Vom Sterben der Liebe

Unverzüglich begann die boulevardeske Empörungsmaschinerie - der erfahrene Kriminaler hätte es wissen müssen - hochtourig mit den Ermittlungen. Und schon nach wenigen Wochen stand der Grund für die eheliche Malaise unumstößlich fest: „Trennung nach Zeugungs-Boykott“ säftelte der „Berliner Kurier“ unnachahmlich, die Zeugungsunlust des Gefährten zum Ausgangspunkt der ehelichen Auflösungstendenzen erhebend. Ebenfalls unnachahmlich die sich demselben Thema widmende Schlagzeile der BUNTEN: „Tatort-Star Dominic Raacke: Unsere Liebe starb leise …“. Ja, so ist das mit der Liebe. Manchmal stirbt sie leise, manchmal langsam, häufig langsam und leise, von Zeit zu Zeit melancholisch, nostalgisch, gelegentlich aber auch krachend und lärmend. Letzteres vor allem, wenn sich das Zentralorgan des seriösen, investigativen Journalismus, die „Bild“-Zeitung, in der ihr eigenen Empathie der amourösen Irrungen und Wirrungen annimmt. In der ersten Woche wird eine A-Prominente (z. B. Uschi Glas) gegen ihren Willen ans Licht der nach wahrem Pathos dürstenden Öffentlichkeit gezerrt, in Woche II folgen irrlichternde, sich an der Grenze des sprachlich Zumutbaren bewegende - Sie verzeihen an dieser Stelle das unumgängliche Wortspiel -, vorzeitige rhetorische Ergüsse des bis dato kaum bekannten, sich aus der ehelichen Enge absetzenden Gatten (z. B. „Bernie“ Tewaag), in Phase III meldet sich die meist jüngere Konkubine mit schwarz bebalkten Augen, die nichts von lodernder Liebesglut verraten, zur Untermauerung ihrer libidinösen Ansprüche zu Wort (z. B. Wurst- und Brezelverkäuferin Anke S.), bis schließlich mit deftiger Hausmannskost aus dem Mund des geprellten, vormaligen Konkubinen-Beischläfers (z. B. Detlev H.) die von mir am meisten geschätzte Endstufe des medialen Overkills erreicht ist. Detlev H. („Bild“: „Jetzt packt der Ex-Freund von Anke S. aus“) kann zwar so gar kein Verständnis dafür aufbringen, dass Anke nun mit „Bernie“ brezelt, wünscht den beiden Frischverliebten aber dennoch im pastoral angehauchten, kaum erträglichen Eugen Drewermann-Stil alles Gute, denn die Anke sei doch nach wie vor ein sehr „lieber und intelligenter Mensch“. Tja, nur schade, dass die liebe Anke jetzt nur noch Appetit auf Bernies Würstchen hat. Kulinarisches scheint überhaupt eine (ge-)wichtige Rolle zu spielen. So mischte sich - natürlich ungebeten und ungefragt - der vor sich hin delirierende Mime Klausjürgen Wussow mit launigen Bemerkungen in das Glassche Ehedrama ein. Die Uschi sei „viel zu dünn“ und „zu zickig“ gewesen und habe bei Dreharbeiten in der Dominikanischen Republik immer nur „Ananas und Salat“ gegessen, dozierte Prof. Brinkmann sachkompetent wie zu besten Glottertal-Zeiten. Dass zu wenig Ananas und zuviel tierische Fette unter Umständen der „Knusprigkeit“ auch nicht förderlich sein könnten, musste er dann auf dem Schoß seiner schlagkräftigen Boxerwitwe Sabine Scholz schmerzhaft erfahren. Auch im Hause Bohlen wurde die Auseinandersetzung um die richtige Nährstoffzufuhr unversehens zum „Casus Belli“, wünschte der filigrane Pop-Poet mit dem sagenhaften Timbre doch eher eine Köchin denn eine Skifahrerin („Die Verona will immer in die Berge, zum Skifahren. Aber in meiner Küche schneit’s so selten“). Die unvermeidliche Konsequenz: „Ausgeblubbt“! Nach rekordverdächtigen 30 Tagen lag der Gefühls-Spinat schockgefroren in der emotionalen Tiefkühltruhe. Spirituelle Orientierung tut Not angesichts derartiger gefühliger Verwerfungen. Praktisch in diesem Zusammenhang, dass wir Deutschen ja nicht nur Deutschland, sondern ab und zu auch Papst sind. Danke, Bene für das intellektuell-wärmende Leuchtfeuer in gefühlskalten Zeiten. Der weltlichen - ja, man muss es an dieser Stelle ungeschminkt spezifizieren -, geschlechtlichen Liebe (Eros) stünde die religiös überformte, im Glauben gründende, sich dem Anderen zuwendende Liebe (Agape) ergänzend, brüderlich zur Seite. Erst die Agape führe den Menschen heraus aus seiner Selbstbeschränktheit hin zur wahren Daseinshöhe. Wie Recht „Papa-Ratzi“ hat, beweisen Schauspieler-Methusalem Johannes Heesters und seine 46 Jahre jüngere Ehefrau Simone Rethel täglich aufs Neue. So wenig Eros und so viel Agape war nie.

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Joachim Meyer aus Friedberg

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