Habicht und Co. auf der Abschussliste: Naturfreunde fordern einen konsequenteren Schutz für die Greifvögel

Trügerische Sicherheit: Selbst in ausgewiesenen Naturschutzgebieten ist der Habicht vor Nachstellungen nicht gefeit. | Foto: Siegbert Werner
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  • Trügerische Sicherheit: Selbst in ausgewiesenen Naturschutzgebieten ist der Habicht vor Nachstellungen nicht gefeit.
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Es sind schnelle, geschickte Jäger, deren Strategie und Taktik von unglaublicher Effizienz geprägt ist. Raub- oder Greifvögel. Und weil das so ist, haben sie auch (viele) Feinde. Unter Tauben- und Geflügelzüchtern beispielsweise, aber auch unter den Nimrods. Die sehen in Habicht und Co. unliebsame Konkurrenten, die ihnen die Beute oder Federviehbestände streitig machen bzw. diese dezimieren. Und sind deshalb nicht sonderlich gut auf sie zu sprechen. Aber dabei, beim Sprechen (und Lamentieren), bleibt es oft nicht. Jenseits der Dunkelziffer, die um ein Vielfaches höher sein dürfte, sind Tausende von Fällen dokumentiert, in denen - Alltag in Wald und Feld - diese stolzen Tiere vorsätzlich eliminiert wurden. Sie werden entweder durch gezielte Schüsse vom Himmel geholt, vergiftet (meist mit präparierten Hühnereiern oder mit in dem Insektzitid Carbofuran getränkten Ködertauben), in Lockfallen festgesetzt und anschließend erschlagen.
Und das ist illegal, denn Raubvögel gehören seit Anfang der 70er Jahre zu den streng geschützten Arten Aber wo kein Ankläger, da kein Richter. Das Töten von Greifvögeln ist alles andere als ein Kavaliersdelikt. Es gilt als Straftat. Verstöße gegen das Bundesnaturschutzgesetz können mit bis zu 5 Jahren Haft oder einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro geahndet werden - theoretisch. Aber so denn mal ein Übeltäter erwischt und überführt wird, fällt das Strafmaß meist deutlich milder aus und hat somit keine abschreckende Wirkung.
Und deshalb geht die gnadenlose Verfolgung (vorerst) weiter. Der hofft der Deutsche Naturschutzbund ein Ende bereiten zu können. Und wenn das schon nicht gelingt, wäre für ihn schon viel erreicht, wenn dich diese üble Praxis zumindest etwas eindämmen ließe. Das ist Sinn und Zweck einer bundesweiten, mit einer Online-Petition verknüpften Kampagne: http://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und...
Ziel ist ein verbesserter Schutz der fliegenden Beutegreifer und eine konsequentere Ahndung der widerrechtlichen Hatz auf sie. Dabei könnte das Land Nordrhein-Westfalen Pate stehen. Dort gibt es seit 2005 eine eigens geschaffene Stabsstelle zur Bekämpfung von Umweltkriminalität. Und die hat auch solche dunklen Gestalten im Visier, die den Greifvögeln nachstellen. Die im Umweltministerium angesiedelte Einrichtung arbeitet intensiv mit den Polizeibehörden zusammen. Der NABU plädiert dafür, solche Stellen auch in allen anderen Bundesländern zu installieren.

Nordrhein-Westfalen ist beispielgebend

Die nordrheinischen Westfalen waren auch noch auf einem anderen Feld beispielgebend. Da ist die „Düsseldorfer Erklärung gegen illegale Greifvogelverfolgung“. Landesjagdverband, NABU, BUND, die Ornithologische Gesellschaft und die Politik haben sich darin auf gemeinsame Positionen und Standards verständigt. Die besagen unter anderem, dass Bejagung oder Tötung der einheimischen Greifs ganzjährig untersagt sind. Ausnahmegenehmigungen für diese Regelung gibt es nicht. Ähnliche Erklärungen sind übrigens auch in Niedersachsen und Baden-Württemberg unterzeichnet worden.
Zum aktuellen von zahlreichen Tierrechts- und Tierschutzorganisationen unterstützten Forderungskatalog der Naturfreunde zählt ferner ein Verbot des Verkaufs sogenannter Habichtfangkörbe, die im praktischen Einsatz meist mit einer lebenden Locktaube bestückt werden. Das ist auch so eine typisch deutsche Michel-Absurdität. Im Handel dürfen diese Gerätschaften zwar offeriert werden, aber sie ihrer eigentlichen Bestimmung gemäß zu verwenden, ist untersagt. Ja, nee, is‘ klar. Die meisten Verbraucher werden sich diese Fallen ohnehin nur deshalb kaufen, um sie als Dekoration ins Wohnzimmer zu stellen….
Auch die Einrichtung von Horst-Schutzzonen, in denen Forstwirtschaft und Jagd während der Brutzeit dieser Tiere zu ruhen haben, steht auf der Wunschliste der Naturschützer. Während es, geht es nach ihren Vorstellungen, auch für das Aushorsten junger Habichte prinzipiell und grundsätzlich kein behördliches OK mehr geben soll, auch in „begründeten“ Ausnahmefällen nicht. Aushorsten ist ein Euphemismus, die beschönigende Beschreibung dafür, junge Vögel ihren Eltern zu entreißen und aus dem Nest zu stehlen, um sie in Folge für die spätere Beizjagd abzurichten.

