„Das Kaufverhalten der Menschen hat sich massiv verändert“ - Interview mit der Günzburger Wirtschaftsbeauftragten Beate Agemar

Wirtschaftsbeauftragte Beate Agemar über die Stärken und Schwächen des Wirtschaftsstandorts Günzburg (Foto: Stadt Günzburg)
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mh bayern: Frau Agemar, seit diesem Jahr verfügt die Stadt über einen strategischen Einzelhandelsplan. Welchem Zweck dient er und warum ist er nötig?

Beate Agemar: Der strategische Einzelhandelsplan ist Teil eines integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts, das als Handlungsrahmen für die strategische Weiterentwicklung der Innenstadt dienen soll. Seit einigen Jahren verändern sich die Innenstädte stark. Es gibt immer mehr Menschen, die die Vorteile einer guten Infrastruktur suchen. Die Klientel derjenigen, die heute in einer Altstadt wohnen und vor Ort einkaufen, ist eine andere als noch vor zwei, drei Jahrzehnten. Gleichzeitig hat sich das Kaufverhalten der Menschen massiv verändert. Immer mehr Kunden bestellen im Internet. Um sie in die Geschäfte vor Ort zu locken, muss der Einzelhandel heute viel mehr leisten als noch vor wenigen Jahren.

Um dies zu unterstützen haben wir gemeinsam mit der Wirtschaft die „Umsetzungsoffensive Citymanagement Günzburg“ ins Leben gerufen.

mh bayern: Wie unterstützt die Stadt bisher den Einzelhandel?

Beate Agemar: In der Vorweihnachtszeit – für den Einzelhandel nach wie vor die einnahmenstärkste Zeit – profitieren die innerstädtischen Geschäfte von einem vielfältigen Maßnahmenpaket. An den vier Samstagen im Advent erheben wir keine Parkgebühren und verzichten damit auf Einnahmen im fünfstelligen Bereich. Gemeinsam mit der Wirtschaftsvereinigung organisieren wir eine lange Einkaufsnacht, die „SterneNacht“. Der Nikolausmarkt am 5. Dezember, die „Günzburger Altstadtweihnacht“ im Dossenbergerhof und ein riesiger Adventskalender am Rathaus sorgen für zusätzliche Besucherströme in der Adventszeit.

mh bayern: Und den Rest des Jahres?

Beate Agemar: Die Stadt hat einige Projekte in Zusammenarbeit mit der örtlichen Wirtschaft initiiert wie beispielsweise die Familienkarte, bei der Günzburger Familien in verschiedenen Geschäften und Institutionen Vergünstigungen erhalten. Durch Angebote wie Handy-Parken, Neubürger-Scheckheft, die „Nette Toilette“, eine Günzburg-App, ein Kinderstadtplan sowie eine Kinderstadtrallye, bei der die Kinder auf spielerische Weise Günzburg entdecken können, wollen wir die Menschen mit unserer schönen Einkaufsstadt verbinden.

mh bayern: Im Februar hat der Stadtrat die Bewerbung Günzburgs um den Titel „Fairtrade-Town“ beschlossen. Wer hatte die Idee und welche Vorgaben müssen erfüllt werden?

Beate Agemar: Die Idee, Fairtrade-Stadt zu werden, rührt von einem Antrag der Dritten Bürgermeisterin, Dr. Angelika Fischer. Eine Stadt in der Größe von Günzburg muss dabei folgende fünf Kriterien erfüllen: Die Kommune verpflichtet sich, bei allen Sitzungen der Ausschüsse und des Stadtrates sowie im Oberbürgermeisterbüro Fairtrade-Kaffee sowie ein weiteres Produkt aus fairem Handel zu verwenden. Des Weiteren hat eine lokale Steuerungsgruppe auf dem Weg zur „Fairtrade-Stadt“ die Aktivitäten vor Ort zu koordinieren. In einem weiteren Schritt werden in den lokalen Einzelhandelsgeschäften gesiegelte Produkte aus fairem Handel angeboten und in Cafés und Restaurants Fairtrade-Produkte ausgeschenkt. Voraussetzung ist ferner, in öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Vereinen und Kirchen Fairtrade-Produkte zu verwenden und Bildungsaktivitäten zum Thema fairer Handel durchzuführen. Außerdem soll in den örtlichen Medien über alle Aktivitäten auf dem Weg zur ‚Fairtrade-Stadt‘ berichtet werden.

mh bayern: Wie weit ist Günzburg mit seiner Bewerbung?

