Ein „X“ für ein „U“, ein getürkter Mond und ein Falke, der ein Sperber war: Schnappschuss mit Schnapp-Atmung

Der Mond ist aufgegangen – Dank Photoshop.  Eine Montage,  die durch die Tatsache entlarvt wird, dass der Zweig vorne links und der Mond oben rechts scharf sind, die Sektoren dazwischen jedoch unscharf. So etwas kann kein Objektiv abbilden.
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  • Der Mond ist aufgegangen – Dank Photoshop. Eine Montage, die durch die Tatsache entlarvt wird, dass der Zweig vorne links und der Mond oben rechts scharf sind, die Sektoren dazwischen jedoch unscharf. So etwas kann kein Objektiv abbilden.
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Mit der Glaubwürdigkeit unserer bzw. vieler Medien ist es so weit ja auch nicht (mehr) her. Es gab mal Zeiten, da galten das gedruckte Wort und das gedruckte Bild schon als Wahrheitsbeweis an, für und in sich. „Es stand (schließlich so) in der Zeitung“. Das genügte. Insofern musste der dargelegte Sachverhalt unverrückbar richtig sein. Der Wucht und Kraft dieser Argumentation ließ sich nichts entgegen setzen. Lang‘, lang‘ ist her. Heute werden wir, die Leser, immer häufiger veräppelt und für dumm verkauft. Mal ganz offensichtlich, mal so, dass es zunächst gar nicht auffällt. Mal bewusst, mal unbewusst.
Viele Printmedien (aber nicht nur diese) sind dabei, den Rest ihrer Glaubwürdigkeit zu verspielen. Die „BILD“ hat das ja schon vor Jahrzehnten getan - lebt aber nicht schlecht damit. Aber auch viele vermeintlich honorige Blätter nehmen es mit der Wahrheit nicht immer so genau und tricksen, täuschen, mogeln, manipulieren, agitieren, türken, bulgaren und schönen. Dabei sind sie es doch, die sich in einer immer komplexer werdenden Welt gerne als Losten aufdrängen, die versprechen, uns im schier undurchdringlichen Dschungel der Informationsfülle Orientierung zu verschaffen.

Mogeln im Großen und im Kleinen

Es müssen ja nicht gleich Jahrhundertfälschungen (und Peinlichkeiten) wie die der unsäglichen Hitler-Tagebücher sein, an denen der „Stern“ bis heute zu kauen hat und die die Reputation des einst so gefeierten Magazins irreversibel beschädigt haben. Auch im Kleinen, im Alltäglichen sind Tendenzen zu beobachten, uns, dem unbedarften Leser und Konsumenten, hin und wieder etwas auf die Backe zu malen. In der Ostersamstags-Ausgabe der von mir ob ihrer investigativen Grundausrichtung so geschätzten Lokalzeitung habe ich wieder den Versuch entdeckt, mir ein X für ein U vorzumachen.
Da findet sich ein, zugegeben, ansprechendes Foto einer aufblühenden Zierkirsche, hinter deren Zweigen sich der Vollmond in seiner ganzen fülligen Pracht malerisch an den Nachthimmel gehängt hat. So etwas nennt man im neudeutschen Medien-Sprech auch „Eyecatcher“. Der Begleittext erinnert noch mal daran, dass das Osterfest stets am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond gefeiert wird. Gut zu wissen. Werde ich mir merken. So vergesse ich die Eierparty garantiert nie wieder…

Schuppen auf den Hühneraugen

Aber irgendetwas war/ist an dieser Aufnahme faul, irgendetwas stimmt nicht. Und dann fällt es dem Betrachter wie Schuppen von den Hühneraugen. Das ist, sonnen-, nee, mondklar, eine Fotomontage! Woran man das erkennt? In dieser Aufnahme begegnen uns zwei Schärfe-Ebenen – und so etwas kommt in Natura einfach nicht vor. Die eine liegt auf dem Ast im Vordergrund und die andere auf dem Mond. Der Bereich dazwischen ist (entlarvend) unscharf. Tataaaa!
Gut, der Redakteur, der diese Veröffentlichung zu verantworten und durchgewunken hat, mag sich darüber keine Gedanken gemacht haben. Er war sicherlich auch froh, die Zeitungsseite damit in dieser nachrichtenarmen Zeit vor den Feiertagen erfolgreich gefüllt zu haben. Und der Urheber hat ja ganz sicherlich auch nix Böses im Schilde geführt. Kurzum: Das Ganze ist eher harmlos. Kaum der Rede wert. Oder vielleicht doch? Wo fängt die Verarschung des Lesers an, wo hört sich auf? Gut, in den elektronischen Medien, gegen die die Print-Fraktion einen aussichtslosen, (bereits mittelfristig) nicht mehr zu gewinnenden Existenzkampf führt, ist so etwas längst gang und gäbe, quasi an der Tagesordnung. „Man“ weiß das, hat sich darauf eingestellt und begegnet gewissen Veröffentlichungen im Web von vornherein mit einer gesunden Portion Skepsis.
Aber ist so etwas in einer traditionsreichen Heimatzeitung statthaft? Deren arglose Leserschaft im Durschnitt weit jenseits der 60 herum dümpelt und die (fast) alles, was ihr von einer zunehmend ausgedünnten Redaktion vorgesetzt wird, für bare Münze nimmt?

