud ich die Region zum Thema „Den Glauben weitergeben - Pastoral der Zukunft“ nach Bad Zwischenahn ein. Als Referenten hatte ich die mir bekannten Professoren Dr. Karl Gabriel aus Vechta und Pater Dr. Franz Schmid SDB von der Stiftungsfachhochschule Benediktbeuern eingeladen. Der Soziologe Professor Karl Gabriel wies in seinem Referat auf die tiefgreifenden Veränderungen der sozialen Bedingungen für das Christentum hin. Darauf sollte die Gemeinschaft der Glaubenden mit einer Pastoral antworten, die sich dem ganzen Menschen mit allen seinen Bedürfnissen zuwendet. Der Theologe und Pädagoge Franz Schmidt sah die Pastoral der Zukunft in einer Einheit von diakonischem Dienst, von Glaubensverkündigung in Wort und Tat sowie von frohmachender „Feier des Lebens“ in der Liturgie. Auch in den folgenden Jahren organisierte ich die Regionstreffen zu aktuellen Themen. In der Bundeszeitschrift „Hirschberg“ habe ich von den Pfingsttagungen 1990 und 1991 berichtet6. - In einigen KMF-Gruppen hielt ich Referate, so in der Stadtgruppe Hamburg im September 1989 zum Thema „Jugendliche zwischen Verselbständigung und Ablösung vom Elternhaus“. Am 8./9. Dezember 1989 fuhr ich zur 70-Jahr-Feier des Bundes Neudeutschland nach Köln, die im Gürzenich stattfand. Eines der Festvorträge hielt Bundesumweltminister Klaus Töpfer, der uns aufrief, wieder Zukunft zu gestalten. Das Jubelfest endete mit der Eucharistiefeier mit Bundesbruder Weihbischof Walther Kampe im Hohen Dom.
1991 wurde ich von der KMF-Leitung auf Bundesebene gebeten, in der Kommission zur Neuformulierung des Hirschberg-Programms mitzuarbeiten. Dieser Bitte kam ich gerne nach. Bei einer Regionsratssitzung im Februar 1991, die in unserer Wohnung stattfand, war auch der langjährige niedersächsische Minister Werner Remmers vertreten, der sehr zum Erfolg der Sitzung beitrug. 1991 musste ich die Aufgabe als Regionsleiter nur deshalb beenden, weil meine Frau Maria schwer krank wurde und verstärkt meine Hilfe brauchte. Mein Nachfolger wurde Karl Heinz Beckmann. Ich nahm noch für einige Jahre die Aufgabe des Stellvertreters wahr. Gemeinsam bereiteten wir die Tagung zum Thema Gentechnologie für die Regionen Hildesheim und Osnabrück auf dem Wohldenberg für Anfang Oktober 1991 vor. Zu Pfingsten 1992 luden wir die Region zu einer Tagung über Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ein. Als Referenten hatte ich gewonnen Dr. Werner Grenner und den ehemaligen Studentenpfarrer und Bundesbruder Hans Werners, den ich nach mehr als 20 Jahren wiedersah. Er bot mir das bundesbrüderliche Du an. Hans Werners hielt zwei sehr lebendige Referate, das erste zu „Eine ungelöste Spannung - Kirche als hierarchische Gemeinschaft und Volk Gottes“, das zweite zu „Die eine Kirche lebt in den vielen Kirchen - Die Bedeutung des Konzilsgedankens von der Kollegialität der Bischöfe“.

5. Abschließende Gedanken

Dieser kurze Lebensbericht mit Schilderungen von den vielseitigen Treffen mit Bundesschwestern und Bundesbrüdern möge auch Jüngeren einen Einblick geben von dem facettenreichen lebendigen Leben im Bund. Die zentrale Orientierung auf Christus war die ganzen Jahrzehnte selbstverständlich im Bund. Aber die religiöse Zielsetzung verhinderte nicht ein bewusstes Erleben der Natur und die intensive Beschäftigung mit politischen und gesellschaftlichen Themen, sondern intensivierte eher auch diese Seiten des Lebens. Dankbar schaue ich auf die Jahrzehnte im Bund Neudeutschland.

Bürgerreporter:in:

Manfred Hermanns aus Hamburg

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