Die frühe Siedlungsentwicklung in Eichenau: Kriegerheimstätten und Gartenstadt

1916 lag Eichenaus Struktur fest und die Baugenossenschaft begann wenige Wochen vor Kriegsende mit dem Anfkauf der Grundstücke
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Georg Popp überschrieb seinen Plan mit „Heimgartensiedlung Eichenau“. Die Heimgärten, die zur Gründung von Eichenau gehören, sind auch im Jahre 2006 nicht vergessen. Obwohl das Landesentwicklungsprogramm (LEP) radikal gekürzt werden sollte, wurde ein neuer Grundsatz zur Entwicklung eingefügt ( Artikel B I- 2.2.8.4 ), wonach „ die Entwicklung wohnungsnaher, vielfältig nutzbarer und ökologisch wirksamer Gärten sowie ein entsprechendes Wohnumfeld anzustreben“ ist. Hiermit liegt nun eine moderne Definition für Heimgärten vor und die SZ/FFB fand das sogar eine Glosse wert. SZ 16.6.2006. S. 49.

„Parallel zu den Veränderungen in der entstehenden Industriegesellschaft entwickelte sich gleichzeitig ein bürgerlicher Siedlergeist als Reaktion auf die städtebauliche Entwicklung, der um die Jahrhundertwende in Wohnsiedlungen und Stadtrandsiedlungen erste Ansätze zeigte. Die Entflechtung der Großstädte wurde angegangen, Schrebergärten wurden angelegt, Gartenstädte geplant und gebaut. Bis Kriegsbeginn war ein umfangreicher staatlicher Verwaltungsapparat aufgebaut: Siedlerberatungsstellen, Rentenbanken, Genossenschaftseinrichtungen u. ä. mit ihren Publikationen wie z.B. das Archiv für innere Kolonisation (ab 1908). Schon zu Kriegsbeginn machte man sich verstärkt Gedanken, wie die Kriegsheimkehrer untergebracht werden sollten, und plante die Ansiedlung von Kriegsinvaliden, Kriegerheimstätten, Friedensstädte sowie die innere Kolonisation auf breiter Grundlage. Nach dem Kriege schritt man dann mittels Gesetzgebung zur Tat: Anfang 1919 wurde die Reichssiedlungsverordnung erlassen, die im August in ein Reichssiedlungsgesetz einging. Unbewirtschaftetes Moor- und Ödland konnte, notfalls auf dem Enteignungswege, zur Bewirtschaftung freigegeben werden. Von 1919 bis 1928 sind auf diese Weise auf 16.172 ha Moor- und Ödland 1.761 Neusiedlerstellen gegründet worden. Zur beschleunigten Wiederansiedlung der aus Polen vertriebenen deutschstämmigen Ansiedler trat zudem 1923 das Flüchtlingssiedlungsgesetz in Kraft. Ca. 2.500 Flüchtlinge konnten in Brandenburg, Pommern und Schlesien auf neue Siedlungsstellen vermittelt werden. Die Siedlungsfrage als Mittel zur Entspannung der Wohnungsnot der Großstädte aus politischer und wirtschaftlicher Sicht war zwar bereits nach 1918 andiskutiert worden, führte aber erst nach der Depression zu politischen Maßnahmen.“ (Anne Feuchter-Schawelka, in: Handbuch der deutschen Reformbewegungen, isbn , Retrieved from http://www.societyofcontrol.com/ppmwiki/pmwiki.php... ,Page last modified on May 26, 2005)

Ein Beispiel aus dem „letzten Dorf Berlins“, Lüdebars : „1920 wurde Lübars Ortsteil des neu gegründeten 20. Berliner Verwaltungsbezirks Reinickendorf. Ein Jahr später entstand die Kriegerheimstätten-Siedlung ( Herv. D. Verf.) an der Platanenstraße, dem heutigen Zabel-Krüger-Damm .... Während der Inflation verkauften Bauern Boden an Siedler. In jener Zeit entstanden auf Lübarser Terrain mehrere Laubenkolonien, und 1935 wurde dann die AEG-Siedlung auf dem Kienwerder errichtet. Die Einwohnerzahl stieg von 250 Personen im Jahre 1918 auf 5 500 in den 30er Jahren.“
Der bekannte Architekt Fritz August Breuhaus de Groot, (Prof. u.a. TU München, Architekt und Kunstgewerbler, geb. 09.02.1883 in Solingen, gest. 02.12.1960 in Köln-Rodenkirchen) baute nicht nur Villen zwischen Solingen und Starnberger See sondern plante auch für die Kriegerheimstätten. : Gartensiedlung in Köln-Bickendorf ,: Kriegerheimstätten-Siedlung in Köln-Holweide )

