Günzburg hat jetzt eine Behindertenbeauftragte- Belange von Behinderten sollen in der Öffentlichkeit präsenter werden

Doris Schwarz ist die neue ehrenamtliche Behindertenbeauftragte der
Stadt Günzburg. | Foto: Stadt Günzburg
  • Doris Schwarz ist die neue ehrenamtliche Behindertenbeauftragte der
    Stadt Günzburg.
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Die Stadt Günzburg geht in Sachen Inklusion einen Schritt voran. Ab sofort ist
die Günzburgerin Doris Schwarz die erste ehrenamtliche Behindertenbeauftragte der Stadt. Hintergrund ist Günzburgs Teilnahme an dem Förderprogramm „Bayern Barrierefrei 2023“ des Freistaats, das Günzburg seit 2013 als Modellkommune für Barrierefreiheit ausweist.
„Barrierefreiheit kann nicht ohne die Menschen gedacht werden, die durch ihre
Behinderung unmittelbar von Barrieren betroffen sind“, sagt Oberbürgermeister Gerhard Jauernig. „Die Zusammenarbeit mit der Behindertenbeauftragten sehen wir daher als echte Chance, um Schwachstellen zu erkennen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.“
Der Stadtrat hatte bereits Ende des vergangenen Jahres der Bestellung einer
ehrenamtlichen Behindertenbeauftragten zugestimmt. Jetzt nimmt Doris Schwarz, seit 2010 selbst auf einen Rollstuhl angewiesen, ihre Tätigkeit auf.
Schwarz engagiert sich schon seit vielen Jahren für die Belange von Menschen mit
Handicap. Sie ist Mitglied im „Arbeitskreis für Menschen mit Behinderung“ und hat bei den Workshops zum Thema „Barrierefreies Günzburg“ teilgenommen, um gemeinsam mit anderen Betroffenen optimierungsbedürftige Verkehrsbereiche im Stadtgebiet auszumachen.
Früher hat Schwarz im Gesundheitsamt und als Physiotherapeutin gearbeitet. Auch in
einer Behinderteneinrichtung in Kenia war sie tätig. „Schon damals wurde ich sehr direkt mit den Problemen von Menschen mit Behinderung konfrontiert und habe viel von ihnen und ihren Angehörigen gelernt.“ Es habe sie beeindruckt, mit wie viel Kraft und Ausdauer sie den Alltag bewältigen. „Jetzt, da ich selbst auf den Rollstuhl angewiesen bin, kann ich ihre Reaktionen, ihren Kampf in manchen Belangen, aber auch das Gefühl von Hilflosigkeit und Überforderung noch sehr viel besser nachvollziehen.“ Viele Hürden seien mit einer Behinderung zu nehmen und der richtige Ansprechpartner bisweilen schwer zu finden.
Auch Schwarz war von den vielen mit der Erkrankung verbundenen Verwaltungsanfragen und Anträgen oftmals fast überfordert. „Es stehen am Anfang so viele Fragen im Raum: Wo erhalte ich notwendige Hilfe? Was steht mir zu? Was muss ich dafür tun?“ Sie selbst lebte zunächst im obersten Stock eines Hauses ohne Aufzug – weil kein geeigneter bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung stand. Ihren guten sozialen Kontakten sei es zu
verdanken, dass sie sich nicht ausgegrenzt fühlte. „Aber auch Menschen, die über kein engmaschiges soziales Netzwerk verfügen, müssen zurechtkommen können“, sagt Schwarz.

Deshalb will sie als ehrenamtliche Behindertenbeauftragte auch Ansprechpartnerin und Vermittlerin für Betroffene sein. „Der Alltag mit Behinderung ist beschwerlich, das ist einfach so“, sagt sie. Wichtig seien deshalb ein gutes Netzwerk an entsprechende Beratungsstellen und Hilfsangeboten. „Es gibt schon sehr viele, durchaus gute Angebote, die aber nicht zwangsläufig jedem Betroffenen bekannt sind. Hier werde ich gern vermittelnd tätig.“
Alle Lebensbereiche sollten zugänglich sein
Zudem will sie Verwaltung, Politik und die breite Öffentlichkeit noch weiter für die
Belange von Menschen mit Behinderung sensibilisieren. „Eine Behinderung schränkt ein.
Aber in welchem Maß sie einschränkt, ist maßgeblich von äußeren Faktoren abhängig“,erklärt Schwarz. Ein großes Anliegen sind ihr deshalb auch die räumlichen Fragen, das
heißt die Zugänglichkeit aller Lebensbereiche für Menschen mit Behinderung. „Das gilt natürlich nicht nur für Menschen mit Bewegungseinschränkungen, auch gehörlose, blinde sowie kognitiv oder psychisch kranke Menschen haben ganz spezifische Anforderungen“,
sagt sie. Zudem will sei die Menschen stärker in die Prozesse einbinden. „Nur so können wir erfahren, was die Günzburgerinnen und Günzburger mit Behinderung wirklich wollen und brauchen.“
Oberbürgermeister Gerhard Jauernig dankte Schwarz am Rande der
Seniorenbeiratswahlen für ihre Bereitschaft, sich ehrenamtlich für die Belange
behinderten Menschen in Günzburg einsetzen zu wollen. „Ihr Engagement ist ein
wichtiger Baustein im Konzept ‚Bayern barrierefrei 2023‘“, betonte der OB. Zudem
untermauere die Stadt mit der Bestellung von Frau Schwarz ihr Bestreben, allen
Bürgerinnen und Bürgern sowie Besuchern, unabhängig von deren Lebensalter und Art der Beeinträchtigung, eine selbstbestimmte Teilhabe am öffentlichen Leben zu ermöglichen, so Jauernig. „Am Ende dieses Weges braucht es das Amt des Behindertenbeauftragten vielleicht gar nicht mehr, weil Inklusion dann in allen Lebensbereichen selbstverständlich mitgedacht wird.“
Auch Schwarz fände es schön, wenn Barrierefreiheit und Inklusion von Menschen mit Behinderung selbstverständlich werden. „Aber bis dahin muss noch viel passieren.
Barrierefreiheit bedeutet für mich nicht nur, bauliche und bürokratische Hürden
abzubauen, sondern auch Berührungsängste.“ Es brauche auch ein Umdenken in der Gesellschaft. Menschen mit Behinderung müssen zuallererst als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft und nicht als Kostenfaktor wahrgenommen werden.“ Sie möchte Bürger
und Besucher deshalb ermutigen, Menschen mit Behinderungen unvoreingenommen anzusprechen. „Sprechen Sie ruhig die Menschen an, fragen Sie, ob sie vielleicht Hilfe brauchen.“

Info: Doris Schwarz, Behindertenbeauftragte für die Stadt Günzburg, Tel. 08221-2769189, EMail: behindertenbeauftragte@guenzburg.de

Bürgerreporter:in:

Thomas Rank aus Günzburg

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