Spirituelle Begegnungen im Nordosten Thailands

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Thailand hat seinen Gästen mehr zu bieten als die Millionenstadt Bangkok und die bekannten Strände im Süden des Landes. Für meine Reise habe ich mir die von Touristen bisher kaum entdeckte Provinz Loei im Nordosten des Landes ausgesucht. Eine Flugstunde von der Hauptstadt entfernt möchte ich in ein ursprüngliches Thailand eintauchen, in dem die Spiritualität bis heute eine große Rolle spielt. Meine Erwartungen werden übertroffen von Tempelanlagen, Reisfeldern und in Europa kaum bekannten Kulturen wie die der Tai Dam.

Mein Flug führt von Frankfurt in die Hauptstadt Bangkok. Nach elf Flugstunden erreiche ich die Millionenstadt. Bevor ich zum Hotel fahren kann, gilt es die Einreiseformalitäten zu bewältigen. Obwohl es letztlich nur darum geht eine Einreisekarte auszufüllen und den Pass kontrollieren zu lassen, ziehen diese sich länger hin. Um mich herum stehen Gäste aus allen Teilen der Welt und warten. Zeit scheint in Thailand eine andere Bedeutung zu haben als in Deutschland. Während viele Touristen grummeln, höre ich viele Thailänder nur leise „Mai ben rai“ sagen. Doch letztlich hilft auch den Gästen nur Geduld. Vom Flughafen fahre ich mit dem modernen Flughafenzug in die Stadtmitte. Der ist gut klimatisiert und auf die Minute pünktlich. Während der Fahrt komme ich mit Touristen und Einheimischen ins Gespräch. Dabei zeigt sich, dass die meisten jungen Menschen hervorragend Englisch sprechen. Um sicher zu gehen, dass ich mein Hotel auf dem schnellsten Weg erreiche, habe ich trotzdem schon vor der Abreise Karten ausgedruckt und den Weg von der Bahnstation zum Hotel markiert. Hotels findet man in Bangkok in jeder Preislage und Qualität. Wichtigstes Auswahlkriterium für mich war die Lage des Hotels. Eine gute Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln machen die An- und Abreise unkompliziert. Auch bei der Erkundung der Stadt sind die Stationen der Bahn wichtige Orientierungspunkte. Während manche Hotels am Chao Phraya Fluss liegen und in den oberen Stockwerken einen besonderen Ausblick bieten, habe ich mich für das Pathumwan Princess Hotel am MBK Einkaufszentrum entschieden. Es liegt direkt an der Bahnstation „National Stadium“ und begeistert mich mit einem großen Pool unter freiem Himmel. Aufgrund der Zeitverschiebung von sechs bzw. im Sommer fünf Stunden habe ich mir für den ersten Tag nicht mehr viel vorgenommen. Müdigkeit und heißes Klima fordern ihren Preis.

Am nächsten Morgen breche ich nach dem Frühstück auf, um mir die bekannten Sehenswürdigkeiten wie den liegenden Buddha und den Königspalast anzuschauen. Den gleichen Plan haben offenbar auch tausende andere Touristen, denn die Attraktionen sind genauso sehenswert wie überlaufen. Beim ersten Besuch der Stadt kommt man trotzdem kaum um einen Besuch des im Jahr 1782 erbauten Geländes herum. Der Grand Palace beeindruckt mich mit seiner asiatischen Architektur, den verschiedenen Ausstellungen und auch durch den Tempel des Emerald Buddha. Anschließend zieht es mich in den weitläufigen Lumphini Park im Bezirk Pathum Wan. Der mehr als 80 Fußballfelder große Park wurde in den Zwanzigerjahren von König Rama VI. angelegt und wird von Touristen und Einheimischen gleichermaßen gern besucht. Wie die anderen Spaziergänger schlendere ich um den See. Dort liegen große Warane, die mich an kleine Drachen erinnern, in der Sonne. Am Ufer schaue ich Einheimischen einige Zeit beim Tai-Chi zu. Ganz langsam bewegen sich die Thailänder und genießen die Konzentration. Junge Paare verbringen die Zeit im Park auf einem Tretboot oder schicken sich mit dem Smartphone die neusten Fotos. Im von großen Straßen umschlossenen Park vergeht die Zeit wie im Fluge. Nach Sonnenuntergang breche ich auf zum Siam@Siam-Hotel. Auf dem Dach des Designhotels liegt eine der spektakulären Rooftop-Bars. Viele Stockwerke über den auch nachts belebten Straßen trinke ich einen Cocktail. Meilenweit entfernt scheint der Alltag zu sein und auch die großen Kontraste zwischen Armut und Reichtum verschwinden hoch über der asiatischen Metropole aus dem Blick.

