Hans Georg van Herste – 50 Jahre Bühne

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Im zarten Alter von zehn Jahren trat Hans Georg van Herste einem Kinderchor bei und absolvierte seine ersten Auftritte.
Das war 1969. Im selben Jahr stand er bei einer Theateraufführung in der Schule auf der Bühne. Leider wurde seine Sangeskarriere schon kurze Zeit später für eine längere Zeitspanne unterbrochen.
„Der Chorleiter mochte mich wohl nicht. Er war der Ansicht, ich könne noch nicht einmal „Alle meine Entchen“ fehlerfrei singen. Er wollte einfach nicht kapieren, dass nicht ich falsch sang, sondern das Mädchen schräg hinter mir.“
Der Chorleiter erklärte ihm unmissverständlich, er sei für den Chor nicht geeignet und solle zu Hause bleiben.
„Ähnliches erlebte ich im Deutschunterricht. Über eine drei oder vier kam ich selten hinaus. Später habe ich viele Bücher geschrieben und noch mehr lektoriert, unzählige fanden Leser und sogar Buchpreise stehen in meinem Schrank. Ich habe einen meiner Lehrer Jahrzehnte später damit konfrontiert. Er war ganz kleinlaut und meinte nur, damals wäre eine andere Zeit gewesen. Na ja, schlechte Ausrede, würde ich sagen.“
Während sein kleiner Bruder Musikunterricht erhielt, hielten das seine Eltern für ihn als nicht notwendig.
„Ich setzte mich heimlich an die Heimorgel meines Bruders und übte für mich allein – so lange, bis ich ein Lied halbwegs fehlerfrei spielen konnte.“
Einige Jahre trat er nur noch als Disc-Jockey auf. Es kam selten vor, dass er selbst etwas vortrug. Ausbildung und Umzüge ließen ihm kaum Zeit für seine Musik. Erst 1983 trat er wieder in Erscheinung. In diesem Jahr nahm er am Musikwettbewerb „Ein Lied für Bremen“ des Senders Radio Bremen teil und landete mit einer DaDaDa-Version von „Love me tender“ auf Platz vier.
„Ich hörte erst zwei Tage vor Annahmeschluss von dem Wettbewerb, lieh mir ein kleines Keyboard und legte los. Meine damalige Freundin musste zwei Mikrophone gleichzeitig halten – eines vor meinen Mund und eines vor den Lautsprecher des Keyboards. Die Qualität der Aufnahme mithilfe eines Kassettenrekorders war natürlich grottenschlecht, aber egal, dachte ich. Und siehe da, es klappte. Anschließend bot man mir eine Musikerkarrierenunterstützung an, die ich allerdings ablehnte, da ich dann meinen Beruf hätte aufgeben müssen.“
Mitte der 1990er Jahre wurde er gefragt, ob er an einem Musikwettbewerb teilnehmen wolle. Die Expo 2000 in Hannover warf erste Schatten voraus und eine Titelmelodie wurde gesucht.
„Ich machte mir Gedanken darüber, wie ich das Messe-Motto „Mensch – Natur – Technik“ in ein Musikstück fassen könnte. Mein Stück begann schlussendlich mit einem Durcheinander von Instrumenten ohne jede Melodie. Das sollte die Ursuppe darstellen. Dann ließ ich einen Hahn krähen und einen Wecker schrillen. Der Mensch entwickelte sich zu einem intelligenten Wesen. Aus der Ursuppe entstand nach und nach eine eingehende Melodie, die dann in etlichen Variationen dem Höhepunkt entgegenraste. Dieser Monumentalsong dauerte schlussendlich zwölf Minuten und war damit entschieden zu lang. Allerdings brachte ich es nicht fertig, das Lied zu kürzen, da mir eigentlich alle Passagen gefielen. Na ja, dachte ich so bei mir: wenn er nicht ankommt, dann eben nicht.“
Van Herste wurde zu einem ersten Vorspielen eingeladen. Eine Halle in Hannover – voll besetzt – wartete auf die neuen Lieder.
