SCHÖNHEIT in einer zerbrechenden Welt - MARC & MACKE und ihr Impulsgeber DELAUNAY. Malerei EVOLUTIONÄR weiterentwickelt

Katalog-Objekt mit 3 Pfauenfedern: Licht/Farben-Seite. Hommage an drei Freunde. Werner Hahn
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Sie begegneten sich im Vorfeld des Ersten Weltkriegs: Franz MARC (1880-1916), August MACKE (1887-1914) und Robert DELAUNAY (1885-1941). In einer einzigartigen Zusammenstellung hochkarätiger Gemälde und Arbeiten auf Papier zeigt die Ausstellung „Die SCHÖNHEIT in einer zerbrechenden Welt (1910 – 1914)“ im SPRENGEL Museum Hannover das überaus spannungsvolle Zusammenspiel der drei Künstler aus Deutschland und Frankreich. Die zunehmend prekärer werdende politische Situation ließ ihnen nur wenig Zeit, ihre kühnen Farb- und Formvisionen zu entwickeln, mit denen sie nichts weniger als die Malerei neu erfinden wollten.

Die heute so bezeichnete „Klassische Moderne“ umfasst in der Geschichte der Kunst einen Zeitraum, in dem sich die Bildlogik vom Naturvorbild emanzipiert hat und in die Abstraktion führte. Eine bahnbrechende Entwicklung zwischen der Jahrhundertwende und dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, die wesentlich auf Paul CÈCANNES (1839-1906) fußt; Reduktion der Sehdinge auf geometrische Grundformen (Zylinder, Kugel, Kegel); Kubismus-Herausbildung („Kunst ist eine Harmonie parallel zur Natur“). (Vgl. (1) & (2).) Frankreich und Deutschland sind die Länder, in denen der EXPRESSIONISMUS als Erneuerungsbewegung in unterschiedlicher Weise seine ausgeprägteste Verwirklichung erfuhr: Henri MATISSE und „Les Fauves“ (Die Wilden) sowie die „figürlichen“ Maler von „Die Brücke“ in Dresden (KIRCHNER, SCHMIDT-ROTTLUFF, HECKEL & NOLDE, PECHSTEIN) und der „Geistiges“ in der Kunst suchende „Der Blaue Reiter“ in München (KANDINSKY, MÜNTER, MARC, KUBIN).

Die Ausstellung über die berühmten Künstler des Expressionismus Franz MARC & August MACKE & Robert DELAUNAY (3) fokussiert eine kurze aber intensive Lebensphase der drei Künstler im Vorfeld des Ersten Weltkrieges und zeichnet die verschiedenen Etappen der gegenseitigen Beeinflussung nach. In nur vier Jahren schufen Franz MARC und August MACKE, die im Ersten Weltkrieg ihr Leben ließen, ihr künstlerisches Lebenswerk, Robert DELAUNAY skizzierte in dieser Zeit die Hauptlinien seines weiteren Schaffens.

In Deutschland ist bisher wenig bekannt, dass der Franzose DELAUNAY den Künstlerfreunden MARC & MACKE entscheidende innovative künstlerische Impulse gegeben hat. Die Schau zeichnet eindrucksvoll den Einfluss des Franzosen nach. „Er hat die jungen Deutschen in die Abstraktion geführt", erklärt Museumsdirektor Ulrich KREMPEL. In zwölf Räumen hängen die farbintensiven Gemälde, Zeichnungen und Aquarelle, wobei sich trotz höchst unterschiedlicher Motivwahl immer wieder verblüffende Parallelen in den Werken der drei Künstler auftun.

Die populären deutschen Expressionisten-Freunde MARC & MACKE schufen ihr Lebenswerk, bevor sie als Soldaten im Ersten Weltkrieg ihr Leben ließen. (2) Franz MARCs traumhafte Bilder seien „Sehnsuchtsbilder für eine harmonische Einheit von Mensch, Natur, Weltall", sagte der Chef des Sprengel Museums. Vor ihrer Begegnung mit DELAUNAY hätten die Deutschen „ziemlich brav" gemalt, erläuterte Kuratorin Susanne MEYER-BÜSER, die 50 internationale Leihgeber von ihrem Ausstellungskonzept überzeugen konnte und Schlüsselwerke aus renommierten Museen erhalten hat. In der Katalog-Einleitung schreiben die Ausstellungsmacher: „Gleichermaßen vom französischen Impressionismus und vom Kubismus inspiriert, darf Robert Delaunay in der Dreierkonstellation als Vorbild und Impulsgeber gesehen werden.“ ((3), S. 8.)

Obwohl die persönlichen Beziehungen der drei Künstler unterschiedlich intensiv waren, da sie an wechselnden Orten lebten, blieb das gemeinsame, verbindende Thema ihrer Kunst das LICHT, seine prismatische Auffächerung und die damit verbundene Steigerung und Entfaltung der Farbenergie. Mit zunehmend differenzierteren, komplementären und simultanen Farb-Kontrasten erwirkten sie eine Vitalisierung des Bildes und eine Aktivierung des betrachtenden Auges. Jeder der drei Künstler entwickelte - trotz großer Sympathie für die Werke des jeweils anderen - eine eigene Haltung und Handschrift. (3)

Robert DELAUNAY war für Franz MARC und August MACKE in der Tat der zentrale Impulsgeber. Dabei begegneten sich die drei Künstler aber nur zweimal persönlich: In PARIS, wo die Deutschen den Künstlerkollegen in seinem Atelier am 2. Oktober 1912 aufsuchten. Dort stellte ihnen DELAUNAY die "Fenêtres", die Fensterbilder, vor, in denen er sich mit dem Phänomen farbiger Facettierungen („Orphismus“) beschäftigte. Am Motiv der lichtbrechenden Fensterscheiben erprobte er „die Spannung und Entspannung dissonanter und konsonanter, komplementärer und nichtkomplementärer Farben“ (ebenda S. 8). MARC & MACKE waren von den Zersplitterungsformen so begeistert, dass sie diese nach ihrer Rückkehr nach Deutschland sogleich in neu entstandenen Werken erprobten.

