Cool, charmant und keck: „Kralle“ die kleine Waldohreule, stellt Uwe Schäfers Alltag auf den Kopf

Der Eschenburger Naturfotograf Uwe Schäfer kennt in diesen Wochen nur ein Motiv: „Kralle“. Dieser Schnappschuss gelang ihm per Fernauslöser. Dass die niedliche kleine Waldohreule die Maus nicht selbst gefangen hat, muss man ja niemand verraten. | Foto: Uwe Schäfer
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  • Der Eschenburger Naturfotograf Uwe Schäfer kennt in diesen Wochen nur ein Motiv: „Kralle“. Dieser Schnappschuss gelang ihm per Fernauslöser. Dass die niedliche kleine Waldohreule die Maus nicht selbst gefangen hat, muss man ja niemand verraten.
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Es ist nicht so, dass sich der Mann um den Job, Ersatz-Papa und -Mama Personalunion für das kleine flauschige Etwas zu spielen, gerissen hätte. Aber was will man(n) machen? Plötzlich war das knuddelige Wesen da. Uwe Schäfers Ziehkind heißt "Kralle" und ist eine Waldohreule. Noch lässt sich das Geschlecht des Ästlings nicht gänzlich zweifelsfrei bestimmen. Aber bestimmte Zeichnungen und Muster im Gefieder lassen vermuten, dass es sich um eine "Sie" handelt. Aber ob Männchen oder Weibchen, hinsichtlich des Aufwandes, der erforderlich ist, eine entsprechende Rundumversorgung zu organisieren und zu gewährleisten, bleibt sich das egal. "Kralle" erhält selbstverständlich das Leistungspaket "All inclusive". Zum Servicepersonal der „Pension Eule“ zählen noch Schäfers Freund Dieter Schmidt und dessen Enkel Noah Stenger. Alleine ließe sich eine solche Aufgabe gar nicht bewerkstelligen.
Ende Juli hatten Bekannte dem Naturfreund und -fotografen den damals noch mit einem hellen Dunengefieder bekleideten Gast ins Haus gebracht. Eine Waise, wie sie glaubten. Höchstens eineinhalb bis zwei Wochen, schätzt Schäfer, dürfte die Baby-Eule damals jung gewesen sein. Eine halbe Handvoll niedlicher Hilflosigkeit. Ein Anblick, der bei jedem jeder sich mit der Schöpfung verbundenen fühlenden Menschen sofort und reflexartige Beschützerinstinkte aktiviert. Und es war Liebe auf den ersten Blick - natürlich. Doch wusste Schäfer auf Grund seiner jahrzehntelangen Erfahrung sehr wohl, dass die leiblichen Eltern die komplizierte Aufzucht von Natur aus deutlich besser und umfassender würden bewerkstelligen können.
Einen Versuch war es allemal wert. Die Kinderstube, der "Kralle" entstammte, war auf Grund der von den Findern gelieferten Ortsbeschreibung relativ schnell lokalisiert: ein verlassenes, inzwischen von Eulen requiriertes Rabennest, 15 schwindlige Meter hoch auf einer Kiefer. Aussichtslos, das erreichen zu wollen. Also Plan B: Der Winzling wurde in einen in fünf Meter Höhe an einem Nachbarbaum befestigten Weidenkorb gebettet, in der (trügerischen) Hoffnung, die Altvögel würden die Fütterung wieder aufnehmen. Ein Satz mit X.
Das war der Beginn eines ebenso ehrgeizigen wie anstrengenden und zeitintensiven privaten Aufzucht-Programms. Was gibt man kleinen Eulen zu fressen? Hipp und Alete ja wohl kaum! Die Vögel verlangen von jung auf nach fleischlicher Kost, vorzugsweise in Gestalt von Mäusen, die dann in den ersten Wochen freilich auch schnabelgerecht serviert werden müssen. Eintagshühnerküken dürfen es zwischendurch durchaus auch mal sein. Solches alles zu beschaffen, und zwar termingerecht zu den gewohnten Mahl-Zeiten im Abstand von wenigen Stunden, wird von den dreien mit großer Leidenschaft erledigt.
Doch es ist auch eine dankbare Mission, irgendwie. "Kralle" gedeiht prächtig, ist anhänglich und voller Zutrauen. Nach ersten, unbeholfenen Startversuchen, die nicht selten in ziemlich harte Landungen mündeten und dem Fluglehrer die Haare zu Berge stehen ließen, ist er/sie inzwischen auch luftfahrttechnisch einigermaßen fit. Das klappt von Mal zu Mal besser. Ein verspielter, niedlicher Charmebolzen voller Lebensfreude und verrückter Einfälle. Eulen verfügen ja schon von ihrer Physiognomie her über das gewisse Etwas, was nicht zuletzt an ihrem mehr oder weniger ausgeprägten Gesichtsschleier liegt. Prägend hinzu kommen die großen Federohren und die auffällig hervorstehende Stirnbefiederung. Und: Einem Blick aus diesen großen, schwarz-tiefen unergründlichen Augen mit der leuchtend orangegelben Iris kann niemand widerstehen. Man muss solche Tiere einfach mögen. Sie sind, neudeutsch, ziemlich cool!
Die Waldohreule hat mit einer Körperlänge von etwa 36 Zentimetern und einer Spannweite von 95 cm etwa die Größe eines Waldkauzes. Sie ist jedoch wesentlich schlanker als dieser und mit einem Gewicht von 220 bis 280 Gramm (Männchen) bzw. 250 bis 370 Gramm (Weibchen) auch erheblich leichter. Da vorwiegend dämmerungs- bzw. nachtaktiv, bekommt man sie kaum einmal zu Gesicht. Den Tag verbringen die Tiere perfekt getarnt und bewegungslos ausharrend vorzugsweise in Nadelbäumen.
Doch die schwierigste Aufgabe steht Uwe Schäfer eigentlich noch bevor: Sein Adoptivkind muss lernen, auf eigenen Krallen zu stehen und sich sein Futter selbst zu besorgen. Früher oder später bleibt nämlich auch die Küche im "Hotel Mama" kalt. Und deshalb brütet der Eschenburger derzeit über der Frage: Wie bringe ich dem nimmer satten, inzwischen zum stattlichen Teenager gereiften Eulen-Kid das Jagen von Mäusen bei? Dazu bedarf es ja auch gewisser Strategien und Techniken, Rüttelflug inklusive.

