"Qualität ist bei uns oberstes Gebot": Der Gersthofer Kulturamtsleiter Helmut Gieber blickt auf das kulturelle Jahr in Gersthofen zurück

Helmut Gieber in der Stadhalle Gersthofen, die - ganz im Gegensatz zum Bild - bei Veranstaltungen gut gefüllt ist
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mh bayern: Die Stadthalle Gersthofen darf sich über Besucherrekorde freuen. Wie begründen Sie den großartigen Erfolg der letzten Spielsaison?

Helmut Gieber: Hohe Besucherzahlen lassen sich auf ein attraktives und vielschichtiges Programm und eine starke Auslastung zurückführen. Auf die Programmauswahl haben wir bzw. ich selbst großen Einfluss und 2011 offensichtlich wieder ein gutes Händchen bewiesen. Bei der Auslastung hat uns sicherlich die langfristige Schließung der Kongresshalle Augsburg in die Karten gespielt.

mh bayern: Wo Licht ist, ist auch Schatten. Sie erwähnten, dass die Stadthalle in vielerlei Hinsicht an ihre Kapazitätsgrenze komme.

Helmut Gieber: Wir werden in diesem Jahr erstmals die Marke von 200 Veranstaltungstagen überschreiten und kommen auf eine Besucherzahl von rund 80.000 Personen. Die Rekordzahlen sind unter gleichbleibenden Rahmenbedingungen, insbesondere einer unveränderten Personalausstattung, nicht ohne Qualitätsverlust zu bewältigen. Qualität ist bei uns oberstes Gebot. Ich gehe zunächst davon aus, dass sich der enorme Druck auf die Stadthalle Gersthofen mit der Wiedereröffnung der Kongresshalle im Mai 2012 wieder abnimmt.

mh bayern: Wenn Sie das Jahr 2011 Revue passieren lassen. Welche Auftritte haben Sie besonders beeindruckt?

Helmut Gieber: Ohne Frage war das Konzert von Weltstar Ute Lemper zur Eröffnung des Augsburger Brechtfestivals ein besonderes Erlebnis. Wir wären auch 2012 gerne dabei gewesen. Leider konnte der Auftritt von Marianne Faithful aus Termingründen in Gersthofen nicht realisiert werden. Grandios fand ich den Auftritt von Dieter Hildebrandt, der mit 84 Jahren beweist, dass Alter nicht von Können schützt. Einen nachhaltigen Eindruck hat nicht nur bei mir die „gespielte“ Lesung des gruseligen Erfolgsromans von Andrea Maria Schenkel „Tannöd" mit Johanna Bittenbinder und Heinz-Josef Braun hinterlassen.

mh bayern: Qualität ist Ihnen bei der Auswahl des Programms sehr wichtig. Anhand welcher Kriterien versuchen Sie diese zu gewährleisten?

Helmut Gieber: Eine intensive Marktbeobachtung, zahlreiche langjährige persönliche Verbindungen zu Künstlern, Agenturen, Produzenten und über meine Vorstandsarbeit bei der Inthega zu Kollegen in Bayern und dem ganzen Bundegebiet helfen mir, unseren Qualitätsanspruch umzusetzen. Da wir selbst nicht inszenieren oder produzieren, ist unser Einfluss auf die Gastspiele nur mittelbar.

mh bayern: Zur Schauspielerin Ellen Schwiers hegen Sie nach eigenen Angaben ein fast schon freundschaftliches Verhältnis. Dieses Jahr kam sie nicht nur im Rahmen zweier Inszenierungen nach Gersthofen, sondern auch für das Weißwurstfrühstück im Sommer, das traditionell für alle Abonnenten als Dankeschön veranstaltet wird. Warum zieht es die Schauspielerin immer wieder nach Gersthofen und darf man sich auch 2012 auf sie freuen?

Helmut Gieber: Mit Ellen Schwiers, der 81-jährigen Grande Dame des Theaters, verbinden mich wohl einige Charakterzüge wie Begeisterung, Ehrgeiz, Perfektionismus und Geradlinigkeit. Und deshalb verstehen wir uns über die langjährige Geschäftsbeziehung hinaus auch persönlich so gut. Das Publikum darf sich im Frühjahr 2012 auf das Stück „Altweiberfrühlung“ nach dem Erfolgsfilm „Die Herbstzeitlosen“ freuen und im März 2013 führt Ellen Schwiers Regie in der schwarzen Komödie „Belladonna“ mit ihrer Tochter Katerina Jacobs (u.a. Bulle-von-Tölz-Partnerin) in der Hauptrolle.

mh bayern: Bereits seit mehreren Monaten beschäftigt die Gersthofer die Frage, wie die neugestaltete Stadtmitte aussehen soll. Was sind Ihre Wunschvorstellungen und welche Rolle spielt dabei die Stadthalle?