„Der Typus der Gartenstadt (bzw. die Erwerbssiedlungen) aus den 1920er und 1930er Jahren verfolgte eine neue Siedlungsform, welche der Bevölkerung leistbare, hochwertige und gesunde Wohnmöglichkeiten bieten sollte. Die Gartenstadtidee konnte sich zwar stadträumlich nur punktuell durchsetzen, doch verfügen die wenigen Beispiele in Wien (Siedlung Kriegerheimstätten, Siedlung Hermeswiese bzw. Siedlung „Lockerwiese“, Freihofsiedlung etc.), ebenso wie der damals einsetzende, experimentelle Siedlungsbau (Werkbundsiedlung) über einen nach wie vor international beachteten und beispielhaften, städtebaulichen Stellenwert.“ ( S. 57 /Stadtstruktur WIEN)
Was für Eichenau Josef Nibler war, das war für Duisburg Bissigkeim Hermann Grothe. Wir können nicht nachweisen, dass Nibler die Schrift von Grothe gekannt hat, aber es zeigt, dass diese Ideen im ganzen Reich virulent waren und viele Nachahmer fanden.
Über die Geschichte Bissigheims schreibt Andreas Loch : „Im Jahre 1915 gab Hermann Grothe eine reich bebilderte Schrift über Gedanken und Entwürfe einer Kriegerheimstätten-Siedlung heraus, die im Baurundschauverlag Hamburg, unter dem Titel "Gartenstadt Wedau und Heimstättenplanung Seitenhorst" erschien ist. Diese illustrierte Schrift sandte Grothe an alle Ministerien des Reiches, Provinzialbehörden, Verbände und Vereine. Dadurch erhielt auch der damalige General- Gouverneur von Belgien, Freiherr von Bissing, sowie sein Mitarbeiter, der Geheime Sanitätsrat Prof. Dr. Pannwitz, davon Kenntnis.
Grothe suchte durch Information neue Wege zur Schaffung von Kriegerheimstätten, insbesondere für die Siedlung Seitenhorst, das spätere Rheinisch-Bissingheim. Im Gegensatz zu Wedau mit seinen Reihenhäusern sollte die Siedlung Seitenhorst in offener Bauweise errichtet werden. Den Häusern wollte man das benötigte Gartenland beigeben, damit man die Abwässer und Abfälle selber verwerten konnte, so dass eine Kanalisation oder Fäkalienabfuhr entfiel. Der Bau einer Kanalisation in Wedau war ungeheuer schwierig und kostspielig gewesen. ...
Die Schrift fand großen Beifall. Auf der Ausstellung für das Siedlungswesen, die unter der Schirmherrschaft des Freiherrn von Bissing in Brüssel stattfand, was da Modell der Siedlung "Seitenhorst" vertreten und lenkte so die Aufmerksamkeit der Leitung auf die Heimstättenplanung. Für eine Heimstättensiedlung hatte Grothe sich das Gelände zwischen der Eisenbahn und der Huckinger Hecke angesehen. Diese Waldungen mit Nadel- und Laubbäumen bewachsen, gehörten größtenteils dem Grafen Spee zu Heltorf. Unermüdlich in vielen Gesprächen mit dem Reichsgrafen konnte Grothe nun ein Gelände von über 300 Morgen Wald östlich der Rheinischen Bahnlinie bis ein Jahr nach dem Kriege für rund eine halbe Million Mark - 1.500 Mark je Morgen - vertraglich sichern.
Grothe musste alle Kosten für die notarielle Ausstellung der Kataster- und Grundbuchpapiere etc. selbst tragen, die bis an die Grenze seiner Ersparnisse gingen. Nach schriftlicher Verständigung erfolgte nun eine Besichtigung des Geländes durch den Geheimen Sanitätsrat Pannwitz und die Zusage der Hilfe durch die Bissing-Stiftung. Der Anfang war gemacht. Jetzt konnte weiter gearbeitet werden, ohne dass befürchtet werden musste, dass das Baugelände wie in Wedau mit jedem Fortschritt höher bewertet wurde. Unter Verzicht auf die Hälfte seines Gehaltes wurde Grothe von seinen Vorstandsgeschäften beim Wohnungsverein befreit und konnte sich un der Verwirklichung der Kriegerheimstättensiedlung "Rheinisch-Bissingheim", wie sie jetzt heißen sollte, widmen. Es gelang ihm, den Kreis und die Gemeinde Huckingen als Gesellschafter zu gewinnen. Am 11. Februar 1918 konnte die "Rheinisch-Bissingheim-Siedlungsgesellschaft m.b.H. zu Huckingen am Rhein" gegründet werden.“

Auch der Heidelberger Stadtteil Pfaffengrund ist als Kriegerheimstättensiedlung gegründet worden.
„Noch im selben Jahr beginnen auf den weitläufigen Kartoffel- und Gemüseäckern an der Straße zwischen Heidelberg und Eppelheim die Bauarbeiten nach einem vom Leiter des Heidelberger Bezirksbauamts Dr. Schmieder ( wie in Eichenau, Herv.d. Verf.) konzipierten Siedlungsplan. Dieser steht im Zeichen der Gartenstadtbewegung und bevorzugt den Flachbau mit Gartenland, das die Möglichkeit zu Gartenbau und Kleintierzucht eröffnet. Bereits Ende 1920 wird der erste Bauabschnitt mit 103 Wohnungen seiner Bestimmung übergeben. Darin finden 450 Menschen ein Unterkommen. Nach Vollendung des sechsten Bauabschnitts leben hier 1850 Menschen in 388 Wohnungen.

