„Es geht um die langfristige Sicherung bezahlbaren Wohnens“: Ein Interview mit Bürgermeister Roland Eichmann

Bürgermeister Roland Eichmann: "Die Kommunikation zwischen der Stadt und der Baugenossenschaft wurde enger"
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myheimat: Herr Eichmann, zu den Kernanliegen Ihrer politischen Agenda zählte es stets, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Ein gutes Fundament dazu sollte unter anderem Ihre Wahl zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Baugenossenschaft Friedberg legen, wie Sie im letzten myheimat-Interview andeuteten. Haben sich Ihre Hoffnungen diesbezüglich erfüllt?

Eichmann: Die neue Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender, die ich übernommen habe, hat die Kommunikation zwischen der Stadt und der Baugenossenschaft enger werden lassen. Ein direkter Ausfluss ist zum Beispiel der Workshop für eine Neugestaltung des Spielplatzes in der Max-Rimmele-Straße, bei der die Baugenossenschaft und die Stadt miteinander kooperieren und 2017 auch gemeinsam die Baumaßnahme durchführen. Aber es geht vor allem um die langfristige Sicherung bezahlbaren Wohnens, die wir gemeinsam besser erreichen können. Ansätze dafür zeichnen sich ab.

myheimat: Ein Mosaikstein ist in diesem Zusammenhang die Wohnbebauung des Alten Bauhofgeländes. Auf dem über 10.000 Quadratmeter großen Areal sollen einmal 250 bis 300 Menschen wohnen. Das Architekturbüro Morpho-Logic gewann den Gestaltungswettbewerb. Wo sehen Sie widerstreitende Interessen bei diesem Projekt und wie lassen sich diese „aus dem Weg“ räumen?

Eichmann: Die jetzige Bauhoffläche bietet sich aus Sicht des Stadtrates und der Fachleute als eine Stelle für verdichtetes Wohnen an. Die Nähe zur Stadt, die Nähe zum Bahnhof und Busstation sowie zu den Geschäften in der Engelschalk- und Marquardtstraße zeigen das deutlich. Aber es gibt natürlich auch Probleme wie den Immissionsschutz der künftigen Mieterinnen und Mieter oder auch das Stadtbild. Eine wichtige Aufgabe wird auch sein, die Nachbarschaft für das Projekt zu gewinnen.

myheimat: Technisch und finanziell aufwendig wird die Erschließung neuer Bauflächen im Süden der Stadt. Mit welchen Problemen hat man dort zu kämpfen?

Eichmann: Das geplante Baugebiet in Friedberg-Süd ist eine Herausforderung aufgrund der Größe von fast 40 Hektar und der technischen Probleme bei der Erschließung der Entwässerung aufgrund der Hanglagen. Aus den technischen Problemen resultieren hohe Kosten, so dass es auch für die Stadt und die privaten Grundeigentümer nötig ist, die Wirtschaftlichkeit zu prüfen und immer im Auge zu behalten. Wie eine der nötigen Grundvoraussetzungen zu regeln ist, werden wir dagegen im Frühjahr angehen: den Anschluss an den Bressuire-Ring nach Süden, ohne den das Baugebiet nicht begonnen wird.

myheimat: Ein prestigeträchtiges Projekt war im Jahr 2016 auch die Bewerbung Friedbergs für eine Bayerische Landesausstellung zwischen 2020 und 2022. Im Verbund mit dem Landkreis-Aichach-Friedberg, der Stadt Aichach, dem Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm, der Gemeinde Scheyern und dem Kloster Scheyern sollte das Thema „Die frühen Wittelsbacher“ einem breiteren Publikum vorgestellt werden. Wie fällt Ihre Bilanz dieser Bewerbung aus?

