„Kinderfescht in Leipa – hat sein Grund in schlechta Zeita“ 200 Jahre Kinderfest in einer Ausstellung

Anton Sauter war auf dem zweiten Kinderfest nach dem Zweiten Weltkrieg der Spruchträger. 67 Jahre
danach hat er seinen Spruch für die Ausstellung noch einmal aufgesagt | Foto: Stadt Leipheim
3Bilder
  • Anton Sauter war auf dem zweiten Kinderfest nach dem Zweiten Weltkrieg der Spruchträger. 67 Jahre
    danach hat er seinen Spruch für die Ausstellung noch einmal aufgesagt
  • Foto: Stadt Leipheim
  • hochgeladen von Thomas Rank

Am 23. April eröffnet die lang erwartete Ausstellung zum 200-JahrJubiläum
des Leipheimer Kinderfests. Im Heimat- und Bauernkriegsmuseum Blaue Ente kann in die bewegte und auch eigene Vergangenheit zurückgeblickt werden.
Vom 7. bis 10. Juli wird in diesem Jahr zum 200. Mal das Leipheimer Kinderfest gefeiert, das ursprünglich als Dank für die überstandenen Hungerjahre und als Zeichen der Hoffnung für eine bessere Zukunft
gestiftet wurde. Bis zum heutigen Tag ist es kein „normales“ Volksfest mit Rummelplatz und Bierständen, auch wenn diese damals wie heute einfach dazu gehören. Die Besonderheit liegt in seiner Geschichte und
der bis heute bestehenden Konzentration auf traditionelle Elemente des Festes.
Welchen Ursprung hat das Fest? Und: Wie hat es sich in diesen 200 Jahren verändert? Auf solche Fragen soll in der Jubiläumsausstellung im Heimat- und Bauernkriegsmuseum Blaue Ente versucht werden, eine
Antwort zu geben. Die wechselhafte Geschichte des Kinderfests wird präsentiert - und viele Geschichten rund ums Fest erzählt: Vom Ausbruch des Vulkans Tambora über die darauf folgende Hungersnot bis zur
ersten Ernte 1817, vom Feiern unter dem Alber bis zu den Neuerungen im 20. Jahrhundert. Das Kinderfest
steht aber auch als Spiegelbild der gesellschaftlichen und politischen Veränderungen in 200 Jahren.
Eines der wichtigsten Elemente des Festes ist der „Kinderfestspruch“. Sonntagmittags, Sonntagabend und am Montag muss je ein Schüler frei vor zahlreichem Publikum eine nicht gerade kurze Weise vortragen –
entweder auf Hochdeutsch oder im schwäbischen Dialekt. Die Sprüche spiegeln damals wie heute die Veränderung der Sicht auf die Welt, Gesellschaft und die Stadt wider. In der Ausstellung können die Besucher Kinderfest-Sprüche aus 200 Jahren nachhören. Sie wurden von ehemaligen Spruchträgern (einer
sogar aus dem Jahr 1950!) oder denen, die es immer schon mal sein wollten, aufgenommen und sind an einer Hörstation abrufbar. Die Geschichte wird aber auch durch Dokumente, Gegenstände und Text- und Foto-Tafeln für den Besucher sichtbar gemacht. So werden sich die Besucher das Kinderfest vor 150 Jahren dank eines Dioramas des Albers, um den bis 1894 getanzt wurde, bildhaft vorstellen können.
Viele Leipheimer haben außerdem großzügig mit Leihgaben zur Ausstellung beigetragen. An eigenen Stationen können die Besucher durch eigene Bilder und Erinnerungen ihren Teil beitragen, die Ausstellung
wird zu einem Gemeinschaftsprojekt. Die Ergebnisse sollen während des Kinderfests am Festplatz präsentiert werden.
Am 23. April wird die Ausstellung um 14 Uhr im Leipheimer Schlosshof eröffnet – musikalisch begleitet von den Kindern der Flohkiste, den Flötenkindern der Musikschule sowie im Anschluss an den offiziellen
Teil von den Vielharmonikern, unterstützt durch den Historischen Arbeitskreis, der schon mal einen kulinarischen Ausblick auf das Kinderfest wagt.
Danach ist die Ausstellung bis Ende Juli jeden Sonntag von 14 bis 17 Uhr zu sehen. Im Eintritt von 3 Euro (ermäßigt 2 Euro, Kinder unter 10 Jahren sind frei) enthalten ist der Besuch der Kinderfest- und der
Dauerausstellung. Führungen werden auch gerne zu anderen Terminen veranstaltet – Anmeldung dafür unter der Telefonnummer 08221-72199. Für Kindergartengruppen und Schulkassen sind die Führungen kostenlos.

