Vom Stieglitz gebissen, vom Watz gestreift: Startverbot in Bottenhorn, weil Loopings schlecht für’s Brutgeschäft sind

Reife Leistung: Das muss Luft-Akrobaten wie Jan Schröhjahr vom Mescheder Acro-Team erst mal jemand nachmachen.  In dieser Höhe brütende Vögel zu belästigen, schafft auch nicht jeder. | Foto: biplanes.de
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  • Reife Leistung: Das muss Luft-Akrobaten wie Jan Schröhjahr vom Mescheder Acro-Team erst mal jemand nachmachen. In dieser Höhe brütende Vögel zu belästigen, schafft auch nicht jeder.
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Keine Himmelfahrt an Himmelfahrt. Da ist sie wieder, diese klassische, meist konstruierte, teils aber auch schon überwunden geglaubte Konfliktlinie zwischen Naturschutz und Luftsport. Die LSG Bottenhorn darf ihr beliebtes Flugplatzfest am „Vatertag“ nicht mehr veranstalten - und das stinkt zum Himmel. Plötzlich, nach 18 Jahren, ist irgendeinem verbeamteten Siebenschläfer in der Oberen Naturschutzbehörde aufgefallen, dass auf und im Umfeld des Bad Endbacher Fluggeländes ja Vögel nisten und brüten, die unter keinen Umständen gestört werden dürften. Nach 18 Jahren wohlgemerkt! Vorher hat das niemand gejuckt, am allerwenigsten die Vögel.
Welche Mönchsgrasmücke die Entscheider auch immer geritten haben mag: Sie stützen sich bei ihrer Ablehnung (auch) auf das Gutachten eines privaten Marburger Büros. Seitenlang zu begründen, warum eine derartige Veranstaltung nicht mehr in die Zeit passt, mag für die Auftragnehmer nämlich durchaus aufwändiger und somit bei der Rechnungsstellung auch lukrativer sein, als sie einfach durchzuwinken. Kann so gewesen sein, muss aber nicht.
Die gewundenen, bemühten Erklärungen für das „Nein“ sind haarsträubend. Da mag sich selbst bei den ach so gefährdeten Piepmätzen das Gefieder sträuben. Diese würden, heißt es, insbesondere durch Kunstflugvorführungen beeinträchtigt. Vermutlich regen sie sich angesichts einer rasanten Luftnummer derart auf, dass die Gefahr einer Fehlgeburt droht. Wenn die Flugzeuge aber brav geradeaus fliegen, wie das an nahezu jedem Wochenende während des normalen Flugbetriebs der Fall ist, stört das die Zwitscher-Fraktion wohl nicht. Hallo? Geht’s noch?
Gut, der Segelflugplatz der Luftsportgemeinschaft liegt auf einem bereits vor 22 Jahren als Naturschutzgebiet ausgewiesenen Gelände. Aber das war bislang nie ein Grund, dort fliegerische Aktivitäten bzw. Veranstaltungen zu untersagen, auch wenn es entsprechende Versuche schon gab. Sie wurden dadurch allenfalls erschwert. Aber irgendwo traf man sich stets in der Mitte und fand zu einem für beide Seiten tragbaren Kompromiss. Und es hat sich ein gar nichts an den Rahmenbedingungen geändert. Das Veranstaltungskonzept ist das Gleiche geblieben. Und trotzdem soll auf einmal nix mehr gehen – zumindest zum gewohnten Zeitpunkt nicht.

Väterlicher Rat aus dem Regierungspräsidium

Mann könne ja auf einen späteren Termin ausweichen, lautete der väterliche Rat aus dem Regierungspräsidium. Daran lässt sich schon erkennen, wie weit die Damen und Herren Bürokraten dieser Behörde von der Lebenswirklichkeit nicht nur der Tiere, sondern vor allem auch der der Menschen entfernt sind. Solche Veranstaltungen werden viele Monate im Voraus geplant und vor allem mit anderen (Vereinen) abgestimmt, damit man sich nicht gegenseitig Konkurrenz macht und die Butter vom Brot nimmt. Da lässt sich kurzfristig nichts mehr ändern. Und das hat nichts mit mangelnder Flexibilität zu tun. Die LSG Bottenhorn macht aus der aktuellen Not jetzt eine zahnlose Tugend und bittet für den 29. Mai zu einem „Tag der offenen Tür“. Sicherlich kein Massenmagnet.

