Katastrophe in Ladakh: Schlammlawinen richten furchtbare Zerstoerungen an

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In der Nacht vom 5. auf den 6. August wurde Leh und viele andere Teile Ladakhs von vielen schlimmen Fluten heimgesucht mit ueber 500 Todesopfern und vielen Verletzten.
In der Mitte einer solchen Katastrophe zu sein, das Leid der Menschen, die Panik, das Durcheinander mitzuerleben, ist fuer mich eine Erfahrung, die tief unter die Haut geht.
Ich war gerade eine Woche in Ladakh und kam mit einem Taxi-Jeep von einem zweitaegigen Ausflug an den sagenhaften Pangong See zurueck. Der Besizer unseres Hotels, Mr. David, zugleich langjaehriger Freund und Mitarbeiter unseres Kinderhilfsweres, war erstaunt mich zu sehen und zugleich sehr erleichtert, denn bereits von Mittwoch auf Donnerstag setzten heftige Gewitter und schwere Regenfaelle viele Haeuser unter Wasser, zerstoerten Strassen und Bruecken. Alle Strassen in und aus Ladakh waren unpassierbar.
Auf meiner Rueckreise vom See fuehrte der Weg ueber den 5360 m hohen Chang La Pass . Ein Erdrutsch zwang uns zu einer laengeren Pause, aber ein Schaufelbagger vor Ort konnte den Schaden beheben und wir unsere Fahrt fortsetzen, mehr hatten wir von den Resultaten der Unwetter nicht mitbekommen.
In der Nacht vom Donnerstag weckte mich sintflutartiger Regen, es schuettete wie aus Kuebeln. Beim Fruehstueck hoerten wie die schreckliche Nachricht: Sturzfluten aus den Bergen brachten riesigen Schlammlawinen mit, die komplette Teile Lehs und viele der umliegenden Staedte und Doerfer fast zerstorten. Die einfachen Lehmhaueser haben einer solchen Flut nichts entgegenzusetzen und werden begraben oder mitgerissen. Mr. David sprach von 100 Toten ; diese Zahl sollte sich im Laufe des Tages auf 500 Opfer und gleich viele Verletzten erhoehen.
Ich wanderte mit Freunden Richtung Neuer Busbahnhof. Eine gespenstische Stille hing ueber der Stadt. Alle Strassen waren unpassierbar, kein Hupen in der sonst so lebendigen Stadt. Vorbei an geschlossenen Garagenlaeden und Restaurants begegnete uns ein Strom von Touristen, Gesichter betroffen, schweigsam. Sie hatten den Ort des Geschehens besichtigt und das Entsetzen stand in ihren Augen. Von weitem sahen wir die Menschenmassen nahe den Mauern rechts neben dem grossen Stadttor, sie blickten nach unten. Uns blieb das Herz stehen, als wir die Zerstoerung sahen. Der komplette Busbahnhof, alle umliegenden Haueser, einfach verschwunden, alles bedeckt mit Schlamm und Unrat, Fahrzeuge stecken zwischen zerdrueckten Betonplatten, ehemals Geschaefte, Busse lagen kreuz und quer zwischen Schutt und zerfetzten Holzbalken.
Auf der linken Seite am Hang versuchten drei Schaufelbagger den Weg fuer Rettungsmannschaften zu bahnen, um die Verschuetteten aus den Hausern zu graben. Alle halfen: Einheimische standen Seite an Seite mit freiwilligen Touristen, schaufelten mit allem, was zur Verfuegung stand, in den Lehmhaeufen, trugen die Schlammschuttberge mit Schaufeln, Schuesseln, Hacken und teils mit Haenden ab. Hunderte von Menschen wuselten an diesem Ort, jeder kaempfte um das Leben der Verschuetteten, aber die meisten der Geborgenen hatten das Unglueck nicht ueberlebt. Auf den Ladeflaechen der Jeeps wurden die opfer abtransportiert, der Weg fuer die Fahrzeuge wurde vonder spaerlich vorhandenen Polizei mit drohenden Stoecken gebahnt, weinende Angehoerige und entsetzte Zuschauer standen im Weg. Es gab keinerlei Koordination, aber man spuerte den Zusammenhalt und das Mitgefuehl der Helfenden und Umstehenden.
Wir gingen weiter und begegneten unseren vier Freiwilligen von Ladakh-Hilfe e.V., die gerade nach einigen unserer Angestellten und Kinder geschaut hatten: alle waren sicher und hatten das Unglueck ohne koerperlichen Schaden ueberlebt, obwohl ihre Haeser teils voller Schlamm und Waende eingebrochen waren.
Der groesste Teil des Regierungskrankenhauses war voller Schlamm, die Verletzten wurden ins Militaerkrankenhaus gebracht. Alle Laeden und Restaurants blieben geschlossen, es gab nichts zu essen, bis die Regierung nachmittags die Inhaber der Geschaefte und Restaurants aufforderte, ihre Laeden zu eroeffnen, um eine gewissen Normalitaet wiederherzustellen. Da es weiterhin in den Bergen regnete und die Fluesse anschwollen, wurde die Bevoelkerung angewiesen, sich ueber nacht in Sicherheit zu bringen. Panikartig fluechtete ganz Leh auf die hohen Stellen der Stadt, wie die Shanti Stupa und den Palast, beides Wahrzeichen der Stadt; die angsterfuellten Menschen parkten ihre Autos auf hoch liegenden, sicheren Strassen, um dort die Nacht zu verbringen, quetschten sich zu hunderten in die Raueme auf der Shanti Stupa, eine Frau bekam in dieser Nacht ihr Baby, wurde im letzten Moment noch ins Krankenhaus gebracht. Der Flughafen wurde gesperrt, Leh von der Aussenwelt abgeschnitten, kein Strom, keine Telefonleitungen, kein Internet, Touristen sitzen fest, viele hatten keine Bleibe mehr. Die Einwohner von Ladakh beteuerten, dass sie noch nie so etwas erlebt haetten.
Heute, zwei Tage nach dem Unglueck, steht die Stadt immer noch unter Schock, die meisten Geschaefte und Gasthaeser bleiben geschlossen, einzig der Flugplatz ist wieder in Betrieb. Es gibt weiterhin keinen Strom und Fahrzeuge mit Lautsprechern fahren durch die Stadt, bitten um Freiwilligen zu Aufraeumarbeiten, geben Anweisungen an die Bevoelkerung zur Wiederherstellung von Normalitaet. Das erweist sich jedoch fuer die Menschen als sehr schwierig, den Zerstoerung ist ueberall, jeder Regenfall wird mit Panik beobachtet, auch die letzte Nacht verbrachten viele Leute in Autos auf hoeher gelegenen Strassen, in Zelten auf der Shanti Stupa.
Unsere Arbeit mit den Kindern ist vorerst auf Eis gelegt, die Plaene muessen geaendert werden, denn es gibt kein Vorwaertskommen in die Doerfer. Wir wissen nicht, ob unsere Patienten alle ueberlebt haben und warten auf die Rueckkehr von Normalitaet, helfen wo wir koennen, troesten die Menschen und reden mit ihnen.
Karola Kostial aus Leh, Ladakh
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Bürgerreporter:in:

Karola Wood aus Günzburg

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