Aus die Maus: Vorsicht Falle! Für „Speedy Gonzales“ gibt’s die rote Karte – Pommes und Schokolade statt Speck

Upps! Dumm gelaufen. Und da hat es „schnapp“ gemacht. | Foto: Jürgen Acker/pixelio.de
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Gottes Tierpark ist schon ziemlich groß – im tatsächlichen wie im übertragenen Sinne des Wortes. Und darin stellen die Jäger und Sammler eine nicht ganz unbedeutende Fraktion. Selbigen geht es, anders als ihren als solchen bezeichneten Steinzeit-Ahnen, bei allem Bemühen ja weniger darum, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie haben eine Mission zu erfüllen. Selbst gestellter Auftrag und erklärtes Ziel ist es, möglichst viele unterschiedliche Exemplare (aus) einer bestimmten Objekt- bzw. Produktfamilie anzuhäufen. Das können profane Briefmarken sein, aber auch Kotztüten aus dem „Fliescher“, Teebeutelanhänger, Eis-Stile oder Bananenaufkleber. Gesammelt wird alles, das bei Drei nicht auf dem Baum ist. Und dazu zählen, nota bene, auch Mausefallen. Hallo?
Jepp: Das ist schon etwas abgedreht. Der Mann heißt Wolfhard Klein und wohnt im Rheinland-Pfälzischen Jugenheim. Er hortet jene Apparaturen, die den kleinen Nagern das Leben so schwer machen bzw. es auf mitunter martialisch-brutale Art und Weise beenden (sollen). Aus die Maus! 250 Exponate hat er bereits zusammengetragen. Dabei mag der Hörfunk-Journalist diese niedlichen Tierchen, „deren Pfade (schließlich) mit in Ohnmacht fallenden Frauen übersät sind“, wie es der US-amerikanische Schriftsteller Ambrose Bierce weiland formuliert hat, eigentlich sehr. Für Klein muss, in Abwandlung des berühmten Indianer-Zitas von Philip Henry Sheridan, eine gute Maus nicht zwangsläufig eine tote Maus sein – auch wenn das viele anders sehen. Als sein eigener Keller einst von den eigentlich doch putzigen Viechern heimgesucht wurde, stellte der Mann eine Reusenfalle auf und trug jeden einzelnen der 16 Gefangenen, die hinein getapst waren, hinaus in die Natur. Lebend.

Schnäppchenjäger

Der 65-Jährige ist mit seiner Fixiertheit - der Begriff „Schnäppchen“-Jäger bekommt ja dabei eine ganz neue Bedeutungsebene - nicht allein. Bundesweit gibt es etwa 50 Gleichgesinnte, die ebenfalls ein Auge auf solche ausgefallenen Sammlerstücke geworfen haben. Und es ist ein hochinteressantes Feld, das diese Leute bestellen. Es spiegelt nicht nur ein Stück Menschheitsgeschichte wieder, sondern steht exemplarisch auch für den Erfindungsreichtum des Homo sapiens. Denn darin, jemanden oder etwas um die Ecke zu bringen, und sei es „nur“ ein kleines Mäuschen, bzw. diesem einen Hinterhalt zu legen, war er schließlich schon immer ziemlich einfallsreich. Schon auf Höhlenzeichnungen, entstanden 6000 Jahre vor Christus, finden sich Bauanleitungen für Gerätschaften, den Mäusen den Garaus machen.
Weltweit gibt es heuer (noch) 20 verschiedene Arten. Dazu kommen 120 weitere Unterarten und diverse Zuchtformen. In diesen Zahlen sind die Micky- und Computermäuse sowie jene, die sich in der Sparkasse meines Vertrauens häuslich eingerichtet haben, dort aber kaum Zinsen erwirtschaften, noch gar nicht berücksichtigt. Warum der Mensch den kleinen Pelzern so vehement auf Pelz und Pelle rückt, ist eigentlich unverständlich. Können sie die eigene Reputation, sein Ansehen und seinen gesellschaftlichen Stellenwert doch merklich (hat jetzt mit der Merkel nix zu tun) erhöhen. In Volkes Mund heißt es ja nicht von ungefähr: „In leeren Scheunen kriecht keine Maus“. Bedeutet im Umkehrschluss: Wo selbige doch herum wuselt, herrscht sichtlich Wohlstand. Da beißt die Maus nun mal keinen Faden ab!
Ja und selbst für bzw. bei der Ausbildung angehender Einzelhändler musste die Gattung „Mus“, so der lateinisch-wissenschaftlicher Name dieser Spezies, in früheren Zeiten indirekt herhalten: „Ein Krämer, der nicht Mausdreck für Pfeffer aufschwätzen kann, hat sein Handwerk nicht gelernt“. Altes Sprichwort. Deshalb werde ich, wenn ich das nächste Mal in unserem dörflich geprägten Konsumtempel von Tante Emma wieder Extrem-Shopping praktiziere, doch lieber etwas genauer in die Tüten gucken.

