300.000 aero-tische Devotionalien: Kotztüten, Pilotenmützen und Bordkarten zwischen Hugh Hefner und John Travolta

Hier sind Sie richtig! Hector Cabezas öffnet die Tür zu seiner Schatzkammer. Dahinter lagern über 300.000 Luftfahrt-Exponate. | Foto: Privat
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  • Hier sind Sie richtig! Hector Cabezas öffnet die Tür zu seiner Schatzkammer. Dahinter lagern über 300.000 Luftfahrt-Exponate.
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Er stammt aus Argentinien, flog Fracht für eine verschiedene niederländische Cargo-Linien und hat tief in den Katakomben des Frankfurter Flughafens unter Terminal 2 seinen ganz persönlichen Hangar bezogen. Persönlich deshalb, weil fast alle der knapp 300 000 Teile, die der Mann hier gebunkert hat, irgendwie auch einen Teil seines ereignisreichen Lebens repräsentieren und reflektieren. Es sind Ausstellungs- und Sammlerstücke. Und sie haben alle einen unmittelbaren Bezug zur großen Leidenschaft des 79-jährigen: der Luftfahrt.
Es ist nicht ganz leicht, ihn in dem Gewirr der unterirdischen Gänge und Passagen aufzustöbern. Hinter Schalter 861 geht es erst mal abwärts, in die Unterwelt von "FRA". Und dann, gefühlt, Kilometer um Kilometer über Treppen, durch schmucklose, von Neonlicht erhellte, sich endlos dahin ziehende Flure und Gänge. An einer Brandschutztüre dann endlich ein "Ziel erreicht" verheißendes Schild: "Airlines-Archive". Ein drahtiger Herr mit kurzem grauen Mecki-Haarschnitt bittet in sein Allerheiligstes. Gestatten: Hector Cabezas. Und wenn der ins Erzählen kommt, tut er das leidenschaftlich und gerät automatisch ins Schwärmen. Das ist ansteckend. Sein Universum sind die großen Luftstraßen, die Airports dieser Welt, die Airlines, Terminals und Check-in-Schalter. Und die kleinen Dinge und Accessoires, die irgendwie damit zusammen hängen. Pins, Sticker, Navigationskarten, Bordbücher, Wimpel, Schwimmwesten, Mützen, Uniformen, Spucktüten, Abzeichen, Flugpläne, Getränkeuntersetzer mit Airline-Logo und, und und.

Langes Sammlerleben auf 350 Quadratmetern verdichtet

Der Fundus an entsprechenden Exponaten ist kaum überschaubar. Das sicht- und teils unsichtbare Ergebnis eines ganzen, langen Sammlerlebens, aufgeteilt auf sieben bis unter die Decken gefüllte Kellerräume. Ein 350 Quadratmeter großes Labyrinth, in dem sich wohl nur Cabezas selbst wirklich zurecht findet. Und wenn nicht, hilft Ehefrau Paula beim Durchblick. Sie ist ihrem Mann seit vielen Jahren bei der Betreuung, Katalogisierung und Aktualisierung der Kollektion eine unersetzliche Hilfe. Und beide stellen sich gerne als Guides zur Verfügung. Die Sammlung ist öffentlich. Wen's interessiert, kann nach vorheriger Anmeldung hier in die globale Geschichte der zivilen Luftfahrt eintauchen.
Als achtjährigen Bub hatte es Hector Cabezas gepackt: Aktion Eichhörnchen. Alles fing mit dem Sammeln von Briefmarken an. Natürlich nur solchen mit Flugzeugmotiven. Fliegen war damals schon seine große Leidenschaft. Mit 17 dann hatte der Jüngling in seinem Geburtsland den Pilotenschein erworben und zog bald danach mit seinem "alten Herrn" in die Niederlande, wo er in Folge für verschiedene Airlines große Cargo-Maschinen steuerte. Eine Zuckererkrankung bereitete der Karriere am Himmel zwar ein jähes Ende, doch blieb der quirlige Südamerikaner dem Metier im erweiterten Sinne verbunden. Er wurde Frachtleiter der Russen-Airline auf dem Rhein-Main-Flughafen und hat als solcher die Entwicklung des größten deutschen Lufthafens miterlebt und vor allem dokumentiert.

Antoine de Saint-Exupéry und Mel Gibson

Waren es am Anfang seiner Sammlerlaufbahn die kleinen Gezackten, wurde das Spektrum in den Folgenjahren Zug um Zug beträchtlich erweitert. Heuer gibt es in seinem Portfolio nichts mehr, was es nicht gibt. Da war und ist der Mann flexibel und gar nicht fixiert. Das Guiness-Buch-geadelte Arsenal ist gigantisch. Ein riesiger Kessel Buntes, eine Pinakothek des Erstaunlichen. Darunter , 200.000 Fotos, 12.000 Fliegerabzeichen, 1800 Flugzeugmodelle, 350 Uniformen, 200 Wimpel. Teils von Fluggesellschaften, die längst Geschichte und vergessen sind. Von Aeropostale beispielsweise, jener Linie, in deren Auftrag der Luftfahrt-Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry einst am Himmel unterwegs war. Oder von PanAm. Die Taunus Air kennt heuer auch kein Mensch mehr. Hier wird die Erinnerung an sie wenigstens ein kleines bisschen konserviert und wach gehalten.