Die zweite und letzte Begegnung der drei Künstler fand am 20. September 1913 in BERLIN anlässlich der Eröffnung des „Ersten Deutschen Herbstsalons" in der Galerie „Der Sturm" statt. In der Ausstellung war DELAUNAY mit 21 Werken vertreten, darunter 13 „Formes Circulaires", Arbeiten (Katalog S. 214 ff.), in denen in geometrisch-flächigen Strukturen Farbkreise (Kreisformen) angeordnet waren. Diese komplett abstrakten Kreis-Formationen waren Aufsehen erregend und inspirierten MARC & MACKE ebenfalls zu neuen auf Kreisen basierenden Kompositions-Formen.

Der Austausch der drei Protagonisten hätte kaum entstehen und auf solch produktive Weise verlaufen können ohne die Mitwirkung von zahlreichen Freunden, Bekannten, Kritikern und Sammlern - Mediatoren, die zwischen den Kunstrichtungen, aber auch den Nationen und Sprachen vermittelten. Der Katalog nennt (neben Sonia DELAUNAY, die durch ihre Herkunft die Sprach- und Kulturgrenze überwand), auch Paul KLEE (Katalog S. 254, 255) und Wassily KANDINSKY (Katalog S. 250, 251) als Vermittler des Austauschs. Ein Teil der Ausstellung ist ihnen gewidmet; auch ausgewählten Vorläufern und Vorbildern wie Umberto BOCCIONI. (Siehe Katalog S. 253: „Die Straße dringt ins Haus“, 1911)

In der Schau in Hannover sind DELAUNAYs Serie „Fenêtres" (Fenster) zu sehen, in denen die durch eine Fensterscheibe betrachtete Stadt Paris in Spiegelungen und Brechungen nahezu verschwindet. (Siehe Bildserie – Anmerkung zu (4).)
MARC & MACKE waren tief beeindruckt, als DELAUNAY ihnen diese neuen Fenster-Arbeiten 1912 in seinem Atelier zeigte. Sie brachten die beiden Deutschen dazu, ihre Bilder ebenfalls zersplittern zu lassen. Als der Pariser später Kreisformen erprobte, folgten ihm die Deutschen ebenfalls prompt. Der Franzose dachte „groß, um Dinge zu dekonstruieren", sagt die Kuratorin. Mit der „zerbrechenden Welt" im Ausstellungstitel sei weit mehr als die Bildkomposition gemeint. Im Abschluss-Raum der Schau hängen die „letzten Bilder": MARCs (Katalog S. 83-85) und MACKEs Bilder von der Front; beide scheinen das Grauen geahnt zu haben. Aus MARCs prallen Pferdeleibern werden 1913 ausgemergelte Kreaturen. Sein Bild „Die Wölfe. Balkankrieg" (Katalog S. 65) veranschaulicht, dass MARC die drohende Katastrophe spürte. MACKEs unvollendet gebliebenes Gemälde „Abschied (Straße mit Leuten in der Dämmerung): ‚Mobilmachung’" (1914) zeigt düstere, gesichtslose Frauen, Männer und Kinder (Katalog S. 147).

Der Sohn Franz des Malers Wilhelm MARC hatte ab 1900 an der Münchner Akademie studiert, wo er künstlerisch noch kein Aufsehen erregt hat. Seine Motivwelt hat er 1910 gefunden: Tiere, vor allem Pferde und Rehe – „mystische Protagonisten seiner malerischen Suche nach Schöpfungseinheit und Ursprünglichkeit“, so HEIN (3). Er selbst nannte das ein "pantheistisches Sicheinfühlen in das Zittern und Rinnen des Blutes in der Natur". Diese frühe thematische Festlegung verlieh seinem Werk – im Gegensatz zu MACKEs Bildwelt – bei allen Form- und Farbexperimenten „Stringenz und Einheit“ (4).

Nach Gründung des „Blauen Reiter" organisierte man bei Thannhauser (München) eine Ausstellung, zu der Robert DELAUNAY vier Gemälde nach München gesandt hat, darunter "Saint Séverin No. 1" (1909; Katalog-Abb. S. 200) und "Tour Eiffel" (1910; Katalog S. 203). Die Mitglieder des Blauen Reiters und der Neuen Künstlervereinigung München waren vom Farb- und Perspektivspiel des Franzosen begeistert. MACKE & MARC begegneten in "Saint Séverin No. 1" dem von DELAUNAY entwickelten Simultankontrast - dem bewusst eingesetzten Phänomen, dass benachbarte Farben sich gegenseitig in ihrer Wirkung beeinflussen. Auf allen Bildern der "Saint Severin"-Serie erprobte DELAUNAY anhand des Perspektivwechsels in einem schummrigen Kirchen-Kreuzgang diese gegenseitige Beeinflussung von benachbarten Farbfeldern; besonders deutlich zu sehen in „Nr.5, Epoche von St. Séverin“ von 1909-1910 (Kat. S. 201). Der Schriftsteller Guillaume APOLLINAIRE, Stichwortgeber der Epoche und enger Freund des Franzosen gab dieser Malerei den Namen „Orphismus" – DELAUNAY selbst bevorzugte „peinture pure et simultané" („reine und simultane Malerei“).

