Ich bin kein Fähnlein im Wind...

Karl-Heinz Wagner verbringt viel Zeit im Rathaus
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Der Mann, der kein „Fähnlein im Wind“ sein will, gehört einer Zunft an, der man gerne das Gegenteil nachsagt. Politiker genießen oft den Ruf, ihre Meinung den jeweiligen Trends anzupassen. Es soll in dieser Ausgabe des „gersthofer“ ein Kommunalpolitiker vorgestellt werden, der sich den Anspruch auf seine Fahne heftet, eben nicht das berüchtigte „Fähnlein im Wind“ zu sein.

Licht aus – Spot an. Auf der Bühne steht Karl-Heinz Wagner. Seit 34 Jahren als Sitzungspräsident die KOL-LA-Sitzungen leitend, eine für ihn gewohnte Situation im Rampenlicht zu stehen. Weiter auf der politischen Bühne: 40 Jahre Stadtrat in Gersthofen, 34 Jahre als Mitglied im Kreistag des Landkreises Augsburg, 14 Jahre Mitglied im Bezirkstag des Bezirks Schwaben. Dazu noch auf der Bühne des TSV Gersthofen: 26 Jahre als Vereinspräsident, stellvertretender Kreisvorsitzender beim Bayerischen Landes-Sportverband und und.... Also ein Mann für (fast) alle Gelegenheiten? Auf jeden Fall ein interessanter Interviewpartner.

Das Gespräch findet im Besprechungszimmer des 1. Bürgermeisters im Rathaus statt. Wagner vertritt Jürgen Schantin während des Urlaubs. Der Pressemann fällt gleich mit der Tür ins (Rat)haus. Hat Wagner schon mal den Entschluss bereut, 1972 für den Stadtrat zu kandidieren? Ein klares „Nein“. „Ich habe meinen Entschluss nie bereut, Sonst hätte ich mich ja bei den folgenden Wahlperioden ja nicht mehr aufstellen lassen.“ Logisch. Hat er den Aufwand richtig eingeschätzt? Etwas ausweichend: „Der Aufwand für die Stadtratstätigkeit von 1972 ist nicht vergleichbar mit der heutigen Situation. Ich war damals 26 Jahre jung und ledig, war neugierig und sah das Ganze als Herausforderung an.“ Sein Interesse an der Kommunalpolitik war groß und ist es auch heute noch. Er sieht allerdings im Umgang mit den Parteien untereinander einen „Klimawandel“. Früher hatte man sich, auch wenn im Plenum heftig gestritten wurde, nach den Sitzungen zu einem überparteilichem Plausch im „Ziegler“ oder „Strasser“ zu einem Glas Bier getroffen. „So was gibt’s heute leider nicht mehr“, bedauert er. Für Entscheidungsfindungen stand auch mehr Zeit zur Verfügung, das Tempo war langsamer. Hat er in seiner langen Tätigkeit Entscheidungen mittragen müssen, die nicht in seinem Sinn waren? „Es gab Situationen, wo mir mein Abstimmungsverhalten nicht leicht fiel. Kompromissbereitschaft und Loyalität waren angesagt, auch wenn`s manchmal an das berühmte „Kröten schlucken“ erinnerte. Ich habe jedoch nie das große Ziel aus den Augen verloren, habe mich nicht verbogen. Ich bin kein Fähnlein im Wind.“ Er macht keinen Hehl daraus, dass er sich auf der „sicheren“ Seite wohl fühlt, ohne dabei ein Bedenkenträger zu sein.