Strangulieren, Köpfen, Erschlagen, Ertränken

Im Laufe der Jahrhunderte sind die unterschiedlichsten Systeme und Apparate zur Vernichtung einzelner Individuen der Gattung Maus/Mouse entwickelt worden, einfache, ausgeklügelte, primitive, effektive, ausgereifte, plumpe und geniale. Stets unter Berücksichtigung der Erkenntnis, dass nicht nur viele Wege nach Rom führen. Optional mindestens ebenso zahlreich waren und sind die Möglichkeiten, um Speedy Gonzales, Itchy, Feivel, den Wanderer, Diddl, Bernhard und Bianca sowie deren weniger prominente Artverwandten um jene Ecke zu bringen, hinter der die ewigen Jagdgründe warten. Das Spektrum reicht(e) von Strangulieren über Köpfen bis hin zum Erschlagen und Ertränken. Mal brachial mit der Holzhammer-Methode, mal ganz feinmotorisch, aber mit viel Hinterlist. Aber die Operation muss nicht zwangsläufig mit dem Exitus des Opfers enden. Lebendfallen sind nämlich keineswegs eine Erfindung der Neuzeit. Entworfen von mitfühlenden Tier-Sympathisanten, die die Schöpfung eben nicht in so stereotypen Kategorien wie „nützlich“ und „schädlich“ einteilen, gab es sie schon in vergangenen Jahrhunderten.
Der letzte Schrei auf dem aktuellen Markt ist aber ein High-Tech-Konstrukt der Firma „Rentokil“. Das Ding führt den bezeichnenden Namen „Radar“. Kennen wir ja in anderer, ebenfalls fieser Ausprägung vom Straßenrand her. Mit dem Unterschied, dass das eine für jene, die hinein tappen, in der finalen Konsequenz zwar umsonst, aber auch absolut tödlich ist, das andere mitunter jedoch lediglich teuer und ärgerlich. Diese ultramoderne Mausefalle lockt den Nager an und schließt ihn luftdicht ein. Das Tier wird binnen Sekunden durch eine exakt bemessene Dosis Kohlendioxid getötet - alles vollautomatisch und angeblich völlig schmerzlos. Aber das ist noch nicht alles: Das Gerät meldet dem Fallensteller per SMS oder E-Mail Vollzug. Geht’s noch?

Platt machen oder ignorieren?

Bei der Namensgebung des international agierenden Herstellers ist den Taufpaten aber offenbar ein Fehler unterlaufen. Eigentlich sollte Konzern ja nicht „Rentokil“, sondern „Rent-to-kill“ heißen. Auf andere Ebene sind die Jungs allerdings wesentlich kreativer. Sie haben eine kostenlose Android App "Schädlingsbestimmung" veröffentlicht. Mit Hilfe einer speziellen Scanfunktion kann sich der Anwender nun binnen kürzester Zeit Gewissheit darüber verschaffen, ob es sich bei dem lokalisierten Verdächtigen um einen Schädling handelt oder nicht. Dazu muss er diesen lediglich mit seiner Smartphone-Kamera fotografieren und das Bild per App versenden. Mit einer Reaktionszeit, die normalerweise unter 24 Stunden (werktags) liegen soll, kommt die Antwort aus der Technischen Abteilung des Unternehmens. Wie praktisch. Ich muss den potentiellen Schädling nur lange genug in Schach halten. Um dann auf Basis der von „Rentokil“ zeitnah versendeten Informationen zu entscheiden, ob ich mich gegenüber ihm friedlich oder kriegerisch verhalte. Reduziert auf die Optionen „platt machen“ oder „ignorieren“. Aber wir schweifen vom eigentlichen Thema davon.
Ehrlicher als „Radar“, wenn auch für die Opfer letztlich einen Tick unangenehmer, was aber nix am irreversiblen Resultat änderte, funktionierte ein Fangautomat aus der Zeit um 1900. Dem Köderduft folgend kletterte die Maus dabei Gänge hoch und hinunter, öffnete und schloss Klappen, bis sie schließlich in einem mit Wasser gefüllten Behälter landete und ertrank. Die DLRG, so es sie damals schon gegeben hätte, hätte ihr da auch nicht mehr helfen können. Das Teil hatte ein Fassungsvermögen von bis zu zehn Kadavern, ehe der Fallensteller Platz für neue Delinquenten schaffen musste.
Genauso, wie man mit Kanonen auf Spatzen schießen kann, lässt sich auch mit Patronen auf Mäuse feuern. Und das geschieht und passiert auch. Neuzeitliche Gerätschaften ähneln Mini-Haubitzen, die vor allem in Wühlmaus-Gängen platziert werden und mit Neun-Millimeter-Projektilen ballern. Allerdings unterscheidet diese Waffe nicht zwischen Freund und Feind. Vor ihr sind alle gleich. Sie wummt, egal ob eine Maus oder eine leichtsinnig grabende Menschenhand den Mechanismus ausgelöst hat. In den Zeitungen finden sich ja ab und an entsprechende und kurios klingende Meldungen über Schussverletzungen durch Mausefallen.

