„Das Wittelsbacher Schloss ist die Wiege der Stadt“: Ein Interview mit Dr. Peter Bergmair

Foto: Stadt Friedberg

Die Auseinandersetzungen um die Zukunft des Blank-Grundstückes, die Diskussionen über das Projekt Wittelsbacher Schloss und die Verkehrsinfrastruktur in Friedberg beschäftigten Dr. Peter Bergmair im abgelaufenen Jahr. myheimat unterhielt sich mit dem Rathauschef über geeignete Formen der Bürgerbeteiligung an politischen Entscheidungsprozessen, das Thema „Nordumfahrung“ und die Erfolgsgeschichte Business-Park.
myheimat: Kaum ein anderes Thema emotionalisierte die Bürger der altbairischen Herzogstadt im abgelaufenen Jahr so sehr wie die Zukunft des Blank-Grundstückes. Von Kritikern der ursprünglichen Planung fielen Schmäh-Prädikate wie „Eigernordwand“, „Koloss“ oder „Turmbau zu Babel“. Sie selbst bezeichneten die geplante Bebauung als zu „massiv“ und „überdimensioniert“. Daraufhin wurde Ihnen wiederum Wankelmütigkeit vorgeworfen. Wie stellt sich der nun gefundene Kompromiss aus Ihrer Sicht dar?
Bergmair: Wenn man sich andernorts umsieht, dann besteht die eigentliche Leistung darin, dass ein solcher Kompromiss überhaupt möglich war. Er kann hoffentlich den Weg zu einem neuen Miteinander im öffentlichen Bereich ebnen. Das Ergebnis wird eine Bebauung sein, die vermittelbar ist und die Kernstadt bereichert.
myheimat: Hätte die Verwaltung von Anfang an die Bauleitplanung selbst übernehmen sollen?
Bergmair: Ja.
myheimat: Viel politisches Porzellan wurde nicht nur im Umgang mit den Bürgern, sondern auch zwischen den einzelnen Stadtratskollegen zerschlagen. Welche Lehren ziehen Sie aus dem gesamten Vorfall?
Bergmair: Ich will die Meinung der Bürger genauer erkunden, so wie wir das jetzt bei der Aufplanung von Friedberg-Süd tun. Und ich werde noch deutlicher zum Ausdruck bringen, wohin die Richtung gehen soll. Denn die Folge einer weit gespannten Bürgerbeteiligung darf nicht Blockade oder Stillstand sein.
myheimat: Wie würden Sie aktuell Ihr Verhältnis zu den beiden wichtigsten Männern Ihrer Stadtratsfraktion Roland Fuchs und Wolfgang Rockelmann beschreiben? Sind persönliche Beschädigungen zurückgeblieben?
Bergmair: Wir arbeiten im Interesse der Stadt zusammen, und das ist eine gemeinsame Basis.
myheimat: Eine Frage an den Politikwissenschaftler Bergmair stellt sich in diesem Zusammenhang: Das bisherige politische Jahr stand ganz im Zeichen von Volks- bzw. Bürgerentscheiden. Als Stichwörter seien hier nur die Themen „Nichtraucherschutz“, „Stuttgart 21“ und „Hamburger Schulreform“ genannt. In der Kommunalpolitik spielen diese Instrumente der direkten Demokratie schon länger eine wichtige Rolle. Es hat fast den Anschein, als hätten die Bürger das Vertrauen in die politischen Gremien bzw. Entscheidungsträger verloren. Was halten Sie grundsätzlich von dieser Form der Bürgerbeteiligung? Haben Volks- bzw. Bürgerentscheide eine höhere politische Legitimation als Stadtrats- oder Gemeinderatsbeschlüsse?
Bergmair: In der Tat begleiten mich solche Fragen und Gedanken ins neue Jahr. Festzuhalten ist, dass die Bürgerinnen und Bürger auch zwischen den Wahlen mitreden wollen. Andererseits darf das nicht zur Folge haben, dass die Legitimation demokratisch gewählter Gremien grundsätzlich angezweifelt wird. Falls möglich, sollte man die Öffentlichkeit vorzeitig einbeziehen.
myheimat: Kommen wir zum Thema „Verkehr“. Viele Anwohner der B 300 leiden unter dem Lärm. Außerdem stellt die Bundesstraße eine Gefahr für die Kinder dar. Laut Bundesregierung würde sich die Verkehrsbelastung nicht wesentlich ändern, wenn die Autobahn nach Abschluss der Ausbauarbeiten probeweise als weiträumige Umfahrung genutzt und die B 300 zurückgestuft würde. Wie sehen Sie das Thema „Nordumfahrung“? Wie kann man die Belastung für die Anlieger reduzieren?
