"Wir konnten den Mietmarkt etwas entspannen": Ein Interview mit Bürgermeister Roland Eichmann

Bei einer Ehrensitzung wurde Thomas Treffler posthum geehrt -  Johanna Lilly nahm die Auszeichnung entgegen
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  • Bei einer Ehrensitzung wurde Thomas Treffler posthum geehrt - Johanna Lilly nahm die Auszeichnung entgegen
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myheimat: Herr Eichmann, das Thema „Corona“ prägte den Jahresauftakt in vielfacher Hinsicht. Am Friedberger Krankenhaus kam es zu einem erneuten Corona-Ausbruch. Die Intensivbetten in Aichach und Friedberg waren zwischenzeitlich komplett ausgelastet. Die eingeschaltete Taskforce erhob schwere Vorwürfe gegen Klinikleitung und Gesundheitsamt. Zu den kritisierten Punkten zählten unter anderem Mängel bei Hygiene und Schutzmaßnahmen. Außerdem sei der Corona-Ausbruch zu spät erkannt und Schutzmaßnahmen nicht rechtzeitig eingeleitet worden. Wie blicken Sie nun – am Ende des Jahres – auf diese Vorgänge im Januar und Februar 2021?

Eichmann:
Als Bürgermeister der Stadt Friedberg liegt mir das ehemalige städtische Krankenhaus inmitten der Stadt sehr am Herzen. Hier wurde und wird mit hohem Engagement zugunsten der Patientinnen und Patienten gearbeitet. Das ist mir wichtig und das weiß ich aus eigenem Erleben. Ob und wie die Vorgänge damals korrekt eingestuft und den auftretenden Infektionen ausreichend begegnet wurde, ist immer noch nicht klar, da weiterhin die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen laufen und in diesem Zusammenhang die vollständigen Berichte der Task Force und des Gesundheitsamtes immer noch nicht veröffentlicht wurden. Klar ist aber: Was der BR damals präsentierte, war nicht der Bericht der Task Force, sondern eine interne E-Mail, die keineswegs einem Bericht entspricht.

myheimat: Sie waren auch ganz persönlich mit dem Thema „Corona“ konfrontiert. Kurz vor Weihnachten wurden Sie positiv auf das Virus getestet. Welche Gefühle beschleichen einen da, wenn man plötzlich tatsächlich von dieser weltweit diskutierten Krankheit betroffen ist? Können Sie sich noch an Ihre ersten Gedanken erinnern?

Eichmann:
Da gingen mir schon viele Fragen durch den Kopf, vor allem Sorge um meine damals schwangere Lebensgefährtin. Aber dann auch natürlich die Sorge um die Amtsgeschäfte. An dem Abend, an dem ich erfahren habe, dass ich infiziert sein könnte, saß ich dann bis 2 Uhr morgens am Schreibtisch. Am folgenden Nachmittag kam dann das positive Test-Ergebnis.

myheimat: Welchen Krankheitsverlauf hatten Sie?

Eichmann:
Ich hatte Glück und habe über fast drei Wochen vor allem Erkältungssymptome gehabt. Ich konnte etliches über mobiles Arbeiten von meiner Wohnung aus erledigen und hatte dann ein recht einsames Weihnachtsfest mit meiner Partnerin.

myheimat: Lassen Sie uns ein wenig über „Brennpunkte“ der Friedberger Kommunalpolitik im abgelaufenen Jahr sprechen. Eine „Dauerbaustelle“ im wahrsten Sinne des Wortes ist das Thema „Bezahlbarer Wohnraum in Friedberg“. Die Stadtratsfraktion von CSU und FDP wollte zu Beginn des Jahres mit einem Bündel von Anträgen die Ausweisung von neuem Bauland vorantreiben. Darüber hinaus forderte sie eine Prioritätensetzung bei der Bearbeitung von Bebauungsplänen und eine Übersicht über alle laufenden Verfahren. Sie verwiesen darauf, dass Entscheidungen über Bebauungsplanverfahren nicht rein politisch getroffen werden und man rechtliche Rahmenbedingungen zu beachten habe. Welches Fazit ziehen Sie in puncto „bezahlbarer Wohnraum“ am Ende des Jahres?

Eichmann:
In diesem Jahr haben wir die neue städtische Wohnanlage mit insgesamt 67 geförderten Wohnungen fertig gestellt und damit den Mietmarkt etwas entspannen können. Das ist ein großer Erfolg! Wir haben leider keinen Bebauungsplan fertigstellen können, auch wenn wir aktuell mit der Unterzeller Straße in Wulfertshausen in der Zielgeraden sind, Stätzling Nordost und Am Lindenkreuz in Rederzhausen begonnen haben – insgesamt zusammen weit über 100 neue Wohneinheiten. Allerdings müssen wir immer wieder Nachverdichtungsprojekte per Bebauungsplan in einen sinnhaften Rahmen regulieren. Würden Investoren und Bauträger nicht oft übertrieben verdichtet bauen – natürlich getrieben durch immens hohe Grundstückspreise, dann könnten wir mehr Kapazitäten in die Ausweisung neuen Baulands stecken. Insofern ist meine Bilanz gemischt.

myheimat: Familien, junge Menschen und Investoren beklagen, dass in Friedberg zu wenig gebaut wird. Welche positive Aussicht können Sie diesen Personengruppen vermitteln?