Hintergrund-Information zum Kinderfest:

Als „Strafe der Götter“ bezeichneten die Einwohner Indonesiens den Ausbruch des Vulkan Tambora. Vom 5. bis 10. April 1815 spie er Feuer, bis zu 1300 Kilometer weit fiel Asche vom Himmel. Noch wochenlang blieb
er aktiv. Obwohl tausende Kilometer entfernt, sollte der Ausbruch ein Jahr später eine Katastrophe auslösen.
Ende 1815 blickten die Menschen in Europa zuversichtlich ins nächste Jahr. Eine Epoche von Kriegen war vorbei, man erwartete den lang ersehnten Aufschwung. Für die Bauern begann das Jahr mit milden
Temperaturen - bis der Ausbruch des Tambora doch noch Folgen zeigte. Ein „Jahr ohne Sommer“ oder wie es im Volksmund bezeichnet wurde „Achtzehnhundertunderfroren“ setzte ein. Nachdem bereits die Ernten
in 1814 und 1815 geringer als üblich ausgefallen waren, war das Wetter in 1816 so schlecht, dass erst spät ausgesät werden konnte. Danach folgte Kälte und andauernder Regen, Anfang Oktober schneite es bereits – die Ernte war so gut wie verloren. Nicht nur die Erntefrüchte fehlten, auch das Vieh verendete und die Arbeitskraft vieler Einwohner wurde nicht mehr benötigt. Das (Über-)Leben wurde für viele Menschen unerschwinglich.
Als im Jahr 1817 endlich wieder ausreichend Ernte eingefahren werden konnte, etablierte sich ein neuer Brauch. Anstatt nur am Ende der Erntezeit ein Dankesfest zu feiern, wurde die Ankunft der ersten Erntewagen jubelnd begrüßt. So auch in Leipheim. Das Kinderfest war geboren.
Immer wieder musste das Kinderfest – meist kriegsbedingt – ausfallen. So gab es zwischen 1940 und 1948 kein Kinderfest – umso größer die Freude bei allen, die 1949 das erste Nachkriegskinderfest feiern
konnten. Fünfzig Pfennige erhielt jedes Schulkind damals von der Stadt und es gab für alle Kinder zusätzliche Lebensmittelrationen. Die Erwachsenen wurden aber ebenso gelockt, man versprach „schöne und billige Festfreuden“.
68 Jahre später sind wie 1949, und auch schon das Jahrhundert davor, immer noch die Kinder die Hauptakteure des Leipheimer Kinderfests, das 2017 zum 200. Mal, und ausnahmsweise um einen Tag verlängert, von 7. bis 10. Juli gefeiert wird. Bereits Monate vorher studieren die etwa 450 Schulkinder
verschiedene Tänze ein, in diesem Jahr werden sie die Besucher durch 200 Jahre Kinderfest führen. Den älteren Jahrgängen der Leipheimer Schulen ist der traditionelle Schnitterreigen vorbehalten. In einer
einfachen schwäbischen Tracht bieten die Schülerinnen und Schüler der 7. Klasse diesen Schreittanz dar. Der Schnitterreigen, der sowohl am Fest- Sonntag als auch -Montag aufgeführt wird zählt zu den Höhepunkten des Festes, das von der Vereinigung historischer Volksfeste in Baden-Württemberg und
Bayern anerkannt wurde

Bürgerreporter:in:

Thomas Rank aus Günzburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

33 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.