Helmut Gieber: Das Kulturamt, als Nutzer der Strasser-Villa, in der wir uns seit vielen Jahren recht wohl fühlen, ist in dieser Frage befangen. Diplomatisch beantwortet, wünsche ich mir eine baldige zielführende Entscheidung im Interesse und zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger. Sollten wir die Villa verlassen müssen, hoffen wir sehr auf eine adäquate, organisatorisch sinnvolle Unterbringung.

mh bayern: Aufgrund niedriger Gewerbesteuereinnahmen musste das Budget für die Stadthalle in diesem Jahr um 33 Prozent gekürzt werden. An welchen Stellen mussten Sie in diesem Jahr sparen und sieht das nächste Jahr wieder rosiger aus? Schließlich sind die Gewerbesteuereinnahmen wieder höher und auch die vielen Besucher dürften Geld in die Kasse gespült haben.

Helmut Gieber: Ein Kulturbetrieb ist kein Profitcenter, zumindest nicht in materieller Hinsicht. Wir haben immer versucht, im Rahmen der Zielvorgaben optimiert zu arbeiten. Die Zielvorgaben, welche und wie viele Angebote die städtischen Kulturbetriebe leisten sollen und was sie der Kommune wert sind, entscheidet der Stadtrat. Kulturpolitik ist eines der letzten Refugien kommunaler Selbstbestimmung. Kultur braucht Planungssicherheit, am besten über ein Haushaltsjahr hinaus.

mh bayern: Als Vorstandsmitglied von INTHEGA (Interessengemeinschaft der Städte mit Theatergastspielen) haben Sie den direkten Vergleich mit anderen Spielstätten in Deutschland. In welchen Punkten ist die Gersthofer Stadthalle anderen vergleichbaren Kultureinrichtungen voraus und wo besteht noch Nachholbedarf?

Helmut Gieber: Ein direkter Vergleich ist bei den unterschiedlichen Rahmenbedingungen der einzelnen Häuser kaum möglich. Jedes Haus muss die Atmosphäre und technischen Möglichkeiten, die Publikumsstruktur und viele weitere Aspekte beachten, um vor allem langfristig erfolgreich zu sein.

mh bayern: Vor ziemlich genau einem Jahr war im Ballonmuseum die Janosch-Ausstellung zu bestaunen, des Weiteren gab es die Ausstellung „Deutschland für Anfänger“ in diesem Jahr zu sehen. Ist schon die nächste Sonderausstellung geplant?

Helmut Gieber: Sonderveranstaltungen im Ballonmuseum erhalten dessen Anziehungskraft. 2012 stehen erneut die mittlerweile etablierten Kinderkulturtage an und mit Dr. Trepesch, Direktor der Kunstsammlungen und Museen Augsburg, haben wir erste Kontakte aufgenommen, um das Ballonmuseum mit einem speziellen Beitrag in die große Paul-Klee-Ausstellung der Stadt Augsburg im Jahr 2013 einzubinden.

mh bayern: Für die aktuelle Saison, die noch bis Februar läuft, steht das Programm fest. Auf welche „Zuckerln“ können sich die Stadthallenbesucher für das restliche Jahr 2012 freuen?

Helmut Gieber: Die Biermöslblosn hat sich zwar aufgelöst, aber Christoph, Michael und neu dazu Karl kommen mit den Wellküren am 22.11.12 in die Stadthalle. Weiteres zur Vormerkung empfohlen sind: Die Flying Superkids am 2.3., das erstmals auf Tournee gezeigte Stück "Der Blaue Engel" im Dezember und die Spider-Murphy-Gang unplugged voraussichtlich am 29.11.12

mh bayern: Wenn man mal die Stadthalle außen vor lässt: Welche kulturellen Highlights, die es 2011 in Gersthofen gab, sollten nicht unerwähnt bleiben?
Helmut Gieber: „Kulturina“, das vom Verein „Lebendige Innenstadt“ konzipierte neue Stadtfest hat hervorragend eingeschlagen. Ich hoffe, dass der ebenfalls neu ausgerichtete Weihnachtsmarkt, der vom 24.11. – 11.12 dauert, mit seiner anheimelnden Budenstadt und dem abwechslungsreichen Programm samt Engeln und lebendigen Rentieren zu einem Sammelpunkt im Stadtzentrum wird. Für mich persönlich war die diesjährige Vergabe des Kunstpreises in Musik sehr beeindruckend.

mh bayern: Das Leben ist zwar kein Wunschkonzert, doch wenn Sie freie Wahl hätten, welchen Künstler hätten Sie persönlich gerne in der Stadthalle?

Helmut Gieber: Ich wiederhole mich, aber ich hoffe, dass mich in ca. zehn Jahren die Rolling Stones bei ihrem letzten öffentlichen Auftritt in der Stadthalle Gersthofen in den verdienten Ruhestand spielen. Bis dahin freue ich mich noch auf viele überraschende Verpflichtungen namhafter, aber vor allem guter Künstler.

mh bayern: Vielen Dank für das Interview, Herr Gieber!

myheimat-Team:

Tanja Wurster aus Augsburg

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