Beate Agemar: Die Kriterien erfüllen wir bereits alle und momentan sind wir dabei, die Bewerbung fertig zu machen und zeitnah einzureichen. Wir hoffen dann natürlich auf eine positive Nachricht!

mh bayern: Welche Schritte sind nach der hoffentlich erfolgreichen Bewerbung angedacht?

Beate Agemar: Wir wollen einen Flyer auflegen, der zeigt, wo in Günzburg der Faire Handel großgeschrieben wird. Eine Art Übersicht, wo man Produkte des Fairen Handels erwerben kann oder wo und wie Bildungsarbeit zu diesem Thema stattfindet. Großes Highlight wird im nächsten Jahr außerdem die Messe „Fair, ökologisch, regional“ am 4. Mai in der Jahnhalle sein, die derzeit von einer Arbeitsgruppe des Weltladens organisiert wird.

mh bayern: Die Stadt Günzburg hat 2013 ein integriertes Klimaschutzkonzept erarbeitet. Welche Projekte haben sich daraus für Sie als Wirtschaftsbeauftragte ergeben?

Beate Agemar: Neben einigen Projekten zur einzelbetrieblichen Steigerung der Energieeffizienz, zum Beispiel durch eine KfW-Initialberatung, die wir besser bekanntmachen wollen, oder Informationen zur Kraft-Wärme-Kopplung, steht die Bildung eines Energieeffizienz-Unternehmensnetzwerks ganz oben auf der Agenda. Angedacht ist hier ein branchenübergreifender Austausch rund um das Thema Energie, der die Firmen in ihren Maßnahmen zur Einsparung von Energie zusätzlich unterstützt. Ein gutes Projekt, um die Kooperation im Bereich Klimaschutz mit dem Landkreis Günzburg auszubauen.

mh bayern: Ist der Breitbandausbau in Günzburg auch noch ein Thema?

Beate Agemar: Gerade in den Gewerbegebieten ist der Breitbandausbau ein zentrales Anliegen. Nach dem erfolgreichen Breitbandausbau in den Stadtteilen Leinheim, Nornheim und Riedhausen im Rahmen des von 2008 bis 2011 geltenden Breitbandförderprogramms des Freistaats Bayern führt die Stadt Günzburg den Breitbandausbau konsequent weiter. Dabei nutzt unsere Breitbandpatin Daniela Rossmanith natürlich die Möglichkeiten des neuen Förderprogramms für Hochgeschwindigkeitsnetze, um die Gewerbegebiete und weitere Stadtteile in Günzburg breitbandfit zu machen.

mh bayern: Einer der größten Unternehmensansiedlungen in diesem Jahr war die von CIMC Silvergreen. Was bedeutet CIMC Silvergreen für den Wirtschaftsstandort Günzburg?

Beate Agemar: Die Ansiedelung von CIMC Silvergreen auf dem Kimmerle-Areal ist ein Beleg dafür, dass wir von unserem Standortvorteil in unmittelbarer Nähe zu den Bundesautobahnen A8 und A7 und den Bundesstraßen B10 und B16 profitieren. Der Hersteller von Sattelaufliegern will langfristig mehrere hundert qualifizierte Arbeitsplätze auf dem 100.000 m² großem Areal schaffen – das ist für unsere Stadt natürlich ein großer Gewinn. Vielleicht werden sich in den kommenden Jahren Zulieferer in der Umgebung ansiedeln, wodurch der Wirtschaftsstandort Günzburg weiter gestärkt würde.

mh bayern: Günzburg ist nicht nur Wirtschafts- und Tourismusstandort, sondern auch Behördenstandort. Welche Rolle spielt dabei der Neubau des Amtsgerichts an der Ichenhauser Straße?

Beate Agemar: Durch den Neubau auf ehemals städtischer Grundstücksfläche können wir Günzburgs Status als Behördenstandort langfristig stärken. Rund 16,2 Mio. Euro investiert der Freistaat Bayern vor Ort und schafft damit bessere Bedingungen für die rund 70 Bediensteten und Besucher. Wer einen Behördengang zu erledigen hat – sei es zum Rathaus, zum Finanzamt oder eben zum Amtsgericht – ist eher bereit, im Anschluss seine übrigen Erledigungen auch noch in Günzburg zu tätigen, schließlich ist alles fußläufig zu erreichen. Gezielte Grundstücksver- und -einkäufe tragen so auch zur Stärkung der Innenstadt bei.

mh bayern: Frau Agemar, ich danke Ihnen für das Interview.

myheimat-Team:

Tanja Wurster aus Augsburg

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