Jedes Exponat hat seine eigene Geschichte

Und (fast) jedes einzelne Stück hat seine eigene Geschichte. Der Wächter der zig-Tausend Exponate kann sich im Falle jedes einzelnen genau erinnern, von woher es stammt bzw. wem er es verdankt. Die stilisierten, silberfarbenen, nach oben gezogenen Schwingen in der Klarsichthülle beispielsweise hat US-Schauspieler Mel Gibson spendiert: das Pilotenzeichen, dass der Mime 1990 in dem Film "Air America" getragen hatte. Heuer gerieren sich die US-Fluggesellschaften ja ein klein wenig seriöser als es diese von der CIA vereinnahmte Donnerflug-GmbH während des Vietnam-Krieges, davor und danach zu tun pflegte. Cabezas kramt eine andere Klarsichtfolie hervor. Darin Spangen der Playboy-Airline. Die hat er von Bunnie-Chef-Rammler Hugh Hefner persönlich bekommen, als dieser mal mit seinem Jet einen Zwischenstopp auf Rhein-Main einlegte.

John Travoltas Blitzbesuch

Auch John Travolta war schon hier, aber nicht Samstagnacht und außerdem fieberfrei. Der US-Star ist ja selbst ein begeisterter Pilot und besitzt u.a. eine rot-weiß-lackierte Boeing 707-138B, die er nach seinen Kindern „Jett Clipper Ella“ getauft hat. Den Vogel darf er, wenn auch lediglich als Co., in Begleitung eines dafür qualifizierten "Pilot in Command" selbst steuern. Tat der amerikanische Leinwandheld an diesem Tag des Jahres 2002 auch, als er in Frankfurt damit landete. Anstelle des weißen Tony-Manero-Angeber-Outfits aus "Saturday Night Fever" trug der Schauspieler und Tänzer während einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz eine abgewetzte Fliegerjacke. Hector Cabezas erkannte mit geschultem Blick sofort, aus welchem Jahre das Wams stammte. Das Eis war gebrochen. In seinem klapprigen Kleinwagen chauffierte der Argentinier seine Gast auf die andere Seite des Flughafens, um ihm sein Reich zu zeigen. Dem Sicherheitspersonal zu erklären, was es mit diesem Besucher auf sich hatte, war eine andere Sache.

Ein Päckchen vom Heiligen Vater

Bezahlt hat der umtriebige Exponaten-Jäger eigentlich nie etwas für seine Sammlerstücke. Da wäre ihm irgendwie auch gegen die Ehre gegangen. Etwas für (viel) Geld zu erwerben, das kann ja (fast) jeder. Für ihn spielt da auch eine Portion sportlicher Ehrgeiz eine Rolle. Man braucht das richtige Näschen und ab und an auch etwas „Vitamin B“. Und Cabezas‘ Beziehungen reichen bis in den Vatikan hinein. Als „Wir-sind-Papst“ Ratz-Fatz noch auf dem Heiligen Stuhl thronte, stieß der Wahl-Sachsenhausener im Internet auf eine Abbildung des „Papacopters“, jenen Heli, mit dem der Pontifex hin und wieder durch die Gegen zu rotieren pflegt und der von der italienischen Luftwaffe vorgehalten wird. Den Sammler interessierte vor allem das päpstliche Emblem, das beiden Seiten des Drehflüglers ziert. Ja, und ein paar Wochen später brachte der Postbote genau ein solches ins Haus. In dem Begleitschreiben ließ der Heilige Vater herzlich grüßen und wünschte weiterhin viel Erfolg.
Seit 1987 bereits ist Cabezas mit seiner ständig wachsenden Kollektion bei der Fraport AG angesiedelt, quasi als Untermieter. Im Frühsommer dieses Jahres hat er seine Sammlung dem Flughafenbetreiber, der ja kein eigenes Museum unterhält, übertragen und fungiert selbst als Kurator auf Lebenszeit. Als solcher ist er täglich, außer samstags und sonntags, vor Ort. Neben diversen Airlines, die anlässlich von Jubiläen gerne mal auf diesen Fundus zurückgreifen, zählen vor allem auch luftfahrtbegeisterte Privatleute zu seiner Klientel. Besucher sind nach vorheriger Anmeldung (069/69070965) gerne gesehen. Es lohnt sich.

Bürgerreporter:in:

Jürgen Heimann aus Eschenburg

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