Im Oktober 1912 - ein Jahr nach der ersten Ausstellung des Blauen Reiters – sahen MACKE & MARC in Paris bei DELAUNAY dessen Serie der „Fenêtres" (Fensterbilder; Kat. S. 206-311): Gemälde aus farbigen Dreiecken, Rechtecken, Kreissegmenten mit geringen Andeutungen von Gegenständlichem (z. B. dem schemenhaften Eiffelturm im Bildzentrum und Riesenrad), deren Farben-Anordnung ähnlich einer Prismenspaltung des Lichtes gezielt und rhythmisch gegeneinander gesetzt wurden. Franz MARCs Tierbilder veränderten sich danach schlagartig: Er malte z. B. „Das Äffchen" (1912; Kat. S. 59), ein Bild auf dem er Grün- und Blautöne, die an "Saint Séverin" erinnern, und Rot- und Gelbtöne gegeneinander setzt. In "Rehe im Walde II" (1914; Kat. S. 72) ahmt er die markante, spitz aufstrebende Form nach, die auch DELAUNAYs "Tour Eiffel" beherrscht. (Siehe zu diesem berühmten Rehe-Bild die Interpretation in meinen Artikel in (2)).

Am 20. September 1913 begegneten sich die drei Künstler – wie schon oben betont - zum zweiten Mal beim „Ersten Deutschen Herbstsalon": DELAUNAY präsentierte hier die 13 „Formes circulaires" - Bilder mit vollkommen abstrakten Kreisformen - ein System aus bunten, konzentrischen Ganz-, Halb- und Viertelkreisen und -ringen, die auf verschiedenen Achsen liegen und oft mehrere Mittelpunkte haben. MACKE & MARC reagierten reflexartig auf diese neuen Bilder und beschäftigen sich nun intensiv mit abstrakten Kreisformen. MARCs „Kleine Komposition I" (von 1913, Kat. S. 68) ähnelt in Farbgebung und Aufbau frappierend DELAUNAYs Kreisformen-Serie „Soleil". Fortan finden sich Kreisformen auch in MARCs gegenständlichen Bildern; gut zu sehen z.B. in „Haus mit Bäumen“- „Kleine Komposition II“ (1913/14; Kat. S. 69), „Schaf“ (1914, Kat. S. 71), "Eber und Sau (Wildschweine)" (1913; Kat. S. 63), „Liegender Stier“ (1913; Kat. S. 75)

Dass die Ausstellung den verheißungsvollen Untertitel „Die Schönheit einer zerbrechenden Welt (1910 - 1914)" trägt, wird von den Ausstellungsmachern so erklärt: Der „Tour Eiffel", den Mackes Onkel 1911 kaufte (ehemals Sammlung Koehler, Berlin), ist im Zweiten Weltkrieg zerstört 1945 worden; vgl. Abb. 2 S. 188 des Kataloges. Hannover zeigt zum Ersatz den „Turm mit Vorhängen" (1910) aus der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, eine durch seitliche Fenstervorhänge gedämpfte Variante des Motivs. Aber selbst in dieser ruhigeren Variante hat der Turm etwas Gewaltsam-Leidendes. „Wie ein verzerrter Riese scheint er über die Wohnhäuser an seinem Fuße hinwegzugehen, Dampfwolken ausstoßend, eine Maschine, die sich zu unbekanntem Ziel in Bewegung gesetzt hat“, so die SZ in einer Besprechung v. 7.04.09. Ein 1911 in München vorgestelltes Bild lebte nicht aus dem Gegensatz von Wohnlichkeit und technischer Kraftenfaltung. Es zeigte statt der rahmenden Vorhänge Häuser, deren Fassaden stockwerkweise geknickt waren, eine "zerbrechende Welt" in geometrisierenden Formen, schreibt die SZ. Die Ausstellungsmacher formulieren zu den Fenêtres, die „den Nerv der Zeit“ trafen: „Die aufbrechende, in viele Einzelteile zersplitterte Welt, die sich dem Beobachter bot, war nicht nur ein aufregend gemaltes Ereignis aus Licht, sondern kann mit ihrer fragilen Schönheit der gesellschaftlichen und kulturellen Stimmung im Vorfeld des Ersten Weltkrieges wohl auch sehr nahe.“

Wie erläutert, begannen die beiden befreundeten deutschen Maler unter dem Einfluss DELAUNAYs („Fenêtres" & „Soleil“-Eindrücke) in den Gegenständen elementare Formen wie Dreieck, Rechteck, Rhombus oder Kreise zu suchen. Weniger „Gewinn an Irratibilität“ bescheinigt die SZ Franz MARC (im Gegensatz zu MACKE): Was MARC „Animalisierung der Kunst" nannte, „meint wohl die Beschwörung einer großen fraglosen Einheit mit der Natur. Die Tiere Marcs schlafen oft, ihre Körper bilden in sich geschlossene Formen, selbst die Bisons (1913) wirken wie die Meerschweinchen. Und immer wieder das sanfte Reh, von dem Morgenstern dichtet: ‚Die Rehlein beten zur Nacht,/ hab acht!/ Sie falten die kleinen Zehlein,/die Rehlein’“.