Perfide Methoden, qualvolle Tode

In Deutschland brüten 17 Greifvogelarten, drei weitere Arten kommen als regelmäßige Wintergäste und Durchzügler hinzu. Da ist erst mal der Habicht, der Vogel des Jahres 2015, dessen Bestand republikweit inzwischen wieder auf rund 16.000 Paare geschätzt wird. Einen solchen dürften aber, weil ein Heimlichtuer und Pirschjäger, die wenigsten jemals in Natura live gesehen haben. Aktuellen Erhebungen der Vogelschutzwarte zufolge gibt es in Hessen zwischen 800 und 1200 Habichtpaare. Tendenz allerdings abnehmend. Im vogelkundlichen Bericht für den Lahn-Dill-Kreis werden für 2013 noch 26 brütende Paare ausgewiesen. Da hier aber keine flächendeckende Erfassung erfolgt, dürften es tatsächlich wesentlich mehr sein.
Zur großen Familie zählen hierzulande u.a. Mäusebussard, Rotmilan, Uhu, Seeadler, Wiesenweihe, Baumfalke, Schwarzmilan, Kornweihe, Wespenbussard oder Wanderfalke. Von letzterem soll es in Deutschland gerade mal tausend Paare geben. Viele Greifvogel-Arten gelten als bestandsgefährdet und stehen auf der roten Liste. Die Methoden, ihnen zu Lebe zu rücken, sind mannigfaltig und perfide, wie dieses Video zeigt: http://www.youtube.com/watch?v=1Gu2ANcv30c
Lovis Kauertz, der Vorsitzende der Organisation „Wildtierschutz Deutschland“, erinnert in diesem Zusammenhang an die Schreckensszenarien, die große Teile der Jägerschaft Anfang der 70er Jahre nach Erlass des Bejagungsverbots für Greifvögel gezeichnet hätten. Deren Bestand würde bedrohlich ansteigen, was binnen weniger Jahre die komplette Ausrottung von Singvögeln und Kleinsäugern in Deutschland zur Folge hätte, habe es damals geheißen. Sogar eine Bedrohung für den Menschen sei prophezeit worden. Deshalb, so die seinerzeitige Schlussfolgerung, müssten die Greifvögel unbedingt weiter bejagt werden. Dies vor allem auch deshalb, um deren Bestand zu regulieren, da sie keine natürlichen Feinde hätten. Kauertz: „Bis heute hat sich nichts von diesen furchterregenden Weissagungen bewahrheitet. Die Natur braucht den Menschen nicht als Regulator. Sie regelt sich selbst durch Nahrungsangebot, Sozialstrukturen, Krankheiten und durch klimatische Einflüsse“. Weitere Informationen über die Arbeit seiner gemeinnützigen Organisation hier: http://www.wildtierschutz-deutschland.de/