Noch mehr Beispiele gefällig?

Die Regional- und Lokalzeitungen, auch die an Lahn und Dill, sind angesichts eines dramatischen Auflagenschwunds natürlich brennend daran interessiert, potentiell künftige Abonnenten möglichst schon im Kindesalter abzuholen. Deshalb veröffentlichen sie gerne auch Beiträge und Erlebnisberichte der Jüngsten. So wie die des kleinen Benjamin K (11) aus X-Dorf. Der hatte während einer Familienwanderung die Flugkünste eines Falken beobachten können und der Redaktion ein paar Zeilen dazu geschickt. Letztere reicherte die Story dann mit einem „passenden“ Foto an – denn: ein Bild sagt bekanntlich mehr als tausend Worte. Nun mag der Kollege seinerzeit im Biologieunterricht etwas desinteressiert gewesen sein und sich deshalb vielleicht heute mit der Bundesliga auch besser auskennen als mit der Ornithologie. Jedenfalls bekommen wir als Illustration einen „majestätisch aussehenden“ Falken präsentiert, der in Wahrheit ein Bussard ist. Zeitungsleser wissen halt (immer) mehr … Gut, so groß sind die Unterschiede zwischen einem VW-Golf und einem Seat Leon auch nicht.
Überhaupt ist bei den hiesigen Zeitungen Vorsicht geboten, so es um’s Vögeln, ähmm, um Vögel geht. Da scheinen noch gewisse Defizite zu bestehen. Da gibt es eine Rubrik „Land und Leute“, in der Mittelhessen-Redakteure regelmäßig über außergewöhnliche Begebenheiten aus der Region berichten, oder solche, die sie dafür halten. So auch über den Besuch des kleinen Axel M beim Opa in G., währenddessen der aufgeweckte Knabe, der laut stolzem Großvater 50 verschiedene Vogelarten auseinander halten kann, einen veritablen, auf dem Balkongeländer rastenden Turmfalken entdeckt hatte. Nebenbei bemerkt: Es handelte sich bei dem abgebildeten Greif um einen Sperber. Aber wir wollen ja nicht kleinlich sein….

Selbst ins Knie geschossen

Auch nicht, wenn es um sprachliche Irrungen und Wirrungen geht. Auch da ist „meine“ Zeitung ziemlich kreativ. In eine ihrer jüngsten Ausgabe berichtete sie stolz von einem Schnappschuss, den einer ihrer Leser mit der Kamera im Bild festgehalten hätte. Da bekommt man ja gleich Schnapp-Atmung! Einen gewissen Sinn für linguistische Skurrilitäten kann man dem Redakteur nicht absprechen. Der Begriff „Schnappschuss“ stammt eigentlich aus der Jägersprache und bedeutet „Schießen aus der Hüfte ohne sorgfältiges Zielen“. Klar, dabei geht halt ab und an auch mal ein sprachlicher Schuss daneben oder ins Auge… Bezogen auf ein Foto, womit, bitteschön soll man einen Schnappschuss denn sonst machen denn mit einer Kamera??? Mit einem Wasserkocher vielleicht? Oder einem Tee-Licht aus der Haushaltsabteilung von IKEA? Und dass dieser Schnappschuss auch dann noch zu allem Überfluss im Bild und nicht etwas im Ton festgehalten wurde, hätte er sich bestimmt auch nicht träumen lassen. Ich auch nicht. Es bedarf kaum sonderlicher Erwähnung, dass dieser Schnappschuss einen Vogel zeigte. Ich zeige den meiner Zeitung jetzt auch….

Bürgerreporter:in:

Jürgen Heimann aus Eschenburg

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