MARCs Tiere seien im Sicheren, schreibt SZ-Autor Stephan SPEICHER: „Und noch die Geometrisierung der Formen, in denen er sie unter dem Eindruck Delaunays malt, stützt diese Sicherheit. Sie gibt ihnen Festigkeit in den Umrissen und entlastet sie von einem psychologisierenden Blick, der erkennen ließe, was sie mit den Menschen verbindet.“ Der Erste Weltkrieg rückte indessen das Schicksal der Tiere und der Soldaten an der Front näher zusammen als es je beschrieben wurde: MACKE fiel 1914, MARC 1916. DELAUNAY überlebte den Krieg in Spanien, aber die große Zeit seiner Kunst war vorbei, so die SZ.

EXKURS: Evolutionäres Weiterentwickeln von Malerei in einer „anderen Kunstgeschichte“ (New Art History)

„Malerei evolutionär weiterentwickelt: SCHÖNHEIT in einer zerbrechenden Welt -MARC & MACKE und ihr Impulsgeber DELAUNAY“ habe ich diesen Artikel überschrieben. „EVOLUTIONÄR“ heißt das Stichwort, das ich in einem Beitrag zum 30. Deutschen Kunsthistorikertag in DIE ZEIT Online (5) näher in die Kunstgeschichte & Kunstwissenschaft einzuführen versucht habe: Hier bestimmte ich im „AUSBLICK“ in Richtung einer evolutionär auszurichtenden allgemeinen oder speziellen Bildwissenschaft (einer reformierten „anderen Kunstgeschichte“ - New Art History) zum geforderten Bilddiskurs Termini wie: „EVOLUTIONISIERUNG der Kunstgeschichte“, „EVOLUTION & KUNST(Geschichte)“, „EVOLUTIONÄRE KUNSTGESCHICHTE“, „EVOLUTIONÄRE ÄSTHETIK (Erkenntnis-Ästhetik)“, „EVOLUTIONÄRE Kanonbildung“ und „historisch-EVOLUTIONÄR fundierte, systematische Bildforschung“.

In (2) weise ich nach, dass schon Werner HAFTMANN in seiner „Malerei im 20. Jahrhundert“ (Bild-Enzyklopädie, München 1965) im Zusammenhang mit STIL-Umbrüchen und STIL-Namen in der Einleitung seines Buches von „geistigen EVOLUTIONEN“ gesprochen hat. Die moderne Malerei sei „MUTATION, Ausdruck eines radikalen Umbruchs im existentiellen Bezugssystem, im Wirklichkeitsgrund des modernen Menschen“.

Dass tatsächlich (kulturelle) EVOLUTION in der bildenden Kunst wirksam und nachweisbar ist, habe ich auch damit belegt, dass ich in dem zitierten Essay (2) - „ANIMALISIERUNG & EVOLUTIONISIERUNG der KUNST: Franz MARC – ein Großer des 20. Jahrhunderts“ (v. 05.03.2009, mit Kommentaren von mir) auch auf 11 aufschlussreichen Bildern eines Beitrags in myheimat.de hingewiesen habe: Nachweislich wurde von mir im Artikel belegt, dass ich in der ARS EVOLUTORIA zu einer neuen Raum-Auffassung gekommen bin. Schon Umberto BOCCIONI – der Theoretiker der FUTURISMUS-Bewegung (die MARC fasziniert hat; von „Dynamisierung des Sehens“ sprach er) - wagte es, von einer „vierten Dimension“ zu sprechen, versuchte "Urformen der Bewegung im Raum" darzustellen. Dies konnte heutzutage von mir kunsttheoretisch und praktisch-experimentell von mir exemplarisch in evolutionärer Bifurkations-Geometrie ästhetisch visualisiert werden; vgl. URFORM-Theorie (6) Futuristen proklamierten die „SCHÖNHEIT“ des sich Bewegenden. 1912 erschien der Futurismus in einer Pariser Ausstellung mit ersten Werken: ein Versuch, das Element des Dynamischen in die kubistische Kompositionsweise einzufügen; die Ideen der „Simultaneität“ (APOLLINAIRE) der malerischen Seelenzustände und einer neuen Raumauffassung.

In meinem „EXKURS: Das Prinzip KUNST-ENTWICKLUNG hat sich NICHT erledigt!“ in (2) stellte ich dar, dass das „„Prinzip Kunstentwicklung“ (Hanno RAUTERBERG) NICHT „erledigt“ ist, wie fälschlich angenommen (DIE ZEIT Nr. 52/2008): Zum Thema EVOLUTIONÄR in der Kunstgeschichte formulierte ich in (2):

