Pflege via Bildschirm

Pflege via Bildschirm: Hubert Kießling, Fachpfleger für Gerontopsychiatrie, nimmt Kontakt mit einem Patienten auf. Dr. Jürgen Schübel, der Leiter der PIA, und Pflegeleiterin Heike Häfele schauen ihm über die Schulter.
  • Pflege via Bildschirm: Hubert Kießling, Fachpfleger für Gerontopsychiatrie, nimmt Kontakt mit einem Patienten auf. Dr. Jürgen Schübel, der Leiter der PIA, und Pflegeleiterin Heike Häfele schauen ihm über die Schulter.
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Am BKH Günzburg werden Patienten über den PC ambulant psychiatrisch versorgt. Das ist für beide Seiten von Vorteil.
„Wie geht es Ihnen heute? Was machen Ihre Schlafstörungen?“ Interessiert sitzt Hubert Kießling einem Patienten gegenüber und hört ihm aufmerksam zu. Der Mann, der an einer psychischen Erkrankung leidet, erzählt dem Fachpfleger für Gerontopsychiatrie, dass er dank der regelmäßig stattfindenden, entlastenden Gespräche besser durchschlafen kann. Hubert Kießling macht das gerne. Dafür sei er schließlich da. Wobei „da sein“ in diesem Augenblick nicht ganz wörtlich zu nehmen ist. Denn der Mitarbeiter des Bezirkskrankenhauses (BKH) Günzburg und sein ihm anvertrauter Patient sehen sich zwar, befinden sich aber nicht gemeinsam in einem Raum. Der Mann sitzt zuhause vor seinem PC, der Pfleger gut 30 Kilometer weiter an seiner Arbeitsstelle – in der Psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) - am Computer. Die Kommunikation findet nicht von Angesicht zu Angesicht statt, sondern via Bildschirm. Was sie hier machen, nennt sich Einzeltelepflege und ist von beiden gewünscht. Eine Therapieform für psychisch kranke Menschen, die noch ziemlich ungewöhnlich ist in Deutschland.
Die Einzeltelepflege am BKH Günzburg startete im Herbst 2012. Aktuell sind es drei Patienten, die auf diese Weise ambulant psychiatrisch versorgt werden. „Wir wollen das ausbauen. Allerdings ist diese Methode nicht für jeden geeignet“, sagt Heike Häfele, die Pflegeleiterin der PIA. Patienten mit zum Beispiel ausgeprägter Demenz oder Fehlwahrnehmungen scheiden aus. Das neue Behandlungsprogramm ist für jene gedacht, die eher zurückgezogen leben, aber gerne viel Zeit im Internet und am Computer verbringen. Voraussetzung für die Teilnahme an der Einzeltelepflege ist, dass Patienten mindestens sechs Monate eine sogenannte Bezugspflege in der PIA haben – also einen Menschen, der sich regelmäßig um sie kümmert und zu dem sie Vertrauen aufgebaut haben.
„Wer zuhause Besuch bekommt, gewährt direkten Einblick in seine Privatsphäre. Nicht jeder will das“, meint Katrin Wieser, stellvertretende Pflegedirektorin am BKH. Bei der Telepflege braucht diese Hürde nicht überwunden zu werden. Die Klinik hält auf andere Weise Kontakt zum Patienten. „Wir stellen zwischenmenschliche Kontakte über das Medium PC her, entlasten dadurch Angehörige und Personal und erreichen Patienten, die wegen zu großer Entfernung oder mangelnder Infrastruktur sonst vielleicht leicht aus unserem therapeutischen Blickfeld verschwinden würden“, so Heike Häfele.
In der Praxis wird ein infrage kommender Patient vom PIA-Mitarbeiter angesprochen und auf die Möglichkeit der Einzeltelepflege hingewiesen. Sollte dieser zustimmen, wird eine förmliche Einverständniserklärung eingeholt. Dann legen Patient und Pflegekraft genaue Kommunikationszeiten fest. „Wenn ein vereinbarter Termin nicht zustande kommt, wird der Patient angerufen oder aufgesucht und der Grund des Fehlens abgeklärt“, beschreibt die PIA-Pflegeleiterin das Vorgehen.
Die Sicherstellung des Datenschutzes hat höchste Priorität. Via Webcam und Internetleitung sehen und hören sich die Gesprächspartner.
Manchmal dauern die Gespräche nur kurz, manchmal auch 20 Minuten. Bei Telepflege gehe es nicht um einen neuen Beruf oder eine neue Disziplin, sondern um ein „Werkzeug“, mit dem therapeutische Hilfen schnell, flexibel und unkompliziert und ohne Fahraufwand für den psychisch kranken Menschen erbracht werden können, nennt der Leiter der PIA, der stellvertretende ärztliche Direktor Dr. Jürgen Schübel die Vorteile.
Nächster Schritt wird sein, eine ambulante Gruppentelepflege einzurichten. „Solche Modelle gibt es in anderen Ländern bereits“, weiß Heike Häfele von Professor Matthias Riepe, Chefarzt Akutgeriatrie und Gerontopsychiatrie. Aber das ist noch ein wenig Zukunftsmusik. Erst einmal soll an der Einzeltelepflege weiter gefeilt werden – im Sinne von Patienten und Personal.

Bürgerreporter:in:

Georg Schalk aus Augsburg

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