Krieg löst keine Probleme - Ostermarschaktion in Gießen

19. April 2014
12:00 - 13:30 Uhr
Kirchenplatz, 35390 Gießen
Rund 150 Teilnehmer nahmen an der von der Gruppe "Nations without flags" musikalisch umrahmten Osterfriedensaktion des Friedensnetzwerkes Gießen auf dem Kirchenplatz teil
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  • Rund 150 Teilnehmer nahmen an der von der Gruppe "Nations without flags" musikalisch umrahmten Osterfriedensaktion des Friedensnetzwerkes Gießen auf dem Kirchenplatz teil
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"Krieg löst keine Probleme - 100 Jahre: 1. Weltkrieg - 75 Jahre: 2. Weltkrieg - 70 Jahre: Bombardierung der Stadt Gießen", so lautete das Motto der diesjährigen Gießener Friedensaktion auf dem Kirchenplatz im Rahmen der schon traditionellen Ostermärsche. Aufgerufen zu der Aktion, an der rund 150 Menschen teilnahmen, hatte das Friedensnetzwerk Gießen.
Als erster Redner sprach der Gießener DGB-Kreisvorsitzende Klaus Zecher, anschließend folgten Eva Berck und Heide Blum von den "Frauen für den Frieden" und Burkhard Staude von der IPPNW (Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung). Für die musikalische Untermalung der von Ilse Staude moderierten Veranstaltung sorgte der amerikanische Musiker Michael Robertson mit seiner Gruppe "Nations without flags", die unter anderem den Antikriegssong "War" von Edwin Starr vortrug. Am Stand der Gießener Friedenaktivisten wurden auch Unterschriften für die Kampagne "Lernen für den Frieden Keine Rüstungsindustrie und kein Militär in Bildungseinrichtungen“ gesammelt.

In seiner Rede ging der Gießener DGB-Vorsitzende Klaus Zecher auf den aktuellen Konflikt in der Ukraine und die US-amerikanische Politik der letzten Jahrzehnte ein. Er kritisierte auch die EU-Flüchtlingspolitik und den Besuch der Bundeswehr an Schulen.
Wie Zecher zu Recht feststellte, sterbe als erstes immer die Wahrheit, was man auch an der aktuellen Berichterstattung über die Entwicklungen in der Ukraine feststellen könne. So seien Deutschland, die EU und auch die USA in dem Konflikt nicht unparteiisch, sondern ganz klar eine Partei, sie seien parteiische Akteure. Wenn es der EU und der USA gelänge, die Westukraine, die Kornkammer Europas, wirtschaftlich ausbeuten zu können, würde eine große Dominanz dieser beiden Wirtschaftsmächte auf dem Weltmarkt für Weizen entstehen. Bei diesem, wie vielen anderen (militärischen) Konflikten handele es sich um einen Krieg um Nahrungsmittel und Rohstoffe. Es dürfe keinen militärischen Einmarsch geben und es müssten alle paramilitärischen Gruppen in der Ukraine entwaffnet werden, so Zecher.
Was die Aktivitäten der US-Geheimdienste NSA und CIA anbelangt, so sei festzuhalten, dass diese an vielen Aktionen zur Unterdrückung und Beseitigung fortschrittlicher Bewegungen und Regierungen beteiligt waren. Als Bespiele nannte er die Definierung von Nelson Mandela als Terroristen bei gleichzeitiger Unterstützung des Apartheid-Regimes in Südafrika, den Sturz der demokratisch gewählten Regierung Allende am 11.09.1973 in Chile, die seit Jahrzehnten andauernde Kuba-Blockade oder aktuell die Unterstützung von radikal(-islamisch)en Gruppen in Syrien. Die NSA, so Zecher weiter, seit der Gulag der USA. Nur was den US-Interessen und den großen Konzernen nutze sei gut. Hedgefonds und transnationale Konzerne bestimmten, wie die Welt zu laufen habe, was er an zwei Beispielen verdeutlichte. So würden derzeit ausländische Investoren stark in der Türkei investieren, da es dort um die Stabilisierung einer absolut undemokratischen Regierung gehe, während Gelder aus Brasilien abgezogen würden, da deren Regierung umfangreiche Sozialprogramme durchführe. Die Interessen der Menschen spielten keine Rolle.
Was den Besuch der Bundeswehr an Schulen angehe, sei dies mehr als Gefährlich. Nicht ohne deutliche Kritik dürfe es bleiben, wenn Schüler der Theo-Koch-Schule in Grünberg "Diplomatie" bei der Franken-Akademie der Bundeswehr erlernen würden (hierzu siehe u. a. Drei Tage Einsatz in Bildungsakademie der Streitkräfte im fränkischen Lichtenfels). Statt militärischem Denken und neuer Aufrüstung bedürfe es der Völkerverständigung und der Abrüstung, so seine klare Botschaft! Positiv sei es daher, wenn eine Gießener Schule in diesen Tagen einen deutsch-russischen Schüleraustausch durchführe. "Frieden beginne bereits hier vor der Haustür!", so Zecher abschießend.