Neue „Tier“-Bilder & „Pflanzen“-Bilder zur evolutionären „Animalisierung“ der zeitgenössischen KUNST entwickelte ARS EVOLUTORIA: Dass sich die Gestalt eines Pferdes (Haupt-Thema MARCs) als Form der objektiven Wirklichkeit zeichnerisch leicht aus allen möglichen, mehr oder weniger elementaren Punktmengen darstellen lässt, habe ich mit Beispielen visualisiert ((6): Hahn 1989 & 1998 Abb. 217, Kap. 8.2.). Die Frage der natura naturans (Proportionsschlüssel) in der natura naturata wurde auf der Basis der neuen evolutionären Bifurkations-Geometrie von mir diskutiert. Linie, Fläche und Körper leiten sich vom Punkt her (PLATO-LEONARDO-KANDINSKY (…)): Linie als lineare Punktmenge, Kreis als Ebenen-Punktmenge etc.. Immer schon vom Punkt (der „Urzelle“) asymmetristions- & symmetrisatations-gesetzlich abgeleite potentielle Punktmengen machen die KUNST-Wirklichkeiten & und KUNST/FARBE-Möglichkeiten eines ars-evolutoria-SCIENCE-ART-Geschehnis-Ganzen aus (früher auch „Evolutionismus“, „Symmetrismus“ bezeichnet zur EVOLUTIONISIERUNG der bildenden Kunst).
Hervorgehoben habe ich in (2) auch: „Mit PFERDE-Studien in ‚abstrakter’ Landschaft arbeitete ich im Jahr 1970 – in Anlehnung an F.M.s Werk - experimentell mit (über Magnete) variablen bunt bemalten Pferde-Metall-Bildern (Pferdeformen nach eigenen Fotografien, beiderseits unterschiedlich monochrom bemalt): Vor-Studien auf dem Weg zur späteren ARS EVOLUTORIA; siehe weiter unten zur EVOLUTIONISIERUNG der Kunst und (6) Abb. 147.“ Der Artikel mit 11 Bildern in myheimat gibt das zitierte variable Metall-Relief in einer Version in Farbe wieder (in anderer „Komposition“ wie in der Abb. 147 – „Landschaft mit Pferden“; 53,5 x 77 cm).

In einer Rezension zu A. HOBERG / H. FRIEDEL: Franz Marc. Die Retrospektive (München 2005) schreibt Erich FRANZ (Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster) unter anderem, dass MARCs Pferde und Rehe in den Gemälden „sich in die Tiefe und aus ihr heraus“ wendeten „und damit auch ihre rote und blaue Farbe und ihre elementaren Formen. Sie liegen nicht, wie etwa bei Kandinsky oder Delaunay, ‚vorne’ auf der Leinwand, sondern erscheinen immer auch entrückt und erst allmählich aus der Tiefe sich bildend“. (…) Man könnte „diese weiterleitenden Suggestionskräfte auf die berühmten Marc-Zitate über das ‚Geistige’, die ‚Animalisierung’ oder die ‚Weltdurchschauung statt Weltanschauung’ beziehen. Man versteht sie sicher neu, wenn man nachvollzieht, wie die Anwendung möglichst reiner bildnerischer Mittel bei Marc von ganz anderen Traditionen ausgeht. Aus der ‚evolutionären’ Einheit zwischen Formen und tiefenräumlichem Hintergrund erschließt sich auch noch deutlicher der Aufsatz von Barbara Eschenburg. Überzeugend verbindet sie Marcs Kunst mit ganz unterschiedlichen Theorien und Vorstellungen der Evolution des Lebens (Darwin)“ (…).

Bemerkungen, die angesichts meiner Forschungsergebnisse zur ars evolutoria sehr interessant sind, betonte ich im Kommentar zu (2) a.a.O. („C.R. DARWIN & Franz MARCs Kunst“)! In einem weiteren Kommentar befasste ich mich mit dem VORTRAG „Man hängt nicht mehr am Naturbilde - Das Tier in FRANZ MARCs Bildern“, den Barbara ESCHENBURG am 23.01.2007 in Göttingen hielt. Franz MARCs Bildfindungen würden auf einer „intensiven Auseinandersetzung mit erkenntnistheoretischen und naturwissenschaftlichen Diskussionen seiner Zeit“ basieren, meint Barbara ESCHENBURG: Das Stilmittel „Aphorismus“ nutzend („Gedankensplitter“) schrieb MARC über die „exakte Naturwissenschaft“, dass sie „das entscheidende Mittel“ sei, „jedem sentimentalen oder materialistischen Naturalismus den Todesstoß zu geben“. In den Forschungen von Charles DARWIN liege „eine der Voraussetzungen von Marcs ‚Weltanschaung’“, betonte die Autorin. Sie zitiert den Tier-Maler: „Die Welt hat viele Schichten. Der Mensch ist in der weiten Natur ebenso ein Übergangsprodukt wie das Tier od. die Pflanze.“ (Brief aus dem Feld an seine Frau.) DARWIN habe MARC mit dem Entwicklungsgedanken das Argument für „die Einheit aller Lebensformen in Raum und Zeit“ geliefert. Das was bei NIETSCHE der ersehnte „Übermensch“ sei, stelle sich bei MARC als ‚hoher Typus’ dar, der nun „bewusst die schon immer praktisch vorhandene Einheit mit der Welt vollzieht“, so ESCHENBURG. Von der Einheit des Lebens sei auch das Anorganische nicht ausgeschlossen. Es sei für MARC „nichts anderes als Geist und Psyche“, so sieht es die Wissenschaftlerin. Sie zitiert hierzu MARCs Aphorismus 47 zur Welt-„Durchschauung“: „Wir blicken durch die Materie und der Tag wird nicht ferne sein, an dem wir durch ihre Schwingungsmasse hindurchgreifen werden wie durch Luft.“ (1895 RÖNTGEN-Strahlen-Entdeckung!) MARC habe Wilhelm BÖLSCHEs „Entwicklungsgeschichte der Natur“ von 1893/94 gekannt. Und BÖLSCHEs Vorbild war Alexander von HUMBOLDT (1769-1859) – mit dessen Hauptwerk „Kosmos“. ESCHENBURG interpretiert die Tierbilder „Mandrill“ (1913) und „Tiger“ (1912) als „organische Verwirklichung der anorganischen Umgebung“ – „Übergang vom Leblosen zum Lebendigen“. Das Organische und Anorganische erscheine von der „gleichen Machart“ (= „Prinzip der Einheit aller irdischen Materie“). Ihre „evolutionistische Lesart“ findet die Kunstwissenschaftlerin auch bestätigt durch das Bild „Die ersten Tiere“ von 1913 mit Wildpferden, die „aus abstrakten runden und eckigen Formen hervordringen“. (Zitiert nach libreka.de; Buch: „Bilderwelten – Vom farbigen Abglanz der Natur“ von 2007 – vgl. Kommentar zu (2) in ZEIT Online.)