Eichmann: Die Bewerbung für die Landesausstellung 2020 - 22 hat hervorragend funktioniert. Unter Federführung des Landratsamtes kam eine hochwertige Bewerbung zusammen. Eine sehr positive Sache, die leider getrübt wird durch die fehlende Entscheidung der Staatsregierung. Mit einem Schreiben wurde die Entscheidung auf Anfang 2017 verlegt, also ein Jahr nach dem ursprünglich vorgesehenen Zeitpunkt. Die Gründe dafür wurden nicht erläutert. Dadurch wird der Planungszeitraum stark eingeengt und wir hängen richtig in der Luft.

myheimat: Ein nach wie vor kontrovers debattiertes verkehrspolitisches Thema ist die Osttangente. Im März 2016 wurde dieses Projekt in den neuen Bundesverkehrswegeplan aufgenommen und anschließend noch einmal überarbeitet. Das Thema polarisiert die Bürger im Wittelsbacher Land. Sie forcierten bereits im Frühjahr 2015 die Diskussion um die Osttangente, weil Sie darin einen „größeren Gesamtnutzen“ sehen als in einer Nordumgehung von Friedberg. Welche Vorteile bietet die Lösung mit der Osttangente?

Eichmann: Eine leistungsfähige B2 neu bis zur Anschlussstelle Derching auf der Trasse des städtischen Chippenhamrings und der AIC 25 kombiniert die Chance auf eine Entlastung der Anrainer der heutigen B300 mit einer für die Stadt und die Region nötigen Anpassung an den zunehmenden Verkehr. Eine vierspurige Straße zwischen der heutigen B300 und der A8 wäre die Voraussetzung für eine Verlagerung der B300 auf die Autobahn mit einer Umwidmung der Hohenbleicher- und Aichacher Straße, damit verbunden die Möglichkeit erstmals verkehrsbehindernde Maßnahmen wie ein LKW-Verbot anzugehen. Dass das keine unbegründeten Hoffnungen sind, zeigt schon die Entlastung um 1000 Fahrzeuge am Tag, die der Bau der AIC 25 neu für die B300-Trasse gebracht hat, während parallel woanders der Verkehr wie in Kissing um 20% zugenommen hat. Da die Verantwortlichen im Bund und Land deutlich signalisiert hatten, dass eine B300-Nordumfahrung unter den geänderten Prämissen des neuen Bundesverkehrswegeplans keine Chance auf Realisierung haben würde, wäre das die einzige Chance auf Entlastung für die Anrainer der B300. Städtisch und regional betrachtet sehen wir eine permanente Zunahme des Verkehrs in unserer Wachstumsregion. Zwischen Tierheim und Autobahn ist die AIC 25 auf das Kapazitätsende zulaufend mit der aktuellen Zahl an Fahrzeugen. Wir hören von einer Zunahme von Ausweichverkehr in den Ortsteilen wie das auch in Kissing schon nachgewiesen wurde. Selbst auf der Straße nach Ottmaring haben wir bereits 1000 Fahrzeuge mehr aufgrund der Dauerbelastung der B2. In dieser Situation darauf zu hoffen, dass der Verkehr reduziert werden könnte, halte ich für unverantwortlich. Zumal ich noch keinen wirklich überlegenswerten Vorschlag für wirkungsvolle Instrumente gehört habe, außer „man müsste...“.

myheimat: Ein verkehrspolitisches Ärgernis ist für viele Bürger in den Stadtteilen Derching, Stätzling und Haberskirch auch die Lärmbelästigung, die sie durch den sechsspurigen Ausbau der Autobahn ertragen müssen. Welche Maßnahmen ergreift die Stadt Friedberg, um die Bürger zu schützen?

Eichmann: Das Thema ist schon lange im Gespräch, ich hatte bereits im Wahlkampf gesagt, dass wir hier etwas unternehmen werden. Der Haberskircher Stadtrat Beutlrock hat sich hier auch stark eingesetzt. Wir haben nun beschlossen, eine Lärmmessung und Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses vorzunehmen. Aktuell stimmen wir uns mit den Kommunen entlang der Autobahn nach Osten wie Westen über ein koordiniertes Vorgehen ab, denn die Probleme treten überall auf. Das Ziel muss sein, den Lärmschutz zu verbessern oder die Lärmentstehung zu vermindern.

myheimat: Ein Thema, das ebenfalls viele Politiker und Bürger mit Ängsten und Sorgen beobachten, ist die Entwicklung des Fachmarktzentrums unterm Berg. Stadtrat Jakob Eichele fürchtet ein „Ausbluten der Innenstadt“. Andere Stadträte kritisieren die negative Beeinträchtigung der Stadtansicht. Welchen dieser Einwände können Sie etwas abgewinnen?