Keine Liaison auf Dauer

Für den Mann steht aber außerdem fest, dass das hier keine Liaison auf Lebenszeit sein kann. "Kralle" muss früher oder später dorthin zurück, woher er/sie stammt - in die Natur. Erklärtes Ziel: Dem Vogel - Waldohreulen können in freier Wildbahn 25 Jahre und älter werden - ein artgerechtes Leben unter Seinesgleichen und in Freiheit zu ermöglichen. Da es sich aber um einen Nachzügler handelt, einen Spätgeborenen, wird es dieses Jahr mit dem Auswildern nichts mehr werden. Aber das nächste Frühjahr kommt bestimmt. Und dem "Tag X" sieht Schäfer schon mit gemischten Gefühlen entgegen. Sicher sein, dass sein Schützling da draußen im feindlichen, vom Prinzip des Fressen und Gefressenwerdens bestimmten Leben klar kommt, kann er nämlich nicht. Deshalb auch, weil sich das "soziale Umfeld" des Tieres bislang ja ausschließlich auf den Umgang mit Menschen reduzierte. Das wird dann aber auf jeden Fall ein schmerzhaftes, möglicherweise sogar tränenreiches Auseinandergehen. Aber bis dahin ist ja noch etwas Zeit.

Bürgerreporter:in:

Jürgen Heimann aus Eschenburg

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