Zwischen Quastenflosser, Gandalf und Barney Gerölleimer: Die Wilhelmsteine - Ein mystischer Ort, an dem schon die Steinzeitler feierten und beteten

Etwas Mystisches, Geheimnisvolles liegt über den Wilhelmsteinen im Schelderwald.  Fehlt nur noch, dass  „Gandalf“ oder einige Hobbits um die Ecke linsen. | Foto: Dieter Stegmann
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  • Etwas Mystisches, Geheimnisvolles liegt über den Wilhelmsteinen im Schelderwald. Fehlt nur noch, dass „Gandalf“ oder einige Hobbits um die Ecke linsen.
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SIEGBACH (jh) - Für die einen sind das nicht mehr als ein paar profane, wenn auch ziemlich beeindruckende Felsklumpen, andere sehen in ihnen einen magischen Ort: die Wilhelmssteine im Grenzland zwischen Siegbach und Eschenburg (Lahn-Dill-Kreis), inmitten lichter Buchenbestände 500 Meter südöstlich des Fernsehturms Angelburg gelegen. Annobatsch kreuzten sich unweit davon frühgeschichtliche wie auch spätmittelalterliche Fernhandelswege. Heuer gilt der Punkt als beliebtes Wander- und Ausflugsziel und ist am Himmelfahrtstag seit Generationen Schauplatz von Waldgottesdiensten.
Seinen aktuellen Namen verdankt das aus imposanten, bis zu 15 Meter hohen Eisenkieshärtlingen bestehende Ensemble im Schelderwald Herzog Wilhelm von Nassau, der dort an Anno Domini 1830 mal eben kurz zu einer Rast aufgeschlagen war. Wilhelm Georg August Heinrich Belgus galt bei der hiesigen Bevölkerung als ziemlich populäre und angesehene Figur, weshalb die bis dato als „Buschsteine“ firmierende Stätte kurz nach dem frühen Tod des adeligen Regionalchefs 1839 entsprechend und ihm zu Ehren umgetauft wurde.
Gemessen am tatsächlichen Alter der Gesteinsformation ist diese kleine, lokal-historische Episode ein kaum messbarer Wimpernschlag im Antlitz der (Erd-)Geschichte. 350 Millionen Jährchen dürften die Anfänge der Felsgruppe zurückreichen, die sich damals auf dem Grund des fast das ganze heutige Deutschlands bedeckenden Ozeans durch untermeerischen Vulkanismus herausgebildet hatte. Ob damals schon der Dunkleosteus, ein räuberischer, bis zu zehn Meter langer Panzerfisch, oder der legendäre Quastenflosser durch die Urzeit-Fluten geblubbert sind, weiß man nicht. Und wenn, haben sich bestimmt keinen Gedanken an das spätere Hirzenhain oder Tringenstein verschwendet.

Atmosphärischer Zauber

Wenn Steine reden könnten, diese „Schelder-Nordwand“ hätte bestimmt eine Menge zu erzählen. Wer sich dem offensichtlichen atmosphärischen Zauber dieses oft auch romantisch verklärten Ortes aussetzt, kurz innehält und die Fantasie etwas Gassi gehen lässt, wird das gewisse Etwas, das Besondere und Unerklärliche erahnen, das über der Stelle liegt. Das zu ergründen, war auch der Dillenburger Fotograf Dieter Stegmann wiederholt vor Ort. Allerdings dürften seine Intentionen rein ästhetisch-visueller Natur gewesen sein und kaum wissenschaftlichen oder gar esoterischen Erwägungen geschuldet. Seine Mission: das Mystische, Geheimnisvolle dieses im Koordinatensystem mit 50° 47′ 5.62″ N, 8° 26′ 1.38″ E beschriebenen Punktes mit der Kamera einzufangen. Das ist ihm trefflich gelungen.