„Argumente“ ohne Substanz

Die Argumente jener, denen entsprechende Schutzbemühungen für die gefiederte Raub-Fraktion heute schon viel zu weit gehen, werden auch durch ständiges, gebetsmühlenartiges Wiederholen und Rezitieren nicht wahrer und stichhaltiger. Greifvögel würden das („ihr“) Niederwild (Hasen, Fasane, Rebhühner) erheblich dezimieren oder gar ausrotten, klagen sie, Krokodiltränen absondernd, mitunter immer noch. Was für ein Quatsch! Noch niemals in der viele Millionen Jahre umfassenden naturgeschichtlichen Entwicklung hat eine Tierart eine andere ausgerottet. Das hat erst Mensch geschafft.
Und dass die Brieftaubenfreunde um ihre Flotten bangen, weil der Habicht, der bildlich auch auf der Flagge der Azoren auftaucht, so ein übler, blutgieriger Bursche ist, dürfte auch so ein bemüht-angestrengt formuliertes Konstrukt sein, um sich die Wirklichkeit entsprechend zurecht zu biegen. Die Verluste unter Reisetauben, diesen oftmals gedopten „Rennpferden des kleinen Mannes“, die sich während oder nach Tausend und mehr Kilometer langen Wettflügen verirren oder erschöpft vom Himmel fallen, dürften von der Zahl her ungleich schwerer wiegen, als der an den Habicht zu entrichtende Zoll. In letzterem Fall hätte, aus der Sicht der „grausamen“ Natur, das unfreiwillig erbrachte Opfer ja sogar noch einen Sinn. Der Raubvogel wird satt. Alternative wäre, er geht leer aus und der Rennstallbesitzer bekommt (erneut) einen Pokal, weil seine domestizierte Ruhrpott-Möwe wieder mal die schnellste und ausdauerndste unter ihresgleichen war. Wenn nicht, hat sie es nicht besser verdient.
In Großbritannien beispielsweise waren diese Vögel Ende des 19 Jahrhunderts durch intensive Bejagung fast vollständig ausgerottet, in anderen europäischen Ländern wurden die Bestände auf gleiche Weise drastisch „reduziert“, um es mal euphemistisch zu formulieren. Inzwischen geht es ihnen wieder etwas besser. Da erschienen die auf Aberglauben basierenden (und natürlich wirkungslosen) Methoden, sich bzw. das Hausgeflügel zu schützen, schon sympathischer. In der Oberpfalz beispielsweise sollte das Ausreißen von drei Habichtfedern, die man anschließend in eine andere Gemeinde brachte, vor Angriffen aufs eigene Geflügel schützen. Während die Westfalen davon überzeugt waren, es helfe, wenn man das junge Federvieh in einen blanken Kessel setze. Wer an Karfreitag die Hühner durch einen hölzernen Reifen laufen ließ, wähnte sich bzw. diese ebenfalls auf der sicheren Seite.

Wenn der gedopte Dachhase schlapp macht

Dem (Mäuse)Bussard wird denn bei dieser Gelegenheit auch schon gleich mal mit angelastet, sich unter gurrenden Dachhasen gütlich zu tun – um der Forderung, ihm nachzustellen, Gewicht zu verleihen. Dabei hat dieser prächtige kurzschwänzige Schwebeflieger gegen die gerne mal auch als „Luftratten“ diskriminierten Friedenssymbole und fliegenden Ex-Briefträger kaum eine Chance, zumindest nicht am Himmel. Es sei denn, er stößt auf ein Exemplar, das irgendwo krank oder ausgepowert auf dem Boden herumsitzt. Da kann er auch nicht „Nein“ sagen. So etwas nennt man übrigens in den einschlägigen Bussardkreisen „ein gefundenes Fressen“. Aber normalerweise ist der Kerl eher auf Mäuse, daher der Name, Regenwürmer, Insekten, Reptilien und Aas abonniert und erfüllt somit auch eine wichtige Hygienefunktion im Naturhaushalt.

Selbst schuld: Gelegenheit macht Diebe

Geflügelzüchter und –freunde sind, so Marder, Waschbär oder Fuchs ausnahmsweise einmal nicht als Sündenböcke herhalten müssen bzw. können, den Räubern aus der Luft auch nicht gerade in unverbrüchlicher Zuneigung zugetan. Und nicht wenige von ihnen reihen sich deshalb ein in die Phalanx derer, die für eine verschärfte Bejagung der krumm- und spitz-schnäbeligen Greifer plädieren. Damit wäre die unheilige Allianz dann komplett. Dabei sind sie Hühner-, Gänse-, Enten- und Wachtelhalter doch selbst schuld, wenn sich die ja nur ihrem natürlichen Instinkt und Jagdtrieb folgenden Luft-Prädatoren in ihren Nutz- oder Ziergeflügelquartieren bedienen. Wer die Wahl hat, hat die Qual, und schlecht gesicherte Gehege sind eine Einladung zum (Fr)Essen, der sie nun mal nicht widerstehen können. Aber das ist alles eine Frage der (baulichen) Prävention. Wer seinen gepimpten Ferrari mit laufendem Motor unbeaufsichtigt in einer stark befahrenen Einkaufsstraße abstellt, muss sich ja auch nicht wundern, wenn das Letzte, was er von der Karre sieht, die in der Ferne aufleuchtenden Rücklichter sind. Gelegenheit macht halt Diebe....

Bürgerreporter:in:

Jürgen Heimann aus Eschenburg

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