Im Katalog (3) zur Ausstellung in Hannover schreibt Erich FRANZ - der Autor, der auf Barbara ESCHENBURGs Studie hingewiesen hat, dass MARCs Kunst mit Theorien und Vorstellungen der EVOLUTION des Lebens (DARWIN) zu tun habe: DELAUNAY habe in einem programmatischen Text („La lumière“ – Das Licht) den Begriff des „Lichts“ mit dem der „Bewegung“ zusammengeschlossen habe; ebenso mit dem der „Simultaneität“. Der Maler hatte geschrieben: „Die Simultaneität im Licht ist die Harmonie, der Rhythmus der Farben, der das Sehen der Menschen erschafft“. Der Künstler betont die Fähigkeit des Auges, die „vitale Bewegung der Welt“ zu erfassen, „und ihre Bewegung ist Simultaneität“; das Ohr nehme hingegen „sukzessiv“ wahr. Farbig gleichzeitig zusammenwirkend – „synchrom“-simultan – sei die „Harmonie“ als „Bewegung des Lichtes, welche die einzige Realität ist“ (a.a.O. S. 107). Paul KLEE hatte den Text verfälscht übersetzt: Er verstand Bewegungen als sukzessive Vorgänge „eines Zusammenklangs von Farben, die sich teilen und in gleicher Aktion wieder zum Ganzen zusammenschließen“. DELAUNAY verurteilte in seinen „Bemerkungen über die Farbe“ von 1912 „die archaischen Mittel der alten Malerei, Zeichenkunst, Geometrie, Perspektive“. Das Simultankontrast-Gesetz der Farben hatte Eugène CHEVREUL schon 1839 beschrieben.

Heute haben experimentelle Kunst & Theorie der ARS EVOLUTORIA zu den damals ungelösten Fragen Antworten gefunden: Ich verweise auf die in (6) geschilderten Entdeckungen: Licht/Farben-Harmonik im 12teiligen Farben-Lichter-Kreis (Klänge, Symmetrien), Evolutorische Symmetrisationen in Ebene und Raum (Kap. 5 S. 47 - 63), Theorie von Licht/Farbe und Form, Morphogenese, Morphomutabilität sowie Morphoevolution als kausale Gestaltenlehre (3. Teil S. 83 ff.), Doppelspiegel-Sehen, Testverfahren (Kap. 11.6. S. 142 – 191); Urformmodell (12.6. S. 264 ff.) und Urformlehre (12.7. S. 272 ff.)

DELAUNAYs „simultane“ Farbsetzung wurde bereits 1905 von MATISSE und anderen „Fauves“ (Wilden) erprobt, betont FRANZ. (S.109). Gegenstandsflächen hat DELAUNAY unter dem Eindruck des Kubismus und Futurismus geometrisiert und die Formgrenzen zersplittert, lichthaft-kristallin verschränkt. Die Farben verfestigen sich nicht zu gegenständlichen Oberflächen oder begrenzten Farbformen. In der ars evolutoria verfestigen sich die Farben/Lichter evolutionär-bifurkativ zu stets neuen figürlichen (gegenständlich-biomorph zu lesenden) Oberflächen mit begrenzten symmetriengesetzlichen Farbformen. Bei DELAUNAY erscheint keine Fläche fest abgeschlossen; mehrere Flächen fügen sich nuancierend-kontrastierend zu unterschiedlichen Formfiguren, die gleichzeitig und nicht nacheinander wahrgenommen werden sollen.

In MACKEs und MARCs Bildern ist die Farbe nach dem Einfluss des Franzosen enger an bestimmte Flächenformen und gegenständliche Motive gebunden als bei DELAUNAY. Der eher „monistische“ Franzose hat übrigens dem deutschen Künstler MARC einen Hang zu „Mystizismus“ und „Metaphysik“ vorgehalten; DELAUNAYs Werk fand der eher dualistische MARC hingegen zu „physikalisch“ sowie „lateinisch“ und „scholatisch“. (Kat. (3) S. 93.). Einig waren sich die beiden Expressionisten darin, dass sie die Klippe einer „sinnleeren“ Abstraktion abseits der Wirklichkeit umschiffen wollten. Pascal ROUSSEAU meint, dass die Farbe „zum eigentlichen Ort des Konsenses“ und zum „Verbum der Einheit der Völker“ wurde (S. 94). APOLLINAIREs „Orphismus“-Begriff fußt „gänzlich auf der Überlieferung der kosmischen Mysterien der Welt und dem Ideal eines Durchscheinens ihrer universalen Harmonie“; im „Mythos der fortwährenden Schöpfung, der natura naturans“, so der Autor (S 94). Dies wurde Thema besonders auch beim ersten Deutschen Herbstsalon 1913, der „eine der seltenen Gelegenheiten zu Dialog und Auseinandersetzung zwischen französischem Postkubismus, deutschem Expressionismus und italienischem Futurismus bot“. Mit „Vergöttlichung des Künstlers“, so ROUSSEAU: „ Hier findet die von APOLLINAIRE vorgenommene nietzscheanische mythische Poetisierung der ‚reinen Malerei’ ihre einigende Rolle in der Bündelung der künstlerischen Kräfte vor dem Krieg“. (S. 95.)