Ein Prosit auf Braciaca

Eigentlich müssten jeden Moment Gallum, Gandalf oder ein paar Hobbits um die Ecke linsen. Sollten sich hier dann auch noch etliche keltische Oberdruiden zu Ehren ihrer heidnischen Götter zum gallischen Squaredance formieren, wen würde es wundern? Let’s dance! Arvernus, Baldruus oder Braciaca hätten sich gefreut. Letzterer ist bzw. war übrigens bei den keltischen Turniertrinkern für das Bier zuständig und galt als entfernter Verwandter von Dionysos. Elfen und Feen gibt’s dann als Zugabe.

Dieter Stegmanns Sicht der Dinge

Das Licht ist diffus und überirdisch, rästelhaft und unergründlich. Es erzeugt ein Ambiente des Vagen und Orakelhaften. Die herumliegenden, mit Moos bewachsenen Wacker scheinen Titanen beim Würfelspiel aus dem Becher gehopst. Eine Aura des Delphischen. Welche Tricks und Kniffe beim Zustandekommen dieser Aufnahmen Anwendung fanden, mag der experimentierfreudige Pixelkünstler nicht verraten. Nur so viel: Jedes Bild wird fünfmal belichtet, mit unterschiedlichen Blenden, und anschließend mit HDR-Software (= High Dynamik Range, was so viel wie „überhöhter Kontrastumfang“ bedeutet) nachbehandelt und veredelt. Aber das ist wohl längst noch nicht alles. Und zu guter Letzt wird die Beute in eine professionell gestaltete Slideshow mit Musikuntermalung und Überblendung gepackt. Fertisch! Zu bewundern ist das ganze hier: www.photo-punktgenau.de

Kraftort und Naturheiligtum

Zurück zu den „William-Stones“. Die werden ja, wie die Erbacher Steinkammer-Höhlen auch, in einschlägigen Registern zu den „Kraftorten“ gerechnet, wo sich magnetische Linien kreuzen und kosmisches Licht einströmt, und oft mit dem Opferplatz „Maximilianfelsen“ in Bayern verglichen und zu den Naturheiligtümern zugerechnet. Welche unsichtbare Energieflüsse dort plätschern mögen, erschließt sich aber wohl nicht jedem. Die Felsenburg gilt als eine ehemalige überregional bedeutsame Kultstätte, die als solche seit dem Neolithikum über die Bronze- und Eisenzeit (Kelten und Germanen) bis zur Missionierung „in Betrieb“ war. Es ist davon auszugehen, dass das ein prähistorischer Meetingpoint war, der noch ganz andere, ältere Gesichter als die der keltischen Nutzer gesehen hat. In der Nähe der Angelburg wurden auch mehrere vorgeschichtliche Siedlungen nachgewiesen. Bedeutendes Fundstück ist der Hirzenhainer „Keltenstein“, eine figürlich geritzte Darstellung eines Menschengesichts auf einer Steinstele.

Partys seit Millionen Jahren

Aber schon steinzeitliche Jäger und Sammler dürften hier gewohnt, konferiert und gefeiert haben, wie es heuer vor allem Jugendliche Partygänger tun, die die Abgeschiedenheit des Schelderwaldes zu schätzen pflegen und von deren Durst leere Flaschen und Dosen an der Feuerstelle zeugen. Aber nicht erst ein paar Pullen von Braciacas Gebräu intus haben, um in den Felsen menschliche Züge zu erkennen. Vor allem der 15 Meter hohe „Lange Stein“ kann da auch für Nüchterne eine Fundgrube sein. Je nachdem, aus welchem Blickwinkel und Himmelsrichtung Auge und Vorstellungskraft schweifen, kristallisieren sich ein Gesicht mit Richard-Wagner-Kinnbart, ein Kopf mit Hut bzw. Mütze oder ein noch größeres skulptiertes Antlitz heraus. Und das ist keine Einbildung!

Bürgerreporter:in:

Jürgen Heimann aus Eschenburg

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