Mein Inlandsflug in die Provinz Loei startet vom zweiten Flughafen der Metropole. Da von beiden Flughäfen Inlandsflüge angeboten werden, ist es wichtig bei der Reiseplanung zu schauen, wo der gebuchte Flug startet. Aus dem Flieger bestaune ich die Dimensionen der Metropole. Während das Flugzeug an Höhe gewinnt, werden die Häuser langsam weniger und die Anzahl der Felder nimmt zu. Bei der Landung fällt mir gleich ins Auge, dass Loei eine eher ländliche Region ist. Dafür bietet sie reiche Kultur und Spiritualität. Um die verschiedenen sehenswerten Orte zu erreichen, empfiehlt es sich, einen klimatisierten Wagen zu mieten. Aufgrund des Linksverkehrs gilt es gerade auf den ersten Kilometern vorsichtig zu fahren. Um mich erst einmal zu akklimatisieren, mache ich Halt im Hotel „Phu Pha Nam - Resort and Spa“. Die Begrüßung „Sawasdee“ erfolgt wie traditionell üblich mit gefalteten Händen und leichter Verbeugung. Aus dem Zimmer blicke ich ins Grüne und freue mich, dass die Fenster mit Mückengittern gesichert sind. Nach dem Frühstück schaue ich mir den See und die Orchideenfarm auf dem hügligen Privatgelände an, bevor ich zu meinem nächsten Ziel aufbreche.

Jedes Jahr im Juni findet im Dan Sai Distrikt das dreitägige Phi Ta Khon Festival statt, bei dem die Einheimischen in phantasievoller Verkleidung verschiedene Rituale vollziehen. In einem kleinen Museum informiere ich mich über die Geschichte des Festivals und bestaune die kunstvollen Masken. Diese bestehen aus einem Kokosnussblatt für das Gesicht, einer Nase aus weichem Holz und einem Hut aus einem Bambuskorb. Während die Einheimischen sich viel Zeit nehmen, um die bedrohlich wirkenden Geister-Masken in den Monaten vor dem Fest in Handarbeit zu fertigen, habe ich weniger als eine halbe Stunde, um bei einem Workshop eine Miniaturmaske zu bemalen. In der Kürze der Zeit gelingt eine ansehnliche Maske, die trotzdem Meilen weit entfernt ist vom örtlichen Kunsthandwerk. Farben und Formen der Figuren mit ihren langen Nasen und Reißzähnen verschmelzen zu echter Kunst. Während die Maske noch trocknet, schaue ich mir den Tempel Wat Ohon Chai an, der gleich neben dem Museum liegt. Anders als es die Tradition fordert, werfe ich meine Maske nicht in den Fluss, um Unglück und Sorgen loszuwerden, sondern packe sie später als Souvenir in den Koffer.

Im Ban Doen Cultural Center treffe ich den örtlichen spirituellen Führer. Dieser ist nicht nur für die Bewahrung des spirituellen Erbes verantwortlich, sondern auch ein wichtiger Berater für die örtliche Bevölkerung in allen Lebenslagen. Die Übersetzerin erklärt mir, dass Jahr für Jahr mehrere tausend Menschen zu ihm kommen, um seinen Rat in spirituellen, privaten und beruflichen Fragen zu bekommen. Mich zieht es weiter zum nächsten Tempel. Wat Neramit Wipatsana lautet der Name einer eindrucksvollen Anlage, in der ich neben der kunstvollen Buddha-Statue die traditionellen Bilder sehe. Anschließend steige ich vom Auto um auf das Fahrrad. Das ist möglich, da im europäischen Winter von November bis März in Loei für Thailand kühle Temperaturen herrschen. Nicht umsonst war die Region schon lange ein gefragter, kühler Aufenthaltsort für reiche Bürger aus dem Süden des Landes.