Eva Berck und Heide Blum von den "Frauen für den Frieden" führten ein Zwiegespräch, in dem sie über die bekannten aber grundfalschen Thesen wie "Kriege gab es schon immer.", "Die deutschen Interessen müssen weltweit, notfalls auch militärisch, vertreten werden." und "Die Rüstungsindustrie sei ein wichtiger Arbeitgeber." diskutierten. Richtig sei jedoch, dass Gewalt immer Gegengewalt erzeuge und man statt anderen Ländern ihre Rohstoffe mit kriegerischen Mitteln zu rauben diese von von ihnen unter fairen Bedingungen wirtschaftlich erwerben solle.
Sie zitierten u. a. den ersten Bundesinnenminister (1949/50) und späteren Bundespräsidenten Gustav Heinemann sowie die erst kürzlich in Afghanistan getötete Kriegsfotografin Anja Niedringhaus.
Heinemann klagte in den 50er Jahren nach seinem Austritt aus der CDU: „Sieht man denn wirklich nicht, dass die dominierende Weltanschauung (…) aus drei Sätzen besteht: viel verdienen, Soldaten, die das verteidigen, und Kirchen, die beides segnen.“(Quelle: http://www.trend.infopartisan.net/trd0413/t410413....)
Und Niedringhaus sagte in einem Interview vom 04. April 2014 in der Süddeutschen Zeitung: "Wir glauben im Westen immer noch, dass man Frieden mit Militär und Waffen herstellen kann. Aber damit erreicht man nichts. Ich bin zur größten Pazifistin geworden, seit ich in diesen Gebieten arbeite. Mit Panzern löst man keine Probleme."
"Der Krieg in Afghanistan sei ein sinnloses Unterfangen, Krieg keine Lösung und es bedürfe weltweit mehr Initiativen zu zivilen Konfliktlösung", so das Fazit des Zwiegesprächs von Berck und Blum.