"Mausetod": Das Buch zum Thema

Wolfhard Klein hat übrigens ein Buch über die Fang- und Killerapparate sowie deren Geschichte und Entwicklung geschrieben. Es trägt den bezeichnenden Titel „Mausetod!“. Die Maus von heute ziehe eine fettige Pommes oder ein Stück Schokolade dem traditionellen Speck oder Käse allemal vor, hat er gelernt. Wobei der Köder sowieso zweitrangig sei. „Eine gute Falle ist eine benutzte Falle", sagt der 65-Jährige. Mäuse würden über ihre Füße Sexuallockstoffe absondern. Den so hinterlassenen Duftnoten folgten dann andere Artgenossen. Apropos Sex und Lockstoffe: Gestampfte Mäuseherzen wurden noch im 18. Jahrhundert als Aphrodisiakum verwendet, um den schlappen Heinz wieder auf Vordermann und auf die Frau zu bringen. Gar nicht schlapp und schwächelnd mögen sich jene gefühlt haben, die auf eine fingierte und in einer großen Tageszeitung geschalteten Bekanntschaftsanzeige des Rentners („Suche Maus für Mausefalle“) antworteten. Der Inserent bekam haufenweise Post – von Männern und Frauen. Neben romantischen Einladungen aber auch eindeutig-zweideutige Offerten. Da waren einige Herrschaften offenbar vom Mäuschen gebissen worden…

Mäusekot war anno-batsch sogar als (wirksames?) Mittel gegen Zahnschmerzen gebräuchlich. Der Blick des Apothekers neulich auf die entsprechende Frage hin, ob er solchen vorrätig hätte, sprach Bände. Aber das nur nebenbei. Angeblich können sie (also die Mäuse, nicht zwangsläufig die Apotheker) auch singen – im Obertonbereich. Die Männchen werben jodelnd um ihre Angebetete. Was für eine Arie! Mann stelle sich vor, wie Jerry, noch etwas atemlos von der Flucht vor Tom, mit seiner Stratocaster, einer Maßanfertigung, lässig am Loch-Eingang der Liebsten lehnt und „Endless Love“ von Lionel Richie piepst.( So lange es nicht das Lied vom Tod ist…). Der Klassik-Fan unter den Mäuserichen hingegen würde es eher mit der „Ungeduld“ von Franz Schubert aus „Die schöne Müllerin“ versuchen: „Ich schnitt' es gern in alle Rinden ein...“ Ist in A-Dur. Müsste in „C“ transponiert werden, weil der Sänger andernfalls mit den tiefen Tönen nicht klar kommt.

Lebendfalle mit Sonnenschutz

Die wohl außergewöhnlichste Fallen-Anfertigung in Deutschland ist Sachbuch-Autor Klein allerdings bisher entgangen, wird aber sicherlich in einer Neuauflage seiner interessanten Monografie Berücksichtigung finden. Die Gerätschaft, ein Unikat, leistet seit Jahren in einem kleinen mittelhessischen, kämpferischen Bergdorf gute Dienste und schont nicht nur Leib und Leben der mit und in ihr Gefangenen. Das Basismodel ist Massenware, wie es sie für ein paar Cents in gut bestückten Drogerien oder im Handel für Land-und Gartenbedarf zu kaufen gibt. Schon die Wahl des Systems verrät den passionierten Tierfreund. Es ist eine modifizierte Lebendfalle, die, so sie zuschnappt, das Opfer nicht gleich den Kopf und anderes kostet.
Das Bestechende an der hier verwendeten Konstruktion sind aber die Extras. Zur Sonderausstattung zählen zwei filigrane Papier-Schirmchen, wie sie der Gelati-Italiener um die Ecke normalerweise auf seinen Eisbomben und Cocktails drapiert. Was das soll? Die Installation ist der Sorge um die physische Unversehrtheit des Delinquenten geschuldet. So er oder sie der lockenden Versuchung des verführerisch duftenden Köders im Inneren des Käfigs erliegt und sich plötzlich in selbigem gefangen sieht, kann es passieren, dass Stunden vergehen, ehe Rettung naht. Und die Gefahr, dass sich der eingekerkerte Schadnager unter den sengenden Strahlen unseres Zentralgestirns einen Sonnenbrand holt oder gar einen Hitzschlag einhandelt, ist doch latent, argumentiert der Fallensteller. Denn: Eine tote Maus in einer Lebendfalle würde die Sinnhaftigkeit eben dieser Lebendfalle ja von vornherein in Frage stellen und ad absurdum führen.
Kurzum: Die Schirme haben zweierlei Funktion. Bei schönem Wetter sollen sie verhindern, dass dem tierischen Häftling die Sonne allzu zu heftig aufs Hirn brezelt, was dem Erfinder des Systems anscheinend aber schon selbst widerfahren ist. Und wenn’s denn regnet, ist der Gefangene erst einmal geschützt und holt sich keinen Schnupfen. Man kann es auch übertreiben!
Was denn anschließend mit dem Inhaftierten passiert? Wird natürlich frei gelassen und in Nachbars Garten zwei Häuser weiter ausgesetzt. See you again!

Bürgerreporter:in:

Jürgen Heimann aus Eschenburg

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