Der Dan Sai Fahrradclub hat seine Zentrale am örtlichen Krankenhaus. Ich bekomme ein einfaches, aber gut gepflegtes Fahrrad und schon geht es los. Auf der Fahrt über wenig befahrene Straßen und Feldwege komme ich durch kleine Dörfer, vorbei an historisch wirkenden Wassermühlen und durch Reisfelder. Auf einem beobachte ich wie eine Farmerin eine neue Art Reis zu säen ausprobiert. Dabei werden die Setzlinge in kleinen Bündeln vom Rand des Feldes ins Wasser geworfen. Später halte ich mit dem Rad unterhalb des Tempels Phrathat Si Song Rak. Das buddhistische Monument aus dem Jahr 1563 ist fast 20 Meter hoch. Gegen den blauen Himmel wirkt es durch seine leuchtend weiße Farbe noch eindrucksvoller. Wie viele Tempel ist auch dieser reich geschmückt mit Opfergaben. Neben Blumengestecken und Kerzen entdecke ich kunstvoll gefertigte Wachsblüten.

Als ich in Chiang Khan am Grenzfluss Mekong ankomme, lerne ich eine neue Opfergabe kennen. Gemeinsam mit anderen Gästen schmücke ich eine kleine Insel aus Bananenblättern mit Kerzen und Blüten aus Bienenwachs. Anschließend fahre ich mit einem Boot über den Mekong. Ungefähr in der Mitte des Flusses schaltet der Kapitän den Motor aus und dreht das Boot in die Strömung. Wie von den Mönchen empfohlen lasse ich meine schwimmende Opfergabe zu Wasser. Während sie langsam davontreibt, erinnere ich mich an die Worte des Mönches, der erklärt hatte, dass das Opfer nur von Sorgen und Unglück befreit, wenn man ihm nicht hinterher schaut. Also schaue ich angestrengt in die andere Richtung. An beiden Seiten des Ufers gibt es kleinere und größere Häuser und Felder. Zurück in Chiang Khan schaue ich an der Hauptstraße nach einem Restaurant mit Blick auf den Fluss. Da gerade alle Tische belegt sind, entscheide ich mich spontan für eine Thaimassage, um die Wartezeit zu überbrücken. Zwar versteht die Masseurin kein Wort Englisch, ihre Anweisungen sind aber trotzdem unmissverständlich. Mit fachkundigen Griffen bewegt sie meinen Körper in teils ungewohnte Richtungen. Entspannung und späterer Muskelkater halten sich bei mir die Waage. Nach dem Abendessen mit Blick auf den Fluss mache ich mich auf den Rückweg zum Hotel, denn am nächsten Morgen möchte ich mir die Prozession der Mönche durch die Straßen anschauen.

Der Wecker klingelt um halb sechs. Höchste Zeit aufzustehen, denn in einer halben Stunde beginnen die Mönche ihren Rundgang. Vor vielen Hotels aber auch vor Privathäusern liegen Teppiche in der Sonne. Auf diesen werden Einwohner und Gäste später knien, wenn sie den Mönchen die vorbereiteten Opfergaben überreichen und um ihren Segen bitten. Ich habe mich für einen Behälter mit Klebreis entschieden. Um kurz vor sechs ist es soweit. Am Ende der Straße erblicke ich die ersten leuchtend orange gekleideten Mönche. In aller Ruhe gehen diese die Straße entlang, lassen sich kleine Portionen Reis in ihre Schalen geben und ziehen dann weiter. Zwischendurch bleiben die Mönche stehen, sprechen und singen Segenswünsche. Etwas später spricht mich ein Mönch an und erkundigt sich auf Englisch wo ich herkomme. Bevor sich ein Gespräch ergibt, muss er aber schon weiter. Eine Zeit lang ziehen die Mönche an beiden Seiten der Straße entlang, bevor sie genauso plötzlich wieder verschwunden sind, wie sie erschienen sind. Ich verabschiede mich aus Chiang Khan und mache mich auf den Weg zur Volksgruppe der Tai Dam.