Der esoterisch-mythologische „Versuch zur poetischen Wiederverzauberung der Moderne“ der „Orphisten“, die eine Farbensprache finden wollten, die ihren „Ursprung aus der ‚Lichtessenz’ der Welt schöpft“, wobei es um „Urformen des Sehens“ mit „Licht als ein Antriebsprinzip“ – aus der „Schwingung der Welt“ - gehen soll (ROUSSEAU S. 91), offenbart verwandschaftliche Züge mit Arbeiten & Theorien der ARS EVOLUTORIA, die weder esoterisch noch mythologisch zu interpretieren sind und die auch nicht dem Thema einer „Künstler-Vergöttlichung“ in Verbindung zu bringen sind; hier geht es NICHT um POETISCHe „reine Kunst“ (KANDINSKY; vgl. (1).) Farben und Formen werden in einen autonomen EVOLUTIONären Einklang gebracht. Das Spektrum der Farben und Formen wurde praktisch und theoretisch durch EVOLUTIONISIERUNGEN in einer seither unbekannten neuen Farbe/Licht- und Formen/Gestalten-Theorie innovativ-objektiv bildkünstlerisch eingesetzt und erneuert. (LEONARDO & DARWIN: dynamische „Transmutationen“ wissenschaftlich statt „poetisch-visionär“; es geht nicht um das „Illustrieren“ von Bewegungen – siehe Futurismus-Bilder.)

MARC suchte „den organischen Rhythmus aller Dinge, ein pantheistisches Sichhineinfühlen und in das Zittern und Rinnen des Blutes der Natur“; von „Animalisierung der Kunst“ (vgl. (2) und Katalog (3) S. 16). Was er wohl zur ARS EVOLUTORIA gesagt hätte, die BIOMORPH wie MARCs Kunst orientiert ist!? In meiner Kunst geht es NICHT um ZERLEGUNG von Farbe & Form, sondern um einen EVOLUTIONsgesetzlichen AUF- und UMBAU in VERWANDTSCHAFTlichen Bezügen der Farben-Formen-Geschehnisganzen! NICHT um L’art pour l’art – „reine“, „abstrakte“ oder „absolute“ Kunst; vgl. (1) geht es; NICHT um Divisionistisches oder Literarisches handelt es sich.

„Schulmeisterliche Erklärungen“ wie etwa diese von DELAUNAY lehnte er ab: „das visuelle Leben des Rhythmus – das rhythmische Leben des Visuellen der visuelle Rhythmus des Lebens und so weiter“; vielleicht sei er „zu dumm dazu“. (Kat. S. 22f.) In einem Brief an MACKE distanziert sich MARC von MACKEs Verehrung der Person Robert DELAUNAYs: „Ich bin Deutscher (…); was geht mich die peinture der Orphisten an? (…)“ (Ebenda S. 25; letzter Kontakt zwischen den beiden Freunden.) MARC liebte DELAUNAYs Bilder, lehnte aber dessen „philosophische und historische Ideen“ für sich selbst ab (Brief von 1912 an den Franzosen; a.a.O. S. 38). „Sie machen sich selbst zum Jongleur von leeren Worten“ attackierte MARC den Pariser Maler. (S. 39.) DELAUNAY antwortete dem Deutschen, dass er ein „Feind der Unordnung“ sei, das Wort Kunst bedeute für ihn „Harmonie“ und er sich nie um das „Geistige“, Mathematik und Geometrie sowie die „exakten Wissenschaften“ kümmere. „Ich liebe Poesie“, hebt er hervor; und „die Malerei noch mehr“.

MARC entgegnete 1913: „Im allgemeinen habe ich eine große Abscheu vor jeder Theorie und vor logischen Überlegungen in der Kunst. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass die ästhetischen Argumente und Abhandlungen die Folge der Bilder sein müssen und nie ihre Quelle, noch ihre Begleitung. Es ist wie bei KANDINSKY – ich liebe seine Bilder als Kunstwerke tief, aber ich leite davon nicht alle Konsequenzen und Theorien, die er daraus zieht ab. Das gleiche ist für mich der Fall von ihrer schönen Kunst und ihren theoretischen Abhandlungen.“ Zur ARS EVOLUTORIA: Es könnte ja sein, dass MARC die biomorphe Kunst befürwortet hätte und zugleich die „Konsequenzen und Theorien“ geliebt hätte, da sie wissenschaftlich begründet sind.