Letzter Redner war Burkhard Staude von der IPPNW, der auf die Zusammenhänge zwischen ziviler und militärischer Nutzung der Atomkraft und die bestehenden Risiken hinwies. Beide Nutzungsarten der Kernenergie gehörten untrennbar zusammen, da u. a. das in zivilen Kernreaktoren verwendete Uran zu waffenfähigem Plutonium verarbeitet werde. In seinem Wortbeitrag erinnerte er auch an die Atomaktstrophen von Fukushima am 11.03.2011 und Tschernobyl vom 26.04.1986 sowie die Atombombenabwürfe im August 1945 auf Hiroshima und Nagasaki.
Das Reaktorunglück 2011 in Japan sei keine Fukushima-Katastrophe sondern in Wirklichkeit ein Tepco-Unfall, der alleine auf das Versagen und die Fehler der Betreiberfirma zurück gehe. Hunderte Arbeiter wurden dabei verletzt und eigentlich sei die gesamte Region für lange Zeit unbewohnbar geworden. Während man nach dem Super-Gau in Tschernobyl 1986 in Deutschland noch extrem besorgt gewesen sei wegen der möglichen Strahlengefahren, Kinder nicht mehr habe im freien spielen lassen und das Gemüse aus dem eigenen Garten nicht mehr verzehrt habe, sei man heute gut im Verdrängen und glaube alles sei gut. Dies sei jedoch Mitnichten der Fall, da die Energiewende gerade gestoppt werde und sich wieder Stimmen breit machen, die eine Verschiebung bzw. eine völlige Abkehr vom beschlossenen Atomausstieg fordern.
Eine ernste Bedrohung stellten auch die weltweit rund 17.000 vorhandenen Atomwaffen dar, von denen ca. 2.000 dauerhaft in höchster Alarmbereitschaft gehalten würden. Im ersten Jahr nach dem Atombombenabwurf auf Hiroshima seien über 140.000 Menschen gestorben, dabei hätte die Bombe "nur" eine Sprengkraft von 15.000 t TNT gehabt. Heutige Bomben seien tausendmal so stark und der Abwurf eine 50 Mt-Bombe über Mexiko Stadt würde zum sofortigen Tod von 20 Mio. Menschen führen. US-Präsident Obama habe zu Beginn seiner Amtszeit einmal richtigerweise gesagt, so lange Atomwaffen existieren sei die Welt nicht sicher. Auf dem kürzlich in Den Haag veranstalteten Nukleargipfel mit zahlreichen hochrangigen Vertretern aus 53 Ländern ging es jedoch nicht um atomare Abrüstung, sondern „lediglich“ um die Sicherung des existierenden Nuklearmaterials.
Auf einen an ihn gerichteten Brief der Gießener IPPNW-Regionalgruppe mit der Frage "Brauchen wir Atomwaffen in Deutschland?" antwortete der Gießener CDU-Bundestagsabgeordnete und Staatsminister im Bundeskanzleramt Dr. med. Helge Braun, dass er die Bedenken hinsichtlich der (vermuteten) Lagerung von mindestens 20 Atomsprengköpfen in Deutschland nachvollziehen könne, die Bundesregierung jedoch bei ihrer Strategie der Geheimhaltung in dieser Sache bleibe. Solange Atomwaffen Teil der Abschreckung im Konzept der Nato seien, müsse Deutschland grundsätzlich die Bereitschaft für die Stationierung von A-Waffen zeigen und Trägermittel für diese Bereitstellen, so Braun in seinem Antwortschreiben.
Damit zeige Braun einmal mehr, dass er die Gefahren die von der Kernenergie und den Atomwaffen ausgehe, herunterspiele bzw. negiere. Gerade der Transport von nuklearem Material berge hohe Gefahren und der produzierte Atommüll sein ein Verbrechen an den nachfolgenden Generationen.
Zum Schluss seiner Rede zitierte Staude eine gemeinsame Presseerklärung von IPPNW und ICAN (International Campaign to Abolish Nuclear Weapons) Deutschland vom 11.04.2014, in der es heißt: "Die Krim-Krise macht deutlich, wie schnell Aufrüstungsspiralen auch in Europa in Gang kommen können. Umso wichtiger ist es klar zu stellen, dass Atomwaffen keine Sicherheit garantieren. Im Gegenteil: Notwendig ist ein Verbot aller Atomwaffen, damit in zukünftigen Krisen niemand mehr auf die nukleare Karte setzen kann. Die Modernisierung der in Deutschland stationierten US-Atomwaffen lehnen wir daher entschieden ab und fordern die Bundesregierung dazu auf, darauf zu verzichten. Sie bedroht den unter großen Anstrengungen gestifteten Frieden auf unserem Kontinent."

Am Ostermontag findet in Frankfurt ein Stermarsch unter dem Motto "Krieg löst keine Probleme: Die Waffen nieder – 2014 so aktuell wie 1914" zum Römerberg statt, an dem sich auch die Gießener Friedensaktivisten beteiligen werden. Wer teilnehmen möchte, ist herzlich eingeladen. Los geht es um 09.30 Uhr am Gießener Bahnhof, um gemeinsam mit dem Zug nach Frankfurt zu fahren. Alle weiteren Infos und den Aufruf zum Frankfurter Ostermarsch gibt es hier.

Bürgerreporter:in:

Christian Momberger aus Gießen

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