Bergmair: Den Verkehr der B 300 auf die Autobahn zu verlegen, ist eine Alternative. Ein Versuch für ein oder zwei Jahre würde sich lohnen. Gleichzeitig bleibt es bei der bisherigen Beschlusslage im Stadtrat, welche die Planung der Nordumfahrung vorsieht. Mich beschleichen allerdings Zweifel, ob diese Entlastung angesichts der bekannten Randbedingungen in näherer Zukunft gebaut werden kann.
myheimat: Ein verkehrspolitischer Dauerbrenner in der Friedberger Kommunalpolitik ist auch die Verkehrssituation im Untersuchungsgebiet „Hochzoll“. Der Augsburger Stadtrat gab schon vor längerer Zeit eine flächendeckende Untersuchung für den gesamten Stadtteil Hochzoll in Auftrag. Wie können die Interessen der Stadt Friedberg in Bezug auf ÖPNV, Handel und Geschäftsleben effektiv gewahrt werden?
Bergmair: Bei Bus, Zug und Tram sind wir auf die Betreiber AVV sowie avg angewiesen. Wir haben die Gelegenheiten genutzt und entsprechende Verbesserungen erreicht. Beim Einzelhandel setzen wir auf mehr Miteinander, das gleichzeitig gelegentlichen Wettbewerb und Konkurrenz nicht ausschließen kann.
myheimat: Eng verknüpft mit dem Thema „Verkehrsinfrastruktur“ ist das Politikfeld Gewerbepolitik. Was versprechen Sie sich vom Gewerbegebiet Derching-West?
Bergmair: Sehr erfolgreich waren wir in den vergangenen Jahren mit der Vermarktung des Business-Parks, dabei wurden rund 700 zusätzliche Arbeitsplätze in Friedberg geschaffen. Der neue Autobahnanschluss Friedberg und die AIC 25 neu sind natürlich auch für die jüngst geschaffenen Gewerbeflächen Derching-West ideale Standortanreize. Viele Nachfragen und anstehende Beurkundungen bestätigen diese positive Entwicklung und lassen auch im Friedberger Norden den Gewerbepark wachsen.
myheimat: Wie entwickeln sich die Gewerbesteuereinnahmen im Jahr 2010?
Bergmair: Nach düsteren Prognosen zu Beginn des Jahres konnten die hohen Verluste bei dieser wichtigsten städtischen Steuerquelle inzwischen gut aufgeholt werden. Die derzeitige Entwicklung ist erfreulich. Es zeichnet sich nämlich der Trend ab, am positiven Vorjahresergebnis anknüpfen zu können. Wichtig wäre, dass der Aufschwung unserer Wirtschaft anhält, so könnten auch wir stabile Einnahmen erzielen.
myheimat: Lassen Sie uns noch ein wenig über ein wichtiges Zukunftsprojekt sprechen. Das Wittelsbacher Schloss soll als identitätsstiftendes Bauwerk langfristig gestärkt werden. Vorgesehen sind unter anderem ein neuer Veranstaltungsbereich und eine Verlagerung des Museums vom jetzigen Nordteil des Gebäudes in den südlichen Trakt. Das Projekt soll ca. 15 Millionen Euro kosten und wird mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Warum sind diese Maßnahmen aus Ihrer Sicht so wichtig?
Bergmair: Sie sagen zu Recht, es geht um eine langfristige Perspektive. Dafür sind jedoch jetzt schon die Weichen zu stellen. Wir ringen derzeit um den für 2012 beschlossenen Baubeginn. Wir klären, welche Förderung wir erreichen können. Und wir lassen uns nicht entmutigen, auch im neuen Jahr 2011 Schritt für Schritt voran zu gehen, um dieses wichtige Vorhaben zu verwirklichen. Die Gründe sind klar: Das Schloss liegt den Friedbergern am Herzen, es ist sozusagen die Wiege der Stadt und prägt sie heute in besonderer Weise. Dass wir mit dem Erwerb im Jahr 2007 die Verpflichtung gekauft haben, das Gebäude instand zu halten, sollte man nicht vergessen.
myheimat: Als Bürgermeister begegnen Sie im Laufe eines Jahres sehr vielen interessanten Menschen. Welches Zusammentreffen mit einem außergewöhnlichen Gesprächspartner ist Ihnen im Jahr 2010 besonders im Gedächtnis geblieben?
Bergmair: Es war der Vortrag des ehemaligen Kulturstaatsministers in der Bundesregierung, Philosophen und Politikwissenschaftlers Professor Julian Nida-Rümelin im Juni 2010.

myheimat-Team:

Joachim Meyer aus Friedberg

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