Auf dem Weg mache ich Station an der Chai Kong Road. Auf offenem Feuer wird dort süßer Klebreis in den angeblich längsten Bambusröhren des Landes gegart. Der Reis schmeckt süß und köstlich. Dann fahre ich zum Museum Ban Na Pa Nat, das sich mit der Geschichte und Kultur der Tai Dam beschäftigt. Die Volksgruppe lebt bis heute getrennt von anderen Bewohnern der Gegend in eigenen Dörfern. Neben den Häusern wird in schlammigen Feldern Reis kultiviert. Eine Bewohnerin des Dorfes zeigt mir, wie sie den Reis pflanzt und lädt mich ein, es selbst auszuprobieren. Schnell streife ich die Schuhe ab und sinke bis zu den Knien ein in den warmen Schlamm. Mit den Händen unter Wasser versuche ich die Setzlinge in den schlammigen Grund zu pflanzen. Nach einigen Minuten gebe ich die mühevolle Arbeit auf und bewundere die Reisbauern, die ihre Setzlinge schnell und geschickt in den Boden pflanzen. Der Besuch bei den Tai Dam endet mit einem gemeinsamen Sae Pang genannten Kreistanz. Neben mir dreht sich ein kleines Kind im Kreis, während an der anderen Seite eine Greisin mitmacht.

Viel zu schnell ist die Zeit in Loei vergangen, doch mein Rückflug nach Bangkok wartet nicht. Wie auf dem Hinweg habe ich Zeit in der Hauptstadt eingeplant, um weitere Sehenswürdigkeiten anzuschauen und in das Leben in der Metropole einzutauchen. Mein erster Weg führt vom Hotel zum Jim-Thompson-Haus. In der engen Gasse Kasemsan Soi steht zwischen Hochhäusern ein traditionelles thailändisches Wohnhaus mit rotem Spitzdach. In diesem lebte der Amerikaner Jim Thompson, der die thailändische Seidenproduktion aufbaute bis er 1967 von einer Wanderung im Dschungel nicht mehr zurückkehrte. Haus, Garten und Kunstsammlung werden heute von einer Stiftung verwaltet. Anschließend mache ich mit dem Boot eine Khlong-Tour. Das schnittige Schiff kommt bei der Fahrt über den Fluss und die vielen kleinen Kanäle an verschiedenen Tempeln vorbei. Dort ist das Wasser voll mit Fischen. Diese zu füttern soll Glück bringen, sodass ich einige Brotkrumen vom Frühstücksbuffet ins Wasser werfe. Dann legt das Boot am „Khlong Bang Luang Artist's House“ an. Das über hundert Jahre alte Holzhaus beherbergt eine Künstlerkolonie und ist eine Oase der kreativen Ruhe in der Millionenstadt. Gegen 14 Uhr zeigen Tänzer und Puppenspieler eine traditionelle Geschichte. Diese handelt vom Affengott Hanuman, der sich in die Prinzessin Benjagai verliebt. Die Darsteller bewegen ihre kunstvoll in Handarbeit gefertigten Puppen und beziehen auch das Publikum mit ein. Die Kulisse dazu besteht aus den Überresten eines Tempels, um den das Haus erbaut wurde. Am Abend heißt es für mich Abschied zu nehmen vom gastfreundlichen Thailandmit seiner reichen kulturellen und spirituellen Tradition. Elf Flugstunden später bin ich reich an Erfahrungen und unvergesslichen Eindrücken zurück in Frankfurt.

Bürgerreporter:in:

Christian Kolb aus Essen

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