Dem weiteren Ausbau der Siedlung Pfaffengrund folgt auch die allmähliche Entwicklung der erforderlichen Infrastruktur mit Anschluss an das elektrische Kabelnetz, Errichtung einer Notkirche der katholischen Kirchengemeinde und des evangelischen Gemeindehauses sowie 1926 der Ersatz der provisorischen Schulbaracke durch ein massives Schulhaus. Läden entstehen: ein Metzger-, ein Friseur-, ein Haushalts-, ein Schuh- und ein Papierwarengeschäft. Ein Arzt siedelt sich an, ein Polizeiposten wird eingerichtet.

In den Jahren 1932 bis 1934, auf dem Höhepunkt der Massenarbeitslosigkeit, setzt ein neuer Bauschub ein. 150 arbeitslose Familienväter erhalten Darlehen, um ein Häuschen in Eigenarbeit zu errichten. 1935 schafft die Autobahntrasse eine Grenze zwischen dem Pfaffengrund und Eppelheim, wodurch ein denkbares Zusammenwachsen in der Folge verhindert wird. Auch nach dem zweiten Weltkrieg herrscht wiederum Wohnungsnot. Innerhalb von nur fünf Jahren ) entstehen, teilweise in Selbsthilfe insbesondere von Ausgebombten und Heimatvertriebenen, 180 Wohnungen.“
Die Entwicklung Eichenaus lässt sich nicht nur als ein Modell am Stadtrand von München verstehen, sondern muss im Zusammenhang der gesamten Entwicklung im deutschen Reich verstanden werden.

Ab 1910 sind einzelne Eichenauer Baugesuche erhalten, denen genaue Pläne einschließlich der Zaunanlagen beigefügt werden mussten. Die Pläne selbst fehlen bei einigen Archivalien. Wo sie erhalten sind, wie bei Mayr und Steininiger, zeigen die handschriftlichen Vermerkungen des Bezirksbaumeisters Georg Popp eine intensive Beschäftigung mit dem einzelnen Bauantrag.
Wieso bezeichnete sich die neue Siedlung als Kolonie? Heute versteht man unter dem Begriff meist nur die von Europäern in Übersee zur wirtschaftlichen Ausbeute besetzten Gebiete. Der Begriff wurde aber auch zur Beschreibung der Besiedelung innerdeutscher, oft unerschlossener Räume verwendet, insbesondere bei Kleinbauernansiedlungen in Norddeutschland. (vgl. Schön, Innere Kolonisation, Leipzig, 1887; v. Henneberg, Die Gesellschaft für innere Kolonisation, Leipzig, 1887). Preußen hatte begonnen, das deutsche Element in Westpreußen und Posen dem Polentum gegenüber dadurch zu stärken, indem man sich bemühte, größere polnische Besitzungen allmählich in die Hände von Deutschen zu bringen. Durch Gesetz vom 26. April 1886 wurden 100 Mill. Mk. für den Ankauf von Grundstücken zur Verfügung gestellt. Diese Grundstücke wurden in geeignetem Umfang an deutsche Ansiedler in Zeitpacht ausgegeben, meist aber verkauft und zwar gegen Übernahme einer festen Geldrente (daher Rentengüter genannt), welche, abweichend von den Bestimmungen des Ablösungsgesetzes vom 2. März 1850, nur mit Zustimmung beider Teile abgelöst werden konnten. Vgl. "Zur innern Kolonisation in Deutschland" ( Schriften des Vereins für Sozialpolitik, Bd. 32, Leipzig. 1886). Interessant für Eichenau ist dabei, dass das Geld für den Kauf eines der ersten Häuser der Gemeinde, das Haus von Hans Ihle, durch Else Plink, aus dem Verkauf eines solchen ostpreußischen Rentengutes stammte. ( Mdl. Mitt Inge Seeliger, Jan. 2007) Else Plink begründete durch ihre Ansiedlung an der Grenze zwischen Eichenau und Puchheim die Künstlerkolonie. 2005 wurde der Weg an der Bahn entlang als „Ostpreußenweg“ benannt, auch in Erinnerung an die 12 Familien, die sich nach 1945 in Eichenau ansiedelten.

Baugesuche Eichenau
LRA 88.735 Bauer, Engel
LRA 88.738 Kellendorfer 1913/14
LRA 88.749 Steininger 1912
LRA 88.750 Huber, Pengler

Artikel über Eichenau100 Kurztexte für 100 Jahre Eichenauhttp://www.myheimat.de/fuerstenfeldbruck/beitrag/9892/kuenstlerkolonie-in-eichenau-eine-uebersicht-und-einfuehrung/

Hommage an Eichenau- Künstlerkreis in Eichenau

Alles über Eichenau im DLZ: http://www.dlz-eichenau.de Das DLZ wird umstrukturiert und bietet eine günstige Bürogemeinschaft an.
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Kurzportrait: Eine Persönlichkeit aus Eichenau

Bürgerreporter:in:

Michael Gumtau aus Eichenau

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