Mit zweierlei Maß

Ja, und ganz so genau nimmt man es mit dem Umwelt- und Naturschutz ja trotzdem nicht – zumindest an anderer Stelle. Keine Kilometer Luftlinie entfernt, in Richtung Steinperf, dürfen mal eben 8000 Quadratmeter Wiese zu geschottert werden. Da haben die Bodenbrüter dann anschließend Freudenpartys gefeiert. Kann natürlich auch sein, dass das dort eine absolut vogelfeie Zone ist. Ist aber eher unwahrscheinlich. Dort, wo als landschaftliche Zierde, fünf 184 Meter hohe Windräder in den Himmel wachsen sollen, braucht es schließlich einen belastbaren Untergrund, damit der große Kran und die Bauteile nicht im Erdreich einsacken.
Apropos sacken: Ein Tankwagen verlor hier in Folge jede Menge Dieselkraftstoff, der im Boden versickerte, was aber zunächst kein Schw… zu interessieren schien. Erst verspätet wurden dann wieder acht Container voll Geröllmasse abgetragen, um das Ausmaß der Sauerei festzustellen bzw. zu begrenzen. Das Untersuchungsergebnis der entnommenen Bodenproben wird seitdem als geheime Verschlusssache gehandelt. Die Kosten für die Folie, die, so die Auflage, eigentlich zwischen Wiese und Schotterschicht aufgebracht werden sollte, hatte man sich eben mal gespart. Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt.
Hätten sich die Betreiber des benachbarten Segelfluggeländes so etwas erlaubt, der Flugplatz wäre vermutlich noch am gleichen Tag geschlossen worden. Im Gegensatz zu den Investoren der Windkraftanlagen haben Luftsportler nämlich keine Lobby. Hier aber geht es um knallharte wirtschaftliche Interessen. Und natürlich um viel Vitamin B.
Der Bottenhorner Flugplatz galt viele Jahre lang am verlängerten Himmelfahrtswochenende als beliebtes Ausflugsziel. Ganze Familien- und Vereinsclans pilgerten im Rahmen ihrer Mai- bzw. Feiertagswanderungen auf das idyllische, im Schatten des Fernsehturms Angelburg gelegene Areal. Um bei Speis‘ und Trank in gemütlicher Atmosphäre einige gesellige Stunden im Kreise Gleichgesinnter zu verleben, um den „tollkühnen Männern in ihren fliegenden Kisten“ zuzuschauen, die in lockerer, zwangloser Abfolge stets ein spannendes Programm boten. Die Veranstaltung hatte Traditionscharakter und einen bedeutenden gesellschaftlichen und sozialen Stellenwert. Sie galt stets als einer der Höhepunkte im Jahresverlauf der Gemeinde. Aber damit ist es jetzt vorbei. Weil einigen zur Bevormundung neigenden Damen und Herren, die Kraft Amtes zu bestimmen haben, was gut für die Natur und die Menschen ist, der Winterschlaf nicht bekommen ist.

Wir hier oben, ihr da unten

Dabei geben sich selbst die Grünen, einst als Speerspitze bei der Rettung des Planeten angetreten, inzwischen gemäßigt und, ja, vernünftig. Vorbei die Zeiten, als, ein Beispiel, die Ökos mit ihren rostigen Klapper-R4’s den Siegerlandflughafen heimsuchten, um vor Ort über die Umweltverträglichkeit des Luftverkehrs zu schwadronieren. Auf dem Airport-Parkplatz blieben riesige, unheilvoll schimmernde schwarze Pfützen zurück, die aus den porösen Ölwannen der „Dienstfahrzeuge“ stammten. Mittlerweile hat sich das Verhältnis zwischen den Umweltpolitikern, den selbsternannten wie den tatsächlichen, einer- und den Luftfahrern andererseits durchaus normalisiert. Eben weil beide Seiten erkannt haben, dass es immer ein Sowohl- Als-Auch gibt, also unterschiedliche und durchaus berechtigte, wenn auch einander entgegenlaufende Interessen, die es zu berücksichtigen und in Einklang zu bringen gilt. Diesen Lernprozess haben gewisse beratungsresistente, einem Wir-hier-oben-ihr-da-unten- Denken verhaftende Verwaltungs-Apostel diverser Mittelbehörden aber noch vor sich.
Vielleicht passen ihnen Flugplatzfeste wie das nun abgesagte auch nur nicht ins ideologische Konzept. Denn: Das sind für das fliegende Personal treffliche Gelegenheiten, in der Öffentlichkeit Pluspunkte zu sammeln und die Faszination dieses Sportes darzustellen. Genau aber das ist offensichtlich nicht gewollt. „Man“ will sich doch schließlich die (überholten) Feindbilder nicht kaputt machen lassen…

Der Heckenbraunelle ist Kunstflug piepegal

Die am Gängelband einer überbordenden Bürokratie zappelnden Luftfahrtvereine haben sich den Gedanken des Natur- und Umweltschutzes längst zu eigen gemacht, aus Überzeugung und eigenem Antrieb übrigens. Mannigfaltig sind die Bemühungen um ein einvernehmliches Mit- und Nebeneinander von Mensch, Maschine, Tier und Natur. Dass letztere nirgends so artenreich ist wie im Umfeld von Flugplätzen, kommen selbst studierte Ökologen nicht umhin zu bestätigen. Und den Tieren, egal ob Salamander oder Heckenbraunelle, ist es piepegal, ob die Luftfahrzeuge nun Loopings drehen oder stur eine profane Platzrunde einhalten. Nur in Bottenhorn nicht…
Der Umwelt- und Naturschutz ist längst gesellschaftlicher Konsens. Der breiten Akzeptanz schaden solche selbstherrlichen, nach Gutsherrenart getroffene Willkür-Entscheidungen wie die des Regierungspräsidiums erheblich. Das gilt auch für die öffentliche Wahrnehmung. Der Sache haben die berufsmäßigen Naturschützer damit einen Bärendienst erwiesen! Weiter so Deutschland!

Bürgerreporter:in:

Jürgen Heimann aus Eschenburg

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