Mit dem „Weltbild“ der damaligen Zeit wollte sich MARC „auseinander setzen“. 1914, im Vorfeld des Ersten Weltkrieges, ist der Diskurs der Freunde in München und Paris von völlig unterschiedlichen Dispositionen geprägt: ästhetisch, philosophisch und auch in Bezug auf die Religion, von der MARC bedauerte, er lebe in einer Zeit, „die keine Religion hat“. Für die „Bewegung in der Kunst“ brauche man „keinen Mystizismus“ schrieb DELAUNAY, der meinte: „Die universelle Darstellung erträgt keine Abstraktionen“. Und die „Systeme basieren auf exakten Wissenschaften“ über denen die „Sensibilität“ stehe, die „Freiheit der Inspiration (…) Orphismus (Poesie) genannt“. Von EVOLUTION oder gar EVOLUTIONISIERUNG der Kunst ist in dem Katalog-Band, der den Diskurs der die „Freundschaften in einer zerbrechenden Welt“ beleuchtet, keine Rede. MARC schreibt 1914, dass er „aus Instinkt“ male und lebe, dass er sich „unaufhörlich entwickele“ (S. 41; nach KREMPEL). Ein EVOLUTIONäres Entwickeln meint der Tiermaler damit wohl mutmaßlich nicht. Wenn DELAUNAY dem Freund schreibt, „die Geometrie, die Perspektive, und so weiter“ seien für eine „universelle Kunst“ „tot“ und „versunken“, konnte er nicht wissen, dass einmal eine EVOLUTIONäre (!)„Auferstehung“ in der bildenden Kunst möglich sein kann („Neo-Renaissance“ durch ARS EVOLUTORIA; vgl. (6)).

Als DELAUNAY im Jahr 1941 hoch verehrt und vielfach geehrt gestorben ist, gehörten seine beiden deutschen Bewunderer längst zu den „entarteten" Künstlern. Ihre Bilder waren in der berüchtigten Nazi-Ausstellung „Entartete Kunst" gezeigt worden, wurden aus Museen entfernt und aus Privatsammlungen geraubt. Viele Werke sind seither vernichtet oder verschollen. SKANDALÖSe negativ-kulturelle „EVOLUTION“ im Dritten Reich!

Literatur/Anmerkungen

(1) HAHN, Werner (2009): Wassily KANDINSKY: Transformationen abstrakt - absolut – konkret – biomorph/figurativ. In: ZEIT Online v. 28.02.2009.

(2) HAHN, Werner (2009): ANIMALISIERUNG & EVOLUTIONISIERUNG der KUNST: Franz MARC – ein Großer des 20. Jahrhunderts. In: ZEIT Online v. 05.03.2009. (Mit Kommentaren auch von Werner Hahn.) Siehe dazu auch im WEB von Werner Hahn - v. 06.03.09 - einen Beitrag mit 11 aufschlussreichen Bildern: "Franz MARC – ein ganz Großer des 20. Jahrhunderts. Über ANIMALISIERUNG & EVOLUTIONISIERUNG der KUNST"; unter http://www.myheimat.de/gladenbach/beitrag/79904/fr...)

(3) MEYER-BÜSER , Susanne (2009 Hrsg.): Marc, Macke und Delaunay. Die Schönheit einer zerbrechenden Welt (1910-1914). Sprengel Museum Hannover, Köln 2009.

(4) HEIN, Barbara (2009): Zeugen einer atemlosen Zeit. In: art Nr. 3/09, S. 26-34. Internet: www.art-magazin.de – Artikel aus art Nr. 3 mit BILDSTRECKE (17 Bilder) - mit Robert Delaunays "Saint-Séverin No. 1", 1909 (Privatbesitz; Katalog S. 200), "La Tour aux rideaux" (Der Turm mit Vorhängen; Kat. S. 201) von 1910, "Fenêtres ouvertes simultanément (1re partie, 3e motif)" von 1912 (Kat. S. 207) und Franz Marc: "Das Äffchen", 1912 sowie "Der Traum", 1912 und "Fuchs (Blauschwarzer Fuchs)", 1911 - "Rote Rehe II", 1912 - "Rehe im Walde II", 1914 (Courtesy Staatliche Kunsthalle Karlsruhe). Im Katalog (2) ist auf S. 203 der „Eiffelturm mit Bäumen“ von 1910 („Tour Eiffel aux arbres“) abgebildet.

(5) HAHN, Werner (2009): Zum 30. Deutschen Kunsthistorikertag 2009: Kunstbetrieb, Markt & Kanon („Stil“) – EVOLUTIONISIERUNG der Kunstgeschichte? In: ZEIT Online v. 09.04.09.

(6) HAHN, Werner (1989): Symmetrie als Entwicklungsprinzip in Natur und Kunst. Königstein. Gladenbach: Art & Science, 1995. HAHN, Werner (1998): Symmetry as a developmental principle in nature and art. Singapore. (Übersetzung des Originalwerkes von 1989, ergänzt durch ein 13. Kapitel – mit erweitertem Sach- und Personenregister sowie Literatur- und Abbildungsverzeichnis.) HAHN, Werner / WEIBEL, Peter (Hrsg.) (1996): Evolutionäre Symmetrietheorie: Selbstorganisation und dynamische Systeme. Stuttgart. (Anthologie mit Beiträgen von 19 Autoren; mit Essay von Werner Hahn: „Evolutionäre Symmetrietheorie und Universale Evolutionstheorie. Evolution durch Symmetrie und Asymmetrie“. )

Katalog-Objekt mit 3 Pfauenfedern: Licht/Farben-Seite. Hommage an drei Freunde. Werner Hahn
Katalog-Objekt mit 3 Pfauenfedern: Schatten-Seiten im Licht; zum Sehen für ein Augenpaar "gedacht"
Bürgerreporter:in:

W. H. aus Gladenbach

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