„Als ich die Halle betrat, wurde mir ein wenig mulmig. Als ich sah, wer alles erschienen war, wurde mir klar, dass ich hier wohl nur wenige Chancen hatte. Bekannte Stars aus der Musikszene tummelten sich rings um mich her. Eine Band nach der anderen enterte die Bühne und gab ihr Lied zum Besten. Ich hatte keine Band bei mir – nur meine kleine gelbe Musikkassette. Als alle durch waren, kam der Veranstalter zu mir und schaute mich fragend an. Ich konnte ihm nur meine Kassette reichen.
Da kam mir eine Gedanke: ich bat ihn, das Licht im Saal zu löschen, wenn mein Lied lief. Die Zuschauer sollten sich einfach vorstellen, ein Orchester würde spielen. Er nickte und verschwand.
Tja, und dann wurde mein Lied tatsächlich in dieser großen Halle gespielt. Mir wurde fast ein bisschen schlecht. Als das Licht gelöscht wurde, ging ein Raunen durch den Saal und die Leute schauten mich im Dämmerlicht einigermaßen irritiert an, schlossen dann allerdings die Augen und lehnten sich zurück. Als das Lied vorbei war, herrschte absolute Stille in der Halle. Ich dachte in dem Moment: das war´s wohl für mich. Keiner klatscht. Aber dann, als die Leute realisiert hatten, dass das Lied vorbei war, sprangen einige auf und klatschten. Nach wenigen Augenblicken standen alle und applaudierten und pfiffen, dass es eine wahre Freude war.“
Leider wurde seinem Lied trotz des Erfolges eine Absage erteilt. Erstens war es entschieden zu lang und zweitens griff man lieber auf eine bereits bekannte Band zurück.
Ende der !990er Jahre veröffentlichte er sein erstes Buch, was etliche Auftritte nach sich zog. Jetzt reiste er von Buchmesse zu Buchmesse, trat in kleinen und großen Sälen auf. Talkshows holten ihn und Zeitungen druckten seine Informationen.
2012 stellte sich heraus, dass US-Sender seine, teils vor Jahrzehnten aufgenommenen, Lieder immer wieder spielten. Schnell wurde ein Kontakt über den „Großen Teich“ hinweg aufgebaut und es entstanden nach und nach Auftrittsmitschnitte, die immer wieder gespielt wurden. Sein Weihnachtskonzert z. B. wird in jedem Jahr an Heilig Abend wiederholt und erreicht viele Millionen Hörer weltweit.
Am Freitag, den 1. November 2019, also nach fünfzig Jahren Bühne, war eine kleine Feier anberaumt worden. Vor vollem Saal im Hotel Trüter in Hattorf wurde dieser Jahrzehnte voller Aufs und Abs gedacht. Die bekannte Buchautorin Margaretha Main hielt eine launige Laudatio, die sein Leben und seine Entwicklung auf den Punkt brachte. Anschließend gab er einige seiner bekanntesten Lieder mit sonoriger Bassstimme zum Besten und nahm die Zuschauer gekonnt mit auf eine Zeitreise durch sein nicht nur musikalisches Leben.
Begeistert wurden seine Vorträge aufgenommen und erst nach einigen Zugaben, mit denen er klarmachte, dass er nicht nur Balladen im Repertoire hat, sondern auch Tanzmusik, wurde er von der Bühne entlassen.
„Ich habe mich sehr über den Zuspruch gefreut und es hat mir unglaublichen Spaß gemacht, die Menschen zu unterhalten und zu erfreuen.“
Erst weit nach Mitternacht verließen die letzten Gäste, die teilweise sogar aus Bremen, Bremerhaven und Worpswede angereist waren, den Saal, um klarzumachen, dass sie beim nächsten Mal bestimmt wieder dabei sein würden.

Bürgerreporter:in:

Elisabeth Keller aus Gnarrenburg

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