Eichmann: Das Fachmarktzentrum besteht nun schon länger ohne Hinweise darauf, dass die geäußerten Befürchtungen eintreten. Aber natürlich ist ein gewisser Wettbewerb da und die Altstadt ist im Zugzwang. Vor dem Hintergrund ist auch mein Vorschlag zu sehen, 2018 die Bahnhofstraße attraktiv umzubauen und ein Citymanagement zusammen mit den Geschäftsleuten und Gastronomen aufzubauen. Bei beiden Ansätzen haben wir eine breite Mehrheit im Stadtrat. Jetzt kommt es darauf an, die Innenstadthändler dafür zu gewinnen, die Chance mit der Stadt gemeinsam zu sehen und zu nutzen. Was die Gestaltung angeht, so empfehle ich, das Endergebnis abzuwarten. Meiner Meinung nach wird das Stadtbild im Vergleich zu den vorher dort stehenden Gebäuden dazu gewinnen. Allerdings hat die Stadt hier baurechtlich keine rechtliche Handhabe, eine bestimmte Gestaltung einzufordern.

myheimat: In puncto Stadtentwicklung wird ein Fokus der nächsten Jahre unter anderem auch auf der Umgestaltung der Bahnhofstraße liegen. Welche Pläne haben Sie für diesen städtebaulichen Bereich?

Eichmann: Die Bahnhofstraße hat große Probleme als Einkaufsstraße. Dort gibt es sehr schöne, inhabergeführte und liebevoll gestaltete Geschäfte, aber zu wenig Frequenz, was sicher auch an der fehlenden Attraktivität des heutigen Zustands liegt. Der Aufenthalt soll also angenehmer gestaltet und mehr Menschen dazu gebracht werden, die Bahnhofsstraße zu nutzen. Sie ist auch Teil der wichtigen Verkehrsachse zwischen Bahnhof und Schloss. Aktuell planen wir die Erneuerung der Treppen- und Rampenanlage neben dem Bauernbräu, um den Weg vom Park&Ride-Platz in die Altstadt zu verbessern. Auch im Hinblick auf die Idee, dort ein Parkdeck zu errichten, was wir erneut angegangen sind. Wer mit dem Zug kommt oder dort parkt, der nutzt diesen Weg in die Altstadt. Eine weitere Idee ist die Realisierung eines neuen Platzes beim Kriegerdenkmal vor Eintritt in den alten Stadtmauerbereich.

myheimat: Nach all den politischen Gesprächsgegenständen noch eine persönliche Frage zum Schluss. Sie erlebten die „Friedberger Zeit“ zum ersten Mal als Stadtoberhaupt und mussten sich der „kalt-schaurigen“ Bäckertaufe unterziehen. Wie erlebten Sie das Historische Altstadtfest im Juli?

Eichmann: Die Friedberger Zeit zum ersten Mal als Bürgermeister zu erleben, war für mich eine ganz besondere Erfahrung. Die zehn Tage vergingen wie im Flug, allerdings hinterließen die Tage und Nächte auch ihre Spuren. Was wirklich hängen blieb, ist die diese einzigartige Stimmung in der Stadt und unter den Menschen: Freundlich, vergnügt, entspannt, freudig erregt. Es gab kaum schlechte Laune, sondern glückliche Gesichter zu sehen. Natürlich ist auch eine Bäckertaufe ein beeindruckendes Erlebnis. Und voller Ehrfurcht habe ich realisieren können, wie umfassend groß das Engagement der Friedberger für ihr Fest wirklich ist und welche Fülle an Highlights geboten wird. Aber diese spezielle Stimmung war das, was mich am meisten beeindruckte.

myheimat-Team:

Joachim Meyer aus Friedberg

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