Zurück zum „Wind“. Mitgliedschaft in vielen Gremien und Vereinen, berufliche Tätigkeit als Personalchef in einem mittelständischen Betrieb, dazu noch Familienleben mit Ehefrau Christine und den Töchtern Martina und Sibylle; weht einem da der Wind nicht kräftig ins Gesicht? Wagner nickt: „Meine Arbeitgeber haben mir viel Verständnis durch flexible Arbeitszeitregelung entgegen gebracht. Aber es gab eine Regel: Zuerst kommt der Job. Wenn der gut erfüllt wird, kann man anderen Verpflichtungen nachgehen. Und das ist mir gelungen.“ Oft im Wagner'schen „Home-office“, d. h. Arbeit musste zuhause, auch nachts, erledigt werden. Wagner ist stolz, diesen Spagat geschafft zu haben. Und wie hat sich seine Familie dazu gestellt? Die Töchter sind mittlerweile erwachsen und aus dem Haus. Vorsichtig formuliert er: „Es war nicht immer so gut, dass der Vater viel unterwegs war. Meine Frau hätte es wissen müssen, auf was sie sich einlässt, denn auch ihr Vater bekleidete lebenslang ein Ehrenamt.“ Er ist dankbar, dass sie ihm den Rücken frei gehalten hat. Und sie hat nie versucht, ihn in politischen Angelegenheiten zu beeinflussen. Sie kümmerte sich dafür u. a. um seine Garderobe nach dem Motto „Ich lasse ihn nur auf die Menschheit los, wenn er ordentlich angezogen ist“, erzählt Wagner schmunzelnd. Ansonsten sei er pflegeleicht, meint seine Frau. Vielleicht jetzt noch mehr, nachdem er nach 50 Berufsjahren seit einem Jahr im Ruhestand ist. „Ich kann den Tag viel bewusster als früher leben und mein Tempo selbst bestimmen“, freut sich Wagner. Er hat jetzt Zeit für seinen Garten; ein willkommener körperlicher Ausgleich zur Jahrzehnte langen Tätigkeit am Schreibtisch. Und dann gibt`s auch noch Tristan und Philipp; zwei Enkel die sich freuen wenn Opa Zeit für sie hat.

Neue Kulisse. Was empfindet er beim derzeitigen Auf und Ab im TSV Gersthofen? Bauchgrimmen? Nein. Er verfolgt aufmerksam die Entwicklung beim TSV Gersthofen. Als langjähriger Präsident kennt er das Innenleben des Vereins mit all seinen Stärken und Schwächen. Er ist überzeugt, dass beim gemeinsamen Miteinander Wege gefunden werden, die derzeitigen finanziellen und personellen Probleme mit sportlichem Ehrgeiz zu lösen. Zuversichtlich: „Ein 103 Jahre alter Verein wird damit fertig werden, so wie früher auch schon andere Schwierigkeiten überwunden wurden.

Aus seinen Worten klingt langjährige Erfahrung im Umgang mit Menschen und Institutionen, sei es auf politischem oder sportlichen Parkett. Dem Pressemann fiel auf, dass sein 66-jähriger Interviewpartner kein Freund von „Schnellschüssen“ ist. Er sucht lange nach passenden Formulierungen, wägt jedes Wort sorgsam ab und verliert sich manchmal in Details. Mit Gestik unterstreicht er seine Worte. Da drängt sich schon fast von selbst eine letzte Frage auf: Kann man sich einen bequem im Sessel sitzenden und Däumchen drehenden Karl-Heinz Wagner vorstellen, der dabei sagt „Nun macht mal schön“? Schließlich ist er ja schon Ruheständler, bekleidet aber immer noch etliche Ehrenämter in Politik, Sport und Gesellschaft. Wagner grinst sybillinisch. „Konkrete Entscheidungen stehen nicht an. Aber man stellt sich natürlich die Frage ob man mit 66 Jahren gesundheitlich noch in der Lage ist, wie bisher mitzuhalten.“ Mehr ist aus ihm nicht heraus zu locken. Der Pressemann hat eigentlich schon fast diese Antwort erwartet. Er bedankt sich für das Interview, macht noch einige Bilder und – ist überzeugt, dass noch nicht das letzte Wort von, mit oder über Vollblut-Politiker Karl-Heinz Wagner gesprochen wurde...

Bürgerreporter:in:

Gerhard Fritsch aus Gersthofen

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