Eichmann: Investoren bauen gerne Premiumwohnungen, junge Menschen und Familien mit durchschnittlichem Einkommen und Vermögen können das aber nicht zahlen, insofern haben die aufgezählten Gruppen nicht unbedingt gemeinsame Interessen. Aber die personell deutlich aufgestockte Stadtplanung zeigt mittlerweile Wirkung, wir werden in den kommenden Jahren einen deutlichen Anstieg an Baulandausweisung haben. Und ab 2025 wird aller Voraussicht nach auch das alte Bauhofgelände, das eine Fläche von rund 10.000 Quadratmetern aufweist, angegangen werden können.

myheimat: Welches Potential birgt in diesem Zusammenhang Friedberg-Süd? Auf 35 Hektar könnte hier immerhin ein ganzer Stadtteil entstehen. Sie selbst bezeichneten allerdings das Planungsverfahren für dieses Gebiet als wahnsinnig komplex und aufwendig...

Eichmann: Tatsächlich sind die fachlichen und rechtlichen Anforderungen enorm. Alleine der Umgang mit Regenwasser ist sowohl teuer als auch flächenintensiv, viele andere Herausforderungen sind hier zu bewältigen. Die Aufplanung erfordert daher die Zusammenarbeit verschiedener Fachbüros. Diese zu koordinieren ist „neben her“ bei den 50 anderen Planungsgebieten nicht leistbar, dazu müssten wir neue Personalkapazitäten schaffen, was dem Stadtrat so auch dargelegt wurde. 2022 werden wir das weiter diskutieren und dann auch Entscheidungen treffen müssen.

myheimat: Was halten Sie grundsätzlich vom „Einheimischenmodell“?

Eichmann:
Das ist ein wesentlicher Baustein, um die enorme Kostenentwicklung etwas zu dämpfen. In den kommenden Jahren müssen wir sehen, wie wir es weiterentwickeln können, ich denke da auch an die Einbeziehung von Eigentumswohnungen. 

myheimat: Kehren wir von der Peripherie wieder ins Zentrum der Stadt. Was halten Sie von der Idee, den Marienplatz zwischen Rathaus und Brunnen für den Verkehr zu sperren?

Eichmann: Da das meine Idee ist, halte ich viel von ihr. Scherz beiseite, der Vorschlag ist der Versuch, in der schönen Jahreszeit mehr Raum für Fußgänger zu schaffen, Aufenthaltsraum für Familien und auch mehr Platz für die vielen Hochzeiten. Das ist in meinen Augen mit wenig Aufwand möglich und würde unserer Innenstadt guttun. Es wäre auch ein Fingerzeig für den in den kommenden Jahren anstehende Umbau des Marienplatzes.

myheimat: Lassen Sie uns noch ein wenig über die Situation der Jugend in Friedberg sprechen. Viele Friedberger Jugendliche wünschen sich ein neues, zeitgemäßes Jugendzentrum. Wie stehen Sie diesem Wunsch gegenüber?

Eichmann: Grundsätzlich positiv. Allerdings war es mir schon lange ein Anliegen, dass sich ein Neubau nicht an Wunschvorstellungen von Menschen 50plus orientiert, sondern an den Bedürfnissen heutiger junger Menschen. Ein erster Anlauf dazu ist 2018/19 gescheitert. Mit einer Jugendumfrage und einem Jugendworkshop der städtischen Jugendpflege unter großartiger Mithilfe des Jugendrats ist nun ein echter Durchbruch zu verzeichnen. Im kommenden Jahr wollen wir bei der Planung echte Pflöcke einschlagen und gehen einer Verwirklichung mit großen Schritten entgegen.

myheimat: Anstatt Sie – wie sonst üblich an dieser Stelle eines Jahrbuch-Interviews – nach einer „besonders beeindruckenden Begegnung“ mit einem anderen Menschen zu fragen, richten wir unseren Blick zurück auf Freitag, den 23. Juli kurz nach Mitternacht. Sie können unseren Lesern und Leserinnen sicher erklären, was es mit diesem „besonderen Zeitpunkt“ auf sich hat...

"Die Geburt meiner Tochter Leonie Gabriela war unvergesslich"

Eichmann: Unvergesslich! Um 0.10 Uhr legte mir die Hebamme meine neugeborene Tochter Leonie Gabriela in den Arm, zuerst noch laut schreiend. Sie wurde stiller, ruhiger und schaute neugierig in die neue Welt um sie herum. Daran hat sich bis heute nichts verändert. Ein so großes Wunder! Es war berührend, wie die Menschen in Friedberg Anteil nahmen, wir bekamen so viele Glückwünsche und Geschenke. Und die große Freude und Liebe, mit der meine beiden ersten Töchter mit nun 12 und 9 Jahren ihre neue Schwester aufgenommen haben – pures Glück.

myheimat: Herr Eichmann, vielen Dank für dieses Gespräch.

myheimat-Team:

